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Paradigmenwechsel voraus

Über einen Wechsel des Blickwinkels in Stiftungen

Fachbeitrag CONCEPT

Sollen Stiftungen ihre Investments in Aktien erhöhen? Diese Frage stellen sich (noch immer) viele Verantwortliche in Vorständen, Kuratorien und Beiräten. Viele nicht ohne Sorgen, die sie aufgrund nur geringer Erfahrungen mit diesem Anlagemedium verbinden. Von Matthias Steinhauer

Stiftungen stehen vor einem Paradigmenwechsel, wollen sie auch in den nächsten Jahren Renditen erzielen, mit denen sich der Stiftungszweck dauerhaft verfolgen lässt. Abstriche bei der Qualität von Anleihen-Emittenten werden unumgänglich, ebenso eine Erhöhung des in Aktien investierten Kapitalanteils. Spätestens die Nullzins-Ära erzwingt eine prominente Gewichtung dieser für Stiftungen ohnehin schlüssigen Anlageklasse. Stiftungen sind auf Dauer angelegt, und diejenigen, die schon ein Jahrhundert oder älter sind, hätten wohl so lange nicht überlebt, wäre ihr Kapital hauptsächlich in vermeintlich sicheren Staatsanleihen angelegt gewesen. Denn immer wieder gehen Staaten pleite, weil ihnen aufgrund von Missmanagement oder Kriegen die Zahlungsfähigkeit, die Zahlungsbereitschaft oder beides abhandenkommt. Dennoch wird die Sicherheit von Anleiheinvestitionen über- und die Kapitalerosion durch Inflation unterschätzt. Gleichzeitig wird dem langfristigen Rendite- und Kapitalerhaltungspotential von Aktien zu wenig Bedeutung beigemessen.

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Neue Gewissheiten
Die Investition in eine Anleihe, die bis gestern noch regelmäßige Zinsen abwarf, morgen aber nicht zurückgezahlt werden kann, ist unwiederbringlich verloren. Die derzeitige Verfassung des Weltfinanzsystems hat die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Risiken deutlich erhöht. Die Gewissheit der Politik, für auf demokratischer Grundlage getroffene schlimmste Fehlentscheidungen nicht verantwortlich gemacht werden zu können, befördert die Experimentierfreudigkeit staatlicher Apparate. Bei Wirtschaftsunternehmen dagegen lassen sich Erfolg und Misserfolg direkt den Verantwortlichen zuordnen. Die Betroffenheit durch Fehler ist unmittelbar und die Motivation zur Wahrung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens ist genuin hoch. Ein gestandenes Unternehmen, das Güter oder Dienstleistungen anbietet, die wir täglich benötigen, kann Krisen überstehen und seinen Anteilseignern auskömmliche Dividenden gewähren. Zumindest bei Zugrundelegung langer Zeiträume, wie sie für Stiftungen charakteristisch sind, trifft dies zu. Natürlich bleiben in schweren Krisen auch einzelne Unternehmen auf der Strecke, z.B. weil die Nachfrage so stark erodiert, dass kein Platz für alle Anbieter bleibt. Dieses unternehmensspezifische Risiko lässt sich jedoch vergleichsweise leicht „wegdiversifizieren“, das Risiko einer Weltwährungskrise (s.o.) dagegen nicht.

Aktieninvestoren erleiden im Krisenfall Bewertungsverluste, denn die täglichen Notierungen an den Börsen sind Schwankungen ausgesetzt. Börsenkurse stellen aber lediglich eine die Angst oder Euphorie der Marktteilnehmer widerspiegelnde Interimsbewertung dar. Deren Auf und Ab berührt weder die Substanz der Unternehmen noch nimmt es etwas vom Ertrag, den sie in Form von Dividenden an die Gesellschafter ausschütten. Für Stiftungen ist die Tagesbewertung ihrer Investitionen darum prinzipiell zweitrangig. Wichtig für die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks sind der dauerhafte Bestand, die Regenerationsfähigkeit und der ausgeschüttete Ertrag ihrer Kapitalanlagen. Diese Funktionen erfüllen Aktien im historischen Rückblick außerordentlich gut. Gerade vor dem Hintergrund erodierter Zinsen darf eine Fortsetzung dieser überzeugenden Historie erwartet werden. In Gesprächen mit Vertretern der Aufsicht mag es darauf ankommen herauszustellen, dass im Sinne einer über Jahrzehnte nachhaltigen Anlagestrategie die prominente Gewichtung von Aktien nicht lediglich erlaubt, sondern vielmehr erforderlich ist.

