Das resiliente Stiftungsvermögen ist breit gestreut, und es kann was ab. Das resiliente Stiftungsvermögen ist aber vor allem Eines: es ist in der Lage, langfristig dem Stifterwillen zu dienen. Was es dafür braucht, darüber sprachen wir beim 3. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen im Themenstrang „Das resilientere Stiftungsvermögen“. Wir lernten dabei, was Resilienz für die Diversifikation des Stiftungsvermögens bedeutet. Außerdem dürften Private Market-Investments hierbei eine gewichtigere Rolle spielen. Wir rekapitulieren.
Was ist eigentlich Resilienz. Natürlich, wir kennen die persönliche Resilienz gegenüber Krankheiten oder Zäsuren, wie sie der plötzliche Jobverlust eine sein kann. Aber was heißt Resilienz bezogen auf das Stiftungsvermögen? In unseren Vorgesprächen sagte mir Dr. Uwe Dyk von der Karl Schlecht Stiftung einen prägenden Satz. Resilienz bedeutet für ihn wirtschaftliches Stehvermögen. Dieses wirtschaftliche Stehvermögen einer Stiftung gilt es zu erhalten. Schafft eine Stiftung das, kann ihr Stiftungsvermögen also stets dem Stifterwillen dienen, ist sie resilient. Aber genau dieses wirtschaftliche Stehvermögen entsteht nicht durch dieses „Das haben wir immer so gemacht“. Wirtschaftliches Stehvermögen fußt auf Handwerk, Durchhaltewillen, Ehrlichkeit und einer großen Idee rund um das Stiftungsvermögen.
TV-TIPP:
Alle Programmpunkte des 3. Virtuellen Tags für das Stiftungsvermögen in einzelnen Videos thematisch sortiert sowie den kompletten Stream im RE-LIVE finden Sie in der #vtfds-Mediathek oder in unserem youtube-Kanal.
Das Diversifikationshandwerk
Dr. Uwe Dyk erläuterte beim #vtfds2022, wie er vorgegangen ist in den vergangenen Jahren. Für ihn steckt in der Streuung sehr viel Handwerk, also in der Diversifikation. Er hatte sich früh mit Alternativen Anlagen befasst, sie durchleuchtet. Alternative Anlagen sind für ihn Teil der Asset Allocation einer Stiftung. Aber sie sind ein erklecklicher Teil der Vermögensaufteilung, und eben kein kleiner. Dazu, und das war spannend zu erfahren. Hat der Stiftungslenker auch die Themen von morgen heute bereits ins Stiftungsdepot gepackt. Technologie ist für ihn beispielsweise ein Thema, dem sich auch Stiftungen nicht verschließen sollten. Aber eben nicht Big Tech à la Apple, sondern Small Tech. Zwar lägen diese Investments derzeit noch „hinten“, aufgrund der Korrektur an Nasdaq und Co. Aber auf lange Sicht sei er sicher, dass hier ordentliche Wertbeiträge entstehen.
Immer noch zu sehr auf Anleihen fixiert
Solche Schwenks in der Anlagepolitik einer Stiftung sind es, die erklären, was die Kriterien für Resilienz des Stiftungsvermögens sind. Denn das Morgen wird noch mehr als heute von Technologie geprägt. Wer also im Morgen das Neue nicht in seinem Portfolio hat, der wird rasch alt aussehen. Daraus wiederum resultiert auch die Verletzlichkeit eines Stiftungsvermögens. Hierauf wies auch der Historiker Dr. Thomas Adam hin. Stiftungen seien gerade in Deutschland immer noch zu sehr auf die Anleihe fixiert. Sie würden dem Staat zu stark trauen. Genau das aber hat sich schon in der Vergangenheit selten für Stiftungen ausgezahlt. Auch Dr. Thomas Adam wies darauf hin, dass eine breite Streuung des Stiftungsvermögens abseits der Anleihe wichtig sei. Sie sei der Schlüssel, um langfristig „durchzukommen“.
#FreitagsPodcast-Tipp:
Natürlich darf die Anleihe nicht gänzlich aus dem Stiftungsvermögen verbannt werden. Mit Gunnar Knierim von AllianceBernstein sprachen wir über Anleihemanagement im Hier und jetzt und wo die Chancen im Anleihemarkt heute und morgen liegen.
