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Ein Ritt auf der Leitplanke

Wie Stiftungen die neue Komplexität im Stiftungsvermögen meistern

FACHBEITRAG – Christian Frischauf, Selection AM

Viele Stiftungen haben bereits in den letzten Jahren Ihre Aktienquoten erhöht und auch illiquide Risiken wie z.B. Immobilien oder Private-Equity in Ihre Asset Allokation mitaufgenommen. Da es nicht nur Sonnentage an den Kapitalmärkten gibt und auch die sehr schnellen Kurserholungen nach starken Kursverlusten historisch gesehen nicht immer so zu erwarten sind, ist es wichtig, ein professionelles Risikomanagement für die Stiftungsanlagen zu haben. Dies soll sicherstellen, dass auch in Zukunft ein stabiler stetiger Stiftungszweck erfüllt werden kann. Aber wird das der neuen Komplexität der Märkte gerecht? Eine Spurensuche. Von Christian Frischauf, Selection Asset Management, christian.frischauf@selectionam.de

Inwiefern die neue Komplexität im Stiftungsvermögen bereits antizipiert wird, ist auch eine Frage der Bestandsaufnahme. Wir haben vier Fragen lokalisiert, bei denen Stiftungen in der Veranlagung ihres Stiftungsvermögens aktuell der Schuh drückt. 1) Die klassischen Rentenanlagen von früher bringen heute nur ein zinsloses Risiko. 2) Eine strukturelle Erhöhung der Risikoallokation z.B. Investition in Aktien führt in der Regel zu einer höheren Kursschwankung der Kapitalanlage. 3) Damit verbunden ist die Frage der Bilanzierung der Kursverluste und auch die Planung der Zahlungszeitpunkte. 4) Komplexität einer alternativen Anlagestrategie und mögliche Investitionseinschränkungen durch aufsichtsrechtliche Vorgaben runden die herausfordernde Situation für Stiftungen ab. In diesem Fragengerüst bewegen sich Stiftungsgremien, und müssen Antworten aus den daraus resultierenden Fragen finden.

stiftungenstärken

Verbrauchsstiftung (k)eine Option

Eine Antwort auf die skizzierten Fragen könnte auch das Konstrukt der Verbrauchsstiftung sein, die im Gegensatz zu einer normalen Stiftung über keinen Vermögensgrundstock verfügt, der finanziell nicht angetastet werden darf. Es steht somit das gesamte Stiftungsvermögen zur Verfügung. Allerdings kann dieses Verbrauchen je nach Förderaufwand dazu führen, dass in der Zukunft mangels Kapitals der Stiftungszweck nicht mehr weitergeführt werden kann. Wo ist hier der Vorteil, werden Sie fragen? Das Problem ist, dass aufgrund der niedrigen Zinsen, viele Stiftungen zu wenig Erträge generieren, um Ihren Stiftungszweck zu verwirklichen – ohne auf den Kapitalgrundstock zurückgreifen zu müssen. Hier kann die Verbrauchsstiftung als Brückentechnologie fungieren. Nur ist die Umwandlung aufwändig und damit für viele Stiftungen nicht zu stemmen. Also führt an der professionelleren Anlage des Stiftungskapitals kein Weg vorbei.

Delegation der Verwaltung des Stiftungsvermögen rückt auf die Agenda

Wir sehen für Stiftungen drei zentrale Punkte, an denen sie ansetzen müssen. Zum einen ist es die Frage der Delegation. Die Komplexität an den Märkten wird nicht geringer werden, sondern diese wird zunehmen. Komplexität meint hier das Zusammenspiel aus renditeniedrigen Investments, kaum zu greifenden externen Faktoren und den Anforderungen aus dem „Vernachhaltigen“ des Stiftungsvermögens. Wobei Nachhaltigkeit und Rendite zwei zentrale Anforderungen sind, die aber nicht im Gegensatz zueinanderstehen. Ganz im Gegenteil. Es gibt eine Studie der Harvard Universität, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass langfristig nachhaltige Unternehmen sogar renditestärker sind. Das gilt es aus Stiftungssicht zu nutzen, jedoch müssen sich Stiftungsvorstände fragen, ob sie das nachhaltige Profil eines Unternehmens selber greifen können, oder ob hierfür nicht eher Fondsprofis engagiert werden sollten.