Fonds als Mittel der Wahl
Viele Stiftungen sind – bei aller Einsicht in die Notwendigkeit – schlicht mit der Wahl der Mittel überfordert und unterlassen deshalb sinnvolle strategische Weichenstellungen. Nicht immer ist guter Rat besonders teuer, angesichts der heutigen Angebotsvielfalt aber unentbehrlich. Für Stiftungen mit überschaubarem Volumen dürften Fonds oder ETFs, die eine hohe Ausschüttungsrate offerieren, geeignete Anlagevehikel sein. Der Versuch, das Marktrisiko durch aktives Handeln mittels Verkauf und Wiederkauf zu begrenzen, sollte gar nicht erst unternommen werden. Werden die Anlagen langfristig durchgehalten, müssen Kursschwankungen in der Rechnungslegung nicht zwangsläufig ausgewiesen werden. Nur wenn eine „voraussichtlich dauerhafte Wertminderung“ zu erwarten ist, sind Abschreibungen unumgänglich. Dies ist bei breit gemischten Aktienfonds, Stiftungsfonds oder gar ETFs, die ganze Märkte abbildenden, nachweislich unwahrscheinlich. Zwischenzeitlich erzielte Kursgewinne dagegen können realisiert und in der so genannten Umschichtungsrücklage „geparkt“ werden. Aus dieser Rücklage könnten als unumgänglich erachtete Verkäufe von Anlagen, die aus der Verlustzone nicht herauskommen, kompensiert werden. Die Umschichtungsrücklage darf sogar negativ sein.

Gibt die Satzung aktienverwandte Anlagen her?
Bevor solche Detailüberlegungen angestellt werden, ist im ersten Schritt jedoch zu überprüfen, ob die Satzung die Anlage in Aktien oder aktienverwandten Anlageklassen zulässt. Ist dies nicht der Fall, muss zunächst die Satzung angepasst und mit der Aufsicht abgestimmt werden. Investitionsentscheidungen des Vorstands sind für andere Stiftungsgremien und für die Aufsichtsbehörden lückenlos, transparent und erklärend zu dokumentieren. Die Stiftung muss nachzuweisen können, dass eine ausreichende Prüfung der Anlagen auf ihre Eignung für die Stiftung und für den langfristigen Kapitalerhalt vorgenommen worden ist. Darum dürfen nicht sachkundige Stiftungsvorstände auf fachlich versierte Beratung keinesfalls verzichten. Durch sie erhält die Investitionsentscheidung ein solides Fundament einschließlich eines Gesprächsprotokolls zur Dokumentation.

Stiftungen mit größerem Anlagevolumen sind eher in der Lage, über Märkte, Regionen, Anlagestile und verschiedene Strategien zu streuen. Eine hohe Diversifikation der Anlagen ist gleichzeitig der beste Risikoschutz. Ein weiterer ist der Verzicht auf komplexe Strukturen, die nicht im Detail verständlich sind, sowie auf gehebelte Instrumente. Auch größere Stiftungen brauchen aber – sofern sie nicht über in diesem Fach ausgebildete Anlageexperten verfügen – fachkundige Beratung. Von jedem Selbstversuch mit Geldern der Stiftung muss dringend abgeraten werden, denn aus gut Gemeintem resultiert nur selten wirklich Gutes. Eine die Stiftungsvorstände – auch emotional – entlastende Lösung ist es, die Steuerung der Kapitalanlagen an einen unabhängigen Vermögensverwalter zu delegieren.

Fazit
Stiftungen werden für die Ewigkeit gegründet. Insgesamt existieren heute aber nur wenige Stiftungen, die 100 Jahre oder älter sind. Sie alle eint eine Eigenschaft: Die Stifter haben in Sachwerten angelegt, in Immobilien oder in Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen. Denn die Konzentration auf Sachwerte ist das Überlebenskonzept gegen Inflation und Krisen des Geldsystems. Auch aktuell sind Stiftungen darum gut beraten, ihren Blickwinkel bei Anlageüberlegungen auch auf Aktien zu erstrecken.