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Stiftungsvermögen und die Inflationsfalle

Hat die Aufbruchstimmung nach der Bundestagswahl Auswirkungen auf die Inflation?

Fachbeitrag Donner & Reuschel

Die Bundestagswahl und die aktuellen Wirtschaftszahlen werfen eine Frage aus Stiftungssicht auf: Kommt die Inflation zurück? Und wenn ja, kommt sie mit Wucht oder so, dass sie beherrschbar bleiben wird? Für Stiftungen ist dies derzeit eine wichtige Frage, denn ihre Allokationen sind häufig nominalwert-orientiert und somit auf ein Teuerungsszenario nicht vorbereitet. Und ausbleibende Erträge sind das eine, Kostensteigerungen in der Verwaltung einer Stiftung sind in einem Inflationsszenario das Andere. Die neue Bundesregierung wird hier liefern, Stiftungen werden agieren und die Analyse wird inspirieren müssen. Rein farblich gibt eine Ampel-Regierung ja schon mal jede Menge her, aber der Reihe nach.
Von Carsten Mumm, Donner & Reuschel, carsten.mumm@donner-reuschel.de

Wohl kaum ein Thema hat in Deutschland in den letzten Wochen so hohe Aufmerksamkeit erfahren, wie die Bundestagswahl – nicht nur bei an Politik Interessierten, sondern sogar bei breiten Bevölkerungsschichten. Während der Wahlkampf eher inhaltsarm und oftmals auf Randthemen fokussiert ablief, entwickelte sich unmittelbar nach dem Wahltag eine kaum vorhersehbare Dynamik in Teilen der Berliner Politik. Wer hätte schon erwartet, dass Grüne und FPD als gefühlt einzige Wahlgewinner unter sich Vorsondierungen abhalten, um inhaltliche Positionen auf Gemeinsamkeiten sowie mögliche Kompromissmöglichkeiten hin zu untersuchen und erst dann in die Sondierungen mit einem der beiden gemäß Wahlergebnis größeren Partner einer potenziellen künftigen Dreier-Koalition eingehen würden?

stiftungenstärken

GEBEN JUNGWÄHLER DIE RICHTUNG VOR?

Weiterhin bemerkenswert ist, dass sowohl die Grünen (nicht verwunderlich) als auch die FDP vor allem von Jungwählern Stimmen erhalten haben. Damit haben wir innerhalb weniger Tage eine völlig neue Stimmungslage in der deutschen Politik: weg vom jahrelang dominierenden, kurzfristigen Fokus auf die Bekämpfung akuter Krisen, also die vornehmliche Reaktion, hin zu einem jung-dynamischen Aufbruch und der Adressierung mittel- bis langfristig relevanter und dringend anzugehender Weichenstellungen, um die Transformation der Wirtschaft in eine digitalisierte, dekarbonisierte Zukunft erfolgreich und aktiv zu gestalten. Junge Menschen können in dieser Konstellation nicht mehr behaupten, sie hätten keine Stimme in der Politik. Zudem dürfte sichergestellt sein, dass wir nicht den eindimensionalen Weg von Verboten, Enteignungen und Umverteilung einschlagen, um den zweifellos großen Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, sondern vielmehr der Staat die notwendigen Rahmenbedingungen und Anreize setzt, damit privat- und marktwirtschaftlich agierende Akteure die Transformation umsetzen.

CHECKLISTE

Stiftungsvermögen und Inflation – was Stiftungen bei anziehender Inflation im Stiftungsvermögen machen können und machen sollten