Das Wohl der Stiftung gibt die Richtung vor

Dies hat auch hinsichtlich der Business Judgement Rule seine Bewandtnis. Es ist aus Stiftungssicht ehrenrührig, sich selbst um das Vermögen kümmern zu wollen. Aber selber Aktien zu analysieren, daraus dann ein Portfolio zusammenzustellen, das kann in einem komplexen Umfeld auch mal gegen das Wohl der Stiftung „ausgehen“, und dann eben nicht durch die Business Judgement Rule gedeckt sein. ESG ist zudem kein Rahmenwerk, das einfache Entscheidungen erlaubt. ESG verlangt das Analysieren auf verschiedenen Ebenen. Es empfiehlt sich zum Beispiel, harte Ausschlusskriterien, die sich an Umsatzkriterien orientieren, zu implementieren. Unternehmen, die nicht nachhaltige oder nicht ethische Geschäftsmodelle verfolgen oder aufgrund Ihrer Geschäftsbeziehungen Umsatzgrößen von 5% auf Konzernebene überschreiten, sollten konsequent aus dem Investmentuniversum ausgeschlossen werden. Dazu sollten hier und da externe Screenings anberaumt werden, wie dies Fonds regelmäßig via FNG oder IMUG anstoßen. Auch hier ist die Welt komplex, Nachhaltigkeit ist kein Selbstläufer mehr.

Was halten Stiftungsverantwortliche aus, wenn es mal scheppert?

Entsprechend sollten Stiftungen, und das wäre unser Punkt 2, ihre Bedürfnisse in der Kapitalanlage sehr genau kennen. Sie müssen für sich festlegen, wie viel Schwankung sie aushalten können, wie die Allokation aus Renten und Aktien (und ggf. auch Alternativen) aussehen sollte. Auch müssen sie ein Gefühl mitbringen, welches Verhältnis zwischen Kursschwankung der Kapitalanlage und dem Renditepotential der Investmentstrategie besteht. Dazu sollte der Kapitalmarkt regelmäßig eingeschätzt werden, sollten die Parameter sortiert werden. Können Stiftungsverantwortliche dies? Oder bringen sie die notwendigen fachlichen und zeitlichen Ressourcen nicht mit, dann muss diese Frage mit Nein beantwortet werden. Aber noch einmal: Hier müssen Stiftungen und ihre Verantwortlichen offen und reflektiert sich der Kapitalanlage annehmen.

Weg vom Kalenderjahr öffnet Horizonte

Punkt Nummer 3 ist das Lösen vom Kalenderjahr, und zwar auch in der Analyse von Fondslösungen. Als Stiftung selbst ist ja das Kalenderjahr das Berichtsjahr, entsprechend neigen Stiftungen dazu, auch in diesem Horizont ihre Anlagen zu analysieren. Das ist nur wenig zielführend. Sie sollten sich hier vom Kalenderjahr lösen, gleichzeitig aber auch Fonds, egal ob Stiftungsfonds oder sonstig stiftungsgeeignet, über die lange Frist analysieren. Wie hoch war die kumulierte Performance seit Auflage? Wie hoch in den schlechtesten Jahren der letzten Jahre Wie hoch war der größte Rücksetzer seit Auflage, hätten Sie das ausgehalten? Wie hoch waren die Ausschüttungen seit Auflage des Fonds? Und wie setzen Sie Nachhaltigkeit um, wie eskalieren Sie zum Beispiel Ihr Engagement? Das wären Fragen, die Stiftungen Fondsanbietern stellen sollten, denn diese Fragen lösen Sie vom Kalenderjahr und verlagern die Analyse automatisch einen längerfristigen Anlagekontext.

Zusammengefasst

Stiftungsvermögen anzulegen, ist heute mehr denn je eine Frage der Komplexität. Diese wird größer, nicht kleiner, es ist wie ein Ritt auf der Leitplanke. Stiftungsverantwortliche sollten entsprechend ihre Entscheidungen in die lange Frist verlagern, sich mit der Delegation der Aufgabe Kapitalanlage auseinandersetzen und reflektiert betrachten, ob sie der Aufgabe – sehen Sie mir die Formulierung nach – gewachsen sind oder eben nicht. Aus Haftungsgesichtspunkten heraus, die durch die Stiftungsrechtsreform nun auch klarer geregelt sind, ist Ehrlichkeit hier langfristig sehr viel wert. Und im kurzfristigen Umbauen des Stiftungsvermögens sowieso. Stiftungen können versuchen, diese Reflektion aufzuschieben, aussparen können Stiftungen diese aber nicht. Dafür ist die Kapitalanlagewelt zu komplex.

Hinweis: Die Stiftungsexperten von Selection Asset Management sind auch in unserer Stiftungsexperten-Übersicht eingelistet, die Details zu den Leistungen für Stiftungen finden Sie hier.