Finden Sie Ihren Lösungsanbieter

Recruiting im Dritten Sektor

Erfolgreich Führungskräfte für das Sozial- und Gesundheitswesen gewinnen

Sechs Monate sind vergangen, seit der Einrichtungsleiter gekündigt hat, tausende Euro in Stellenanzeigen versenkt. Doch ein Nachfolger ist immer noch nicht in Sicht. Die Einrichtung schlingert führungslos durch den Pflegenotstand. Die Frage lautet nun: Wie lange kann das noch gut gehen? Viele gemeinnützige Organisationen dürfte vor dieser Frage stehen, und für viele dürfte es einem Kunststück gleichen, Führungskräfte zu rekrutieren.
Von Annika Behrendt, Talents4Good

Um der Antwort auf den Grund zu gehen, muss man sich mit den Eigenheiten der Branche auseinandersetzen. Zu viele Fehler passieren, sobald es daran geht, Führungskräfte zu gewinnen. Es gibt grundsätzlich nur wenige Personen auf dem Markt, die stets alle gewünschten Voraussetzungen mitbringen. Häufig ist jemand fachlich gut, hat aber kaum Management-Kompetenzen. Die Erwartungen der Einrichtungen und Organisationen an den Idealbewerber sind daher zu hoch. Man sucht die „eierlegende Wollmilchsau“: Sie kann sofort anfangen, bringt alle wichtigen Kompetenzen mit und hat keinerlei Ansprüche an das Gehalt oder andere Rahmenbedingungen. An dem Punkt sollte angesetzt und das Stellenprofil geschärft werden. Fragen wie, wo eine solche Person derzeit arbeitet, gilt es zu erläutern. Auf diese Weise entsteht eine Liste von Organisationen und Unternehmen. Über digitale Kanäle sollten dann Namen von Personen, die dort in den entsprechenden Positionen arbeiten, recherchiert werden. Ein Beispiel: Eine weit verzweigte Organisation, in der kein hierarchischer, sondern ein 360-Grad-Führungsstil herrscht, sucht eine Geschäftsführung und möchte explizit jemanden aus der Wirtschaft haben, der eine bestimmte Einheit betriebswirtschaftlich auf Vordermann bringt. In diesem Fall sollte jemanden aus einem großen Konzern gesucht werden, der weiß, wie das komplexe Zusammenspiel vieler Beteiligter funktioniert.

stiftungenstärken

Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen

An diesem Punkt jedoch wird das Sozial- und Gesundheitswesen aufmerken, denn aus Sicht dieser Einrichtungen kann das Abwerben einer Führungskraft aus der Industrie als durchaus moralisch verwerflich angesehen werden. Zumindest auf den ersten Blick. Schließlich umfasst der Sektor „die Guten“, die andere Organisationen nicht schwächen wollen. Aber dass Führungskräfte aus ihrem Netzwerk auf offene Stellen angesprochen werden, ist Gang und Gäbe. Viele achten deshalb gar nicht mehr auf Ausschreibungen. Sie erreichen also selbst wechselwillige Führungskräfte über diesen Weg fast gar nicht mehr –  egal, wie gut Sie die Anzeigen streuen und wieviel Geld Sie dafür ausgeben. Und: Nur wer nicht zufrieden in seiner aktuellen Position ist, lässt sich überhaupt abwerben! Es kann ja auch nicht doppeltem Gehalt geködert werden, sondern mit einer beruflichen Veränderung oder Entwicklungsmöglichkeit, die bei der eigenen Organisation nicht gegeben ist oder nicht angeboten wurde. Wichtig dabei ist, dass heute ein erklecklicher Anteil der potentiellen Kandidaten für die Führungspositionen über digitale Kanäle angesprochen werden.

Kontaktplattformen sind nur der Türöffner

Hierbei gilt es aber darauf zu achten, dass der Kanal passt. Mit expeteer.de zum Beispiel ist der Match ggf. klein, da hier vor allem die Wirtschaft angesprochen wird. Anders sieht es bei tbd.community aus, diese Plattform für Sinnsuchende und Weltverbesserer ist bei 20- bis 30-Jährigen sehr beliebt, gestandene Führungskräfte erreicht man weniger. Hocheffiziente Kanäle sind in der Regel XING und LinkedIn. Es gibt also keine Geheimkanäle, aber die Kanäle muss man entsprechend bespielen, jeder Kanal hat seine eigenen Kniffe. Gleichzeitig sind die Kanäle immer nur die Türöffner, sie ersetzen nicht den persönlichen Kontakt. Man muss sehr schnell dafür sorgen, dass eine persönliche Bindung entsteht, eine menschliche Komponente dazukommt. Es kommt darauf an, wechselwillige Kandidaten frühzeitig zu erreichen. Die Suche nach passenden Kandidaten sollte strukturiert ablaufen. Gemeinnützige Organisationen sollen nicht wild und blind irgendwelche Personen bei XING oder LinkedIn anschreiben, sondern sich vorher überlegen, was genau sie zu bieten haben. Die Branche hat immer noch einen schlechten Ruf. Führungskräfte aus der Wirtschaft können sich immer häufiger zwar eine „Arbeit mit Sinn“ vorstellen, zögern aber ob des schlechten Gehalts und der mäßigen Rahmenbedingungen. Geringe Bewegungsfreiheiten und Befristungen, aufgrund der unbeweglichen „Riesenapparate“, als die die Wohlfahrtsverbände gesehen werden, sind immer wieder Gründe, die angeführt werden.

NPOs können Anreize schaffen

Ausgehend von dieser Beobachtung muss der Sozialbereich lernen, Führungskräfte nach ihren Vorstellungen zu befragen, auch ganz konkret zum Gehalt. In der Wirtschaft ist es Gang und Gäbe, einen guten Manager mit einem Mehr-Gebot zu überzeugen. Entsprechend können soziale Organisationen genauso offensiv mit ihren Argumenten antreten. Sie bieten eine sinnhafte Tätigkeit, ein wertebasiertes Arbeitsumfeld, Gestaltungsspielräumen und Freiheiten, die im Konzern nicht zu haben sind. Im Übrigen hilft es auch, sich zugehörig zu einem großen Verband zu erkennen zu geben. Viele kleinere Organisationen leiden an ihrer Unbekanntheit und tun sich in der Folge schwer, als unbekannter Arbeitgeber Führungskräfte zu finden. Daher ist es beispielsweise für kleinere Träger und Einrichtungen der Diakonie unbedingt sinnvoll, sich im Kontext eines größeren Gebildes zu präsentieren.

Quintessenz

Mit einer durchdachten und systematischen Herangehensweise und indem sich soziale Organisationen genug Zeit für die Stellenbesetzung nehmen, sind die beiden wichtigsten Kriterien für das erfolgreiche Gewinnen einer Führungskraft genannt. Mit einer Stellenanzeige auf dem immer gleichen Kanal ist es nicht getan, gleichsam gilt, den passenden Kanal für die Recruitingmaßnahme zu finden. Wichtig ist, dass Recruiting keine Aufgabe ist, die sich schnell erledigen lässt, sondern Geduld bedarf. Auch dahingehend, selber genau zu wissen, was man selbst zu bieten hat. Dieses erste Reflektieren ist meist der wichtigste Schlüssel zum Recruitingerfolg, auch und gerade für soziale bzw. gemeinnützige Organisationen.