Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen
An diesem Punkt jedoch wird das Sozial- und Gesundheitswesen aufmerken, denn aus Sicht dieser Einrichtungen kann das Abwerben einer Führungskraft aus der Industrie als durchaus moralisch verwerflich angesehen werden. Zumindest auf den ersten Blick. Schließlich umfasst der Sektor „die Guten“, die andere Organisationen nicht schwächen wollen. Aber dass Führungskräfte aus ihrem Netzwerk auf offene Stellen angesprochen werden, ist Gang und Gäbe. Viele achten deshalb gar nicht mehr auf Ausschreibungen. Sie erreichen also selbst wechselwillige Führungskräfte über diesen Weg fast gar nicht mehr – egal, wie gut Sie die Anzeigen streuen und wieviel Geld Sie dafür ausgeben. Und: Nur wer nicht zufrieden in seiner aktuellen Position ist, lässt sich überhaupt abwerben! Es kann ja auch nicht doppeltem Gehalt geködert werden, sondern mit einer beruflichen Veränderung oder Entwicklungsmöglichkeit, die bei der eigenen Organisation nicht gegeben ist oder nicht angeboten wurde. Wichtig dabei ist, dass heute ein erklecklicher Anteil der potentiellen Kandidaten für die Führungspositionen über digitale Kanäle angesprochen werden.
Kontaktplattformen sind nur der Türöffner
Hierbei gilt es aber darauf zu achten, dass der Kanal passt. Mit expeteer.de zum Beispiel ist der Match ggf. klein, da hier vor allem die Wirtschaft angesprochen wird. Anders sieht es bei tbd.community aus, diese Plattform für Sinnsuchende und Weltverbesserer ist bei 20- bis 30-Jährigen sehr beliebt, gestandene Führungskräfte erreicht man weniger. Hocheffiziente Kanäle sind in der Regel XING und LinkedIn. Es gibt also keine Geheimkanäle, aber die Kanäle muss man entsprechend bespielen, jeder Kanal hat seine eigenen Kniffe. Gleichzeitig sind die Kanäle immer nur die Türöffner, sie ersetzen nicht den persönlichen Kontakt. Man muss sehr schnell dafür sorgen, dass eine persönliche Bindung entsteht, eine menschliche Komponente dazukommt. Es kommt darauf an, wechselwillige Kandidaten frühzeitig zu erreichen. Die Suche nach passenden Kandidaten sollte strukturiert ablaufen. Gemeinnützige Organisationen sollen nicht wild und blind irgendwelche Personen bei XING oder LinkedIn anschreiben, sondern sich vorher überlegen, was genau sie zu bieten haben. Die Branche hat immer noch einen schlechten Ruf. Führungskräfte aus der Wirtschaft können sich immer häufiger zwar eine „Arbeit mit Sinn“ vorstellen, zögern aber ob des schlechten Gehalts und der mäßigen Rahmenbedingungen. Geringe Bewegungsfreiheiten und Befristungen, aufgrund der unbeweglichen „Riesenapparate“, als die die Wohlfahrtsverbände gesehen werden, sind immer wieder Gründe, die angeführt werden.
NPOs können Anreize schaffen
Ausgehend von dieser Beobachtung muss der Sozialbereich lernen, Führungskräfte nach ihren Vorstellungen zu befragen, auch ganz konkret zum Gehalt. In der Wirtschaft ist es Gang und Gäbe, einen guten Manager mit einem Mehr-Gebot zu überzeugen. Entsprechend können soziale Organisationen genauso offensiv mit ihren Argumenten antreten. Sie bieten eine sinnhafte Tätigkeit, ein wertebasiertes Arbeitsumfeld, Gestaltungsspielräumen und Freiheiten, die im Konzern nicht zu haben sind. Im Übrigen hilft es auch, sich zugehörig zu einem großen Verband zu erkennen zu geben. Viele kleinere Organisationen leiden an ihrer Unbekanntheit und tun sich in der Folge schwer, als unbekannter Arbeitgeber Führungskräfte zu finden. Daher ist es beispielsweise für kleinere Träger und Einrichtungen der Diakonie unbedingt sinnvoll, sich im Kontext eines größeren Gebildes zu präsentieren.
Quintessenz
Mit einer durchdachten und systematischen Herangehensweise und indem sich soziale Organisationen genug Zeit für die Stellenbesetzung nehmen, sind die beiden wichtigsten Kriterien für das erfolgreiche Gewinnen einer Führungskraft genannt. Mit einer Stellenanzeige auf dem immer gleichen Kanal ist es nicht getan, gleichsam gilt, den passenden Kanal für die Recruitingmaßnahme zu finden. Wichtig ist, dass Recruiting keine Aufgabe ist, die sich schnell erledigen lässt, sondern Geduld bedarf. Auch dahingehend, selber genau zu wissen, was man selbst zu bieten hat. Dieses erste Reflektieren ist meist der wichtigste Schlüssel zum Recruitingerfolg, auch und gerade für soziale bzw. gemeinnützige Organisationen.