  • Real negative Renditen erschweren für Stiftungen die Erreichung der Zielsetzung eines realen Kapitalerhalts, selbst wenn der zur Erfüllung des Stiftungszwecks notwendige Cash-Flow über ausreichend ordentliche Erträge gesichert ist. Verantwortliche sollten ihre Anlagekonzepte daher auf Robustheit gegenüber Kaufkraftverlusten überprüfen.
  • Als Alternativen zu – auch nominal derzeit oftmals – nur gering verzinslichen Anlagen, sind grundsätzlich reale Anlageklassen denkbar. Dazu gehören neben Immobilien auch Aktien sowie ggf. Edelmetalle, illiquide unternehmerische Beteiligungen, bspw. aus den Bereichen Infrastruktur, Private Equity oder auch Private Debt.
  • Weiter sollte überprüft werden, welche dieser Anlageklassen vor dem Hintergrund satzungsmäßiger oder sonstiger Restriktionen, wie bspw. Mindestanlagesummen, überhaupt investierbar wären. Ggf. sollte eine Satzungsänderung bzw. eine Überarbeitung vorhandener Anlagerichtlinien sowie eine Abstimmung mit der Stiftungsaufsicht in Betracht gezogen werden.
  • Vor der Umstellung von Anlagekonzepten sollte eine Analyse der Auswirkungen neuer Anlagen auf die Rendite- und Risikoeigenschaften im Portfoliokontext erstellt sowie potenzielle geeignete Investments verglichen und bewertet werden.
  • Da anziehende Inflationsraten verschiedenartige Unwägbarkeiten an den Kapitalmärkten mit sich bringen können, ist es grundsätzlich ratsam, die Asset Allocation (=Vermögensaufteilung) breiter aufzustellen, sich also hier sowohl vom „klassischen“ Anleihen-Aktien-Beritt zu lösen als auch die Möglichkeiten der globalen Anlageräume (Europa, Amerika, Asien) zu nutzen.
  • Die Stiftungsrechtsreform ermöglicht es Stiftung künftig, auch Umschichtungserlöse für die Zweckverwirklichung ausreichen zu können, dies legt die Basis dafür, auch thesaurierende (Fonds)Strategien im Stiftungsvermögen einsetzen können. Ein stärker inflationäres Umfeld könnte nun verlangen, solche thesaurierenden und den Faktor Performance in den Vordergrund stellenden Strategien (Fonds) einsetzen zu müssen.

NACHFRAGEORIENTIERTE WIRTSCHAFTSPOLITIK AUCH IN DEUTSCHLAND AUF DEM VORMARSCH?

Doch die Bundestagswahl hätte auch mit einer anderen möglichen Regierungskonstellation enden können: rot-grün-rot. Dieses entspräche einem weltweit vielfach beobachtbaren Trend: dem Schwenk von einer seit Anfang der 80`er vorherrschenden angebotsorientierten zu einer eher nachfrageorientierten Politik, die mit mehr Staatsausgaben, einer zunehmenden Regulierung, höheren Steuern, höheren Löhne und mehr Umverteilung verbunden ist. Besonders deutlich wird dieser Kurs in den USA im Zuge der Übernahme der Präsidentschaft durch Joe Biden. Zumindest ansatzweise erkennbar ist er aber auch in vielen anderen Staaten.

KAUFZUWÄCHSE SIND LANGFRISTIG POSITIV ZU SEHEN

Vermutlich liegt dieser Entwicklung sogar ein sehr langfristig wirkender politischer Zyklus zugrunde, der einen wiederkehrenden Wechsel von eher kapitalistischen und eher sozialistisch geprägten Ansätzen zeichnet. Ray Dalio, Gründer und Inhaber des US-Asset Managers Bridgewater Associates beschreibt den Treiber dieses Zyklus ganz plakativ: Kapitalisten sind gut darin, den Kuchen im Sinne der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung, zu vergrößern, während Sozialisten ihn besser verteilen können. Und tatsächlich ist erkennbares Ziel der Politik, dass untere und mittlere Einkommen vom Nach-Corona-Aufschwung über stärker steigende Löhne stärker profitieren sollen, als es in den letzten 10 Jahren der Fall war. Weiter auseinanderklaffende Vermögens- und Einkommensscheren sollen vermieden werden. Man könnte auch sagen, dass die Zeit spätestens nach der Ära Trump und angesichts der fast allmächtigen Internet-Monopolisten einfach reif für einen Wechsel ist. Aus volkswirtschaftlicher Sicht und für die Kapitalmärkte kann sich daraus ein durchaus positives Szenario ergeben, wenn die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten steigt.

LINKSRUTSCH KÖNNTE KONSUM AUSGABEN BEFÖRDERN

Sollte es allerdings zu einem Linksrutsch ohne ein wirtschaftsliberales Korrektiv kommen, bestünde die Gefahr, dass ein vornehmlich konsumorientierter Ausgabenkurs angesteuert wird und dringend notwendige Investitionen in die Steigerung der Produktivität sowie der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes und damit in die Zukunftsfähigkeit der Volkswirtschaft zu kurz kämen. Das stünde gerade den Interessen junger Wähler konträr entgegen, die auf eine moderne und den Anforderungen an eine zeitgemäße Infrastruktur sowie eine auf Innovationen und die Nutzung von Humankapital als einem der künftig wichtigsten Produktionsfaktoren basierenden Volkswirtschaft setzen müssen.

