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Rasches Handeln als erste Pflicht

Welche Lehren Privatstiftungen aus der Corona-Krise ziehen

Fachbeitrag - Kanzlei-Hasch

Von Dr. Alexander Hasch, Kanzlei Hasch, a.hasch@hasch.eu, Mag. Johannes Wolfgruber und Mag. Maximilian Hofmaninger

Seit mehr als einem Jahr berührt uns die durch SARS-CoV-2 ausgelöste „Corona-Krise“ tagtäglich. Die Auswirkungen sind aber nicht nur im Alltag jedes einzelnen Menschen spürbar, sondern betreffen naturgemäß auch Unternehmen und Unternehmer sowie dadurch in weiterer Folge Privatstiftungen, die in Unternehmensstrukturen oftmals die entscheidende Leitungsfunktion innehaben. Zumal die andauernde Krise bis dato noch spürbar ist und mitunter davon ausgegangen wird, dass die COVID-19-Krise die Wirtschaft stärker treffen wird als die Finanzkrise im Jahr 2007, sind auch in Zukunft wesentliche Auswirkungen auf Privatstiftungen zu erwarten.

Werfen wir zuerst einen Blick zurück auf das vergangene (Corona-)Jahr. Die Krise brachte vielerlei Auswirkungen mit sich, insbesondere auf die Stiftung selbst, die Stifter, den Vorstand, die Begünstigten und natürlich auch auf die von der Stiftung verwalteten Assets, insbesondere auf Unternehmensbeteiligungen oder (vermietete / gemietete) Liegenschaften. Die sich ergebenden Problemstellungen und mögliche Lösungsansätze sollen – auf Grund der im letzten Jahr gewonnenen Erfahrungen – im Folgenden einer ersten Nachbetrachtung unterzogen werden.

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STIFTUNGSURKUNDE IST AUF KRISENSICHERHEIT ZU PRÜFEN

Von der Immobilienkrise über die Finanz(Euro)krise bis hin zu einer Pandemie. Wir wissen nicht, hinter welchem Ereignis sich eine nächste Krise versteckt, aber wir wissen, sie wird kommen. Ob man sich auf eine nächste Krise vorbereiten kann, ist nicht gewiss … gewiss ist nur, dass aus der aktuellen Krise gelernt werden kann, damit die Stiftung eine nächste Krise leichter bewältigt. Obwohl eine regelmäßige Überprüfung der Stiftungsurkunde und -zusatzurkunde ohnehin geboten ist, um auf die jeweils aktuellen, rechtlichen Verhältnisse oder Änderungen im Familien- bzw. Begünstigtenkreis einzugehen – diesbezüglich zu empfehlen ist grundsätzlich ein Zeitraum von drei bis maximal fünf Jahren – sollte auch die Corona-Krise als Auslöser genutzt werden, um Stiftungserklärungen einer Betrachtung auf „Krisensicherheit“ zu unterziehen.

LESETIPP: Dieser Text entstammt einem Leitfaden aus der Sicht einer österreichischen Privatstiftung, den eine Autorengemeinschaft verfasst hat und der sämtliche Bereiche der Stiftungspraxis abdeckt – vom rechtlichen Rahmen über Vermögensbewirtschaftung bis hin zu organisatorischen Fragen einer Stiftung. Zu den Autoren gehören neben Alexander Hasch: Manfred Wieland (Stiftung NextGen), Peter Panholzer (PerformanceConsult), Walter Uitz (selbständiger Unternehmensberater), Andreas Gujan (Carnot Capital), Claudia Illichmann (advisory4family).

KRISEN ERFORDERN RASCHES UND ENTSCHLOSSENES HANDELN

Privatstiftungen sind meist auf eine langfristige Bestandsdauer ausgelegt. Krisenzeiten erfordern allerdings ein rasches und zielgerichtetes Handeln, weshalb diesbezüglich ein gewisser Widerspruch be- oder entsteht, den es – jedenfalls vorsorglich – bestmöglich aufzulösen gilt. Vor allem jene Stiftungen, die gleich zu Beginn des Inkrafttretens des Privatstiftungsgesetzes im Jahre 1993 errichtet wurden und seitdem keine oder kaum Änderungen an ihren Urkunden erfahren haben, sind mitunter den aktuellen Herausforderungen nicht mehr gewachsen. Grund dafür sind unter anderem einerseits unflexible Veranlagungsbestimmungen, die dem Stiftungsvorstand häufig ein Festhalten an Unternehmensbeteiligungen als Doktrin vorgeben, oder andererseits überhaupt das Fehlen entsprechender Richtlinien. Auch hinsichtlich der Zuwendungsregelungen sind alte Urkunden oftmals äußerst schlicht gehalten.