Eine Portion Unkorreliertes
Breit streuen wiederum heißt heute, sich den Private Markets zuzuwenden. Private Markets, dieses Universum erläuterte zunächst Raphael Schwartze von FAROS Consulting. Privatmarkt-Anlagen sind Anlagen wie Immobilien, Infrastruktur, Private Equity oder Private Debt. Die beiden letzteren bedürfen einiger Expertise der Stiftungsverantwortlichen, Immobilien und Infrastruktur aber taugten durchaus zum Fixpunkt in der Asset Allocation einer Stiftung. So jedenfalls interpretieren wir die Aussagen von Raphael Schwartze. Private Markets haben den Charme, eine Portion Unkorreliertes ins Stiftungsportfolio zu bringen. Sie fallen also nicht oder weniger stark, wenn es am Aktienmarkt rumpelt. Außerdem schwanken ihre ordentlichen Erträge weniger stark. Sie hängen auch weniger stark am konjunkturellen Auf und Ab. Das allein schon ist ein Argument für die Stiftungseignung von Private Markets.
Resilienz verlangt heute breitere Diversifikation
Im #vtfds2022-Themenstrang „Das resilientere Stiftungsvermögen“ haben wir Resilienz aber auch noch einmal auf der organisationellen Ebene einer Stiftung übersetzt. Gemeinsam mit Dr. Stefan Nährlich von der Stiftung Aktive Bürgerschaft und Hans-Dieter Meisberger, Stiftungsexperte der DZ Privatbank. Letzterer ist sich sicher, dass in Stiftung Vieles am Machen hängt. Diversifizieren ist Machen, Anlagerichtlinie ist Machen. Jetzt das Umsetzen der Neuregelungen durch die Stiftungsrechtsreform, auch das ist Machen. Diversifizieren heißt für Hans-Dieter Meisberger heute vor allem breiter diversifizieren. Aktien und Anleihen, das sei eine Mischung, aber eben keine, die noch hundertprozentig in die Zeit passe. Eine Mischung von Anlagen braucht heute Aktien, Anleihen und Alternative, die größten und auch ältesten Stiftungen der Welt machen das ja auch vor.
Die Anlagerichtlinie ist ein Governance-Thema
Dr. Stefan Nährlich wollte Resilienz vor allem aus dem Tun der Stiftungen ableiten. Stiftungen seien dann am resilientesten, wenn sie – grob gesagt – aktiv seien. Das gelte es auch für das Stiftungsvermögen anzuwenden. Diversifizieren sei das Eine, aber eben auch das Hinzuziehen von externer Expertise. Bürgerstiftungen, die Dr. Stefan Nährlich natürlich aus dem Effeff kennt, müssten dies erst recht, weil sie sich gemessen an der bloßen Zahl auf dem Wachstumspfad befänden. Resilienz als Ergebnis aus dem Machen hat für ihn aber auch eine psychologische Komponente, speziell bei Bürgerstiftungen. „Das Geld der Nachbarn will man nicht riskieren.“ Andererseits: „Die Geldanlage von Stiftungen muss neu durchdacht werden. Eine halbe Million Euro kann nicht auf dem Girokonto herumliegen.“ Hier kommt für Stefan Nährlich die Anlagerichtlinie ins Spiel. Als Governance-Thema.
Hans-Dieter Meisberger gibt einen Einblick in die Beratungspraxis
Normalweise haftet ein Stiftungsvorstand nur bei grober Fahrlässigkeit. Was aber sei, so das Beispiel von Stefan Nährlich, wenn ein neuer Stiftungsvorstand die Aktienquote steigere, auf Basis der Anlagerichtlinie seines Vorgängers? In dieser stehen aber bspw. nur 30% Aktienquote drin. Hier wird schnell klar, auf was er hinauswollte: „Anlagerichtlinie gut und schön, aber ein Stiftungsverantwortlicher muss sich auch daran halten.“ Hans-Dieter Meisberger brachte auch ein Beispiel aus seiner täglichen Praxis mit