DEFLATIONÄRE EFFEKTE FEHLEN ERSTMAL

Und jetzt kommt die Inflation ins Spiel. Ohnehin ist das Erreichen der tiefen Preissteigerungsraten aus der Vorkrisenzeit in den kommenden Jahren kaum realistisch. Kurzfristig – und wohl auch noch einige Monate anhaltend – belasten erhebliche Unwuchten im Nach-Corona-Aufschwung die globalen Lieferketten und unterfüttern zusammen mit erheblichen Energiepreissteigerungen die aktuell dynamischen Inflationsraten. Mittel- und langfristig fehlen künftig die jahrzehntelang deflationär wirkenden Effekte der zunehmenden Globalisierung. Im Gegenteil bedeuten die Diversifikation von Lieferketten, die Erhöhung der Lagerhaltung oder gar die Rückholung von Produktion nach den Erfahrungen während der Pandemie tendenziell steigende Kosten. Hinzu kommen notwendige Investitionen in digitale, manuelle oder Gesundheits-Infrastruktur von staatlicher Seite sowie die Erneuerung von Anlagen, Maschinen und Fuhrparks durch Unternehmen, um Emissionen zu reduzieren.

DIGITALISIERUNG WIRD PRODUKTIVITÄTSGEWINNE BRINGEN

Demografische Effekte dürften zu einem steigenden Fachkräftemangel führen und die politisch administrierten Lohnsteigerungen weiter anschieben. Dem stehen als nennenswerte deflationär wirkende Faktoren in den kommenden Jahren vor allem die Digitalisierung und die damit voraussichtlich einhergehenden Produktivitätsgewinne gegenüber. Die Gesamtkonstellation dürfte dazu führen, dass überbordende inflationäre Entwicklungen vermieden werden können.

STAGFLATION NICHT WÜNSCHENSWERT

Da angesichts der voraussichtlichen neuen Regierungskoalition in Deutschland keine übermäßige Ausweitung der Staatsverschuldung bei gleichzeitig fehlenden produktivitätssteigernden Investitionen und ein Abwürgen privatwirtschaftlicher Investitionsanreize absehbar ist, dürfte der aktuell zunehmenden Gefahr eines Abrutschens in die Stagflation – also einer ausgeprägten Wachstumsschwäche bei gleichzeitig anhaltend sehr hoher Inflation – zumindest nicht noch weiter Vorschub geleistet werden. Basisannahme bleibt, dass die bestehenden Lieferengpässe und Kostensteigerungen im Verlauf des ersten Halbjahres 2021 sukzessive abnehmen werden und der im dritten und vierten Quartal unterbrochene globale Erholungspfad wieder aufgenommen wird.

STRUKTURELLE EFFEKTE SORGEN FÜR HÖHERES INFLATIONSNIVEAU

Trotzdem sorgen die genannten strukturellen Effekte voraussichtlich für ein höheres Inflationsniveau als vor der Krise. Gleichzeitig werden viele Notenbanken sich schwertun, ihren ultra-expansiven geldpolitischen Kurs zu beenden oder gar Leitzinserhöhungen durchzusetzen. Damit bleibt die Perspektive aus Anlegersicht ein anhaltend negatives Realzinsniveau – nicht zufällig auch der beste Weg, um die coronabedingt vielfach explodierten Staatsschuldenniveaus über lange Zeit zu relativieren.

ZUSAMMENGEFASST

Unsere Analyse lässt höhere Inflationsniveaus vermuten, und diese Inflationsniveaus dürften eher weniger temporärer denn anhaltender Natur sein. Die neue Ampel-Regierung wird dies – so die Lesart der bisherigen Verlautbarungen – akzeptieren und in ihrem Sinne zu nutzen wissen. Aus Stiftungssicht bedeutet dies, dass sich hier im Gebälk der Kapitalmärkte unter Umständen ein mittelfristiger Wechsel der Parameter für das verwalten des Stiftungsvermögens ergibt, so dass Inflation in gewisser Weise als Faktor im Stiftungsvermögen wieder mit berücksichtigt werden muss. Wenn also für die neue Koalition die Ampel nun doch auf Grün geht, so ist für das Stiftungsvermögen absehbar, dass die Ampel für eine „Weiter-so-Anlagepolitik“ allenfalls auf Gelb steht, wenn überhaupt.

HINWEIS: Die Stiftungsexperten von Donner & Reuschel sind auch in unserer Übersicht eingelistet, die Details zu den Leistungen für Stiftungen finden Sie hier.