GIBT ES NOCH ÄNDERUNGSBERECHTIGTE STIFTER?

Verschärft wird diese Problematik innerhalb jener Stiftungen, in denen keine änderungsberechtigten Stifter mehr vorhanden sind, somit die Stiftungserklärung „versteinert ist“ und daher nur mehr dem Vorstand ein subsidiäres Änderungsrecht, unter Wahrung des Stiftungszweckes und mit gerichtlicher Genehmigung, als Reaktion auf geänderte Verhältnisse, zukommt, das allerdings nur sehr eingeschränkte Änderungen ermöglicht. Denkbar wäre unter Umständen und in Ausnahmefällen, die vorherrschende und noch andauernde Pandemie als „geänderte Verhältnisse“ einzustufen, damit der Stiftungsvorstand für das Funktionieren der Privatstiftung unerlässliche Änderungen verwirklichen kann.

AUSWIRKUNGEN AUF DEN STIFTUNGSVORSTAND

Weiters wurde – vor allem zu Beginn der Krise – die Handlungsfähigkeit vieler Privatstiftungen durch Lock-Downs und Ausgangsbeschränkungen erheblich eingeschränkt. Davon betroffen waren Sitzungen der Organe, wie Vorstands- oder Beiratssitzungen, wenn eine physische Zusammenkunft auf Grund der Regelungen in der Stiftungserklärung unumgänglich war. Zumal zwar aufgrund entsprechend (zeitlich verzögert) erlassener Sondergesetze befristete Regelungen für die Abhaltung virtueller Sitzungen geschaffen wurden, sind künftige Regelungen in der Stiftungsurkunde, wonach Sitzungen mittels elektronischer Medien einberufen und abgehalten werden können, dennoch zu empfehlen. Auch allfällige Vertretungsregelungen von verhinderten Vorstandsmitgliedern sind anzudenken.

AUF DEN STIFTUNGSVORSTAND KAM IN DER KRISE EINIGES ZU

Naturgemäß kam auf den Stiftungsvorstand in der Krise weiterer, erhöhter Handlungsbedarf zu. Kurzfristig hatte dieser den Status der gegebenen Veranlagungen zu prüfen bzw. zu entscheiden, ob Maßnahmen im Bereich des veranlagten Kapitalvermögens notwendig sind. Auch die Werthaltigkeit von gehaltenen Immobilien bzw. die Frage, ob laufende Erträge aus Vermietung und Verpachtung durch die Krise beeinträchtigt werden, war mitunter in kürzester Zeit zu analysieren und laufend neu zu bewerten. Natürlich führte die Krise auch zur wirtschaftlichen Schieflage mancher Beteiligungsunternehmen. Liquiditätsbedarf oder Gewinnausschüttungsbeschränkungen aufgrund von Förderungen führten – gleichsam wie Umsatzeinbußen – in zahlreichen Unternehmen, insbesondere zu Beginn der Krise, zu fehlender Liquidität, was mitunter auch den Stiftungsvorstand vor große Herausforderungen stellte.

SOLL DIE STIFTUNG ALS UNTERNEHMENSEIGENTÜMER LIQUIDITÄT ZUR VERFÜGUNG STELLEN?

Zu beurteilen galt es, ob der Stiftungsvorstand in seiner Rolle als Eigentümervertreter in Beteiligungsgesellschaften womöglich sogar verpflichtet war, die äußerst rasch benötigten liquiden Mittel aufzustellen bzw. fremdfinanziert zur Verfügung zu stellen. Ob dies allerdings durch die Stiftungserklärung überhaupt möglich war, konnte meist nur anhand des vorliegenden Urkundeninhaltes durch Auslegung oder im Einzelfall durch vorhandene, detaillierte Veranlagungsrichtlinien geklärt werden. Der Stiftungsvorstand, der nach dem Stifterwillen das Vermögen bestmöglich zu verwalten und zu veranlagen sowie das Stiftungsvermögen oftmals zu konservieren hat, konnte jedoch bei fehlenden Richtlinien zur Vermögensverwaltung oder bei zu starren Vorgaben oft nur schwer auf die geänderten Verhältnisse reagieren.

AUSWIRKUNGEN AUF DIE BEGÜNSTIGTEN

Insbesondere bei gleichrangig gelagerten Stiftungszwecken, wie einerseits die Erhaltung des Vermögens der Privatstiftung und anderseits die angemessene Versorgung von Begünstigten, entstanden Probleme, besonders wenn die Erträge der Beteiligungsgesellschaften nicht mehr ausreichten, um Begünstigte adäquat zu versorgen.

Eine entsprechende Priorisierung, um dem Stiftungsvorstand auch in der Krise Entscheidungen zu ermöglichen, die dem Stifterwillen gerecht werden und adäquates Handeln ermöglichen, sind als gelernte Konsequenz daher anzuraten. Insbesondere die Versorgung von begünstigten Familienmitgliedern in Notzeiten wird oftmals dem Stifter womöglich wichtiger sein, als der unbedingte Erhalt eines gewissen Stammvermögens, weshalb diesbezügliche Regelungen indiziert erscheinen.

KLARE VORGABEN ZUM STIFTUNGSVERMÖGEN SIND ZWECKMÄßIG

Gezeigt hat sich sohin, dass klare Vorgaben in der Stiftungserklärung zur Vermögensverwaltung tunlich und zweckmäßig sein können, um dem Stiftungsvorstand einerseits eine klare Handlungsanleitung zu geben und andererseits flexible Maßnahmen, die in der Krise notwendig sind, zu ermöglichen. Insbesondere könnte künftig die Vermeidung von Härtefällen aufgrund von Krisensituationen, in denen häufig die definierten Voraussetzungen für die Gewährung von Zuwendungen (z.B. Erreichen eines bestimmten Jahresüberschusses) nicht erreicht werden, durch Mindestzuwendungen an die Begünstigten abgefedert bzw. substituiert werden, die unabhängig vom Jahresergebnis oder auch aus der Substanz erfolgen können.

AUSWIRKUNGEN AUF DEN STIFTER

Auch die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit des Stifters selbst, der beispielsweise durch die Krise gesundheitlich beeinträchtigt und im schlimmsten Falle vorrübergehend geschäftsunfähig wurde, gilt es künftig entsprechend zu beachten. Zumal bei fehlenden Regelungen betreffend die Geschäftsunfähigkeit eines Stifters die Ausübung dessen Stifterrechte durch einen Erwachsenenvertreter (früherer Sachwalter) mitunter ermöglicht wird, sollten entsprechende Regelungen zur Vorsorge implementiert werden.

Es bietet sich als Lösungsvariante beispielsweise an, Stifterrechte während der Dauer der Geschäftsunfähigkeit eines Stifters vorübergehend ruhend zu stellen oder ein Änderungsrecht zu Gunsten anderer Stifter vorzusehen. Eine weitere – sehr empfehlenswerte – Möglichkeit besteht in der Errichtung einer Vorsorgevollmacht, in der dem Stifter nahestehende Personen konkret bevollmächtigt werden, die Änderungsrechte des Stifters in dieser Phase auszuüben. Der guten Ordnung halber ist festzuhalten, dass zwar oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob Stifterrechte durch Vorsorgebevollmächtigte ausgeübt werden können, noch fehlt, in der Literatur wird dies aber überwiegend bejaht.

ZUSAMMENGEFASST

Auf Stiftungen im Allgemeinen und die Privatstiftung im Besonderen kamen im Zuge der Corona-Krise jede Menge Fragestellungen zu, auf die in vielen Fällen nicht direkt Antworten gefunden werden konnten. Rasches Handeln war durch die Krise erforderlich, sowohl Stifter als auch Stiftungsvorstand mussten sich kritisch hinterfragen, ob ihre Stiftung organisatorisch und prozessual auf der Höhe „unterwegs“ ist. Dass die Krise aber auch viele neue Wege aufgezeigt, so manche Reflektionsschleife angeregt hat, das ist typisch für Krisen. Einerseits. Aber anderseits ist das auch das Gute an Krisen. Denn vorbereitet ist der am besten, der einmal eine richtige Krise erlebt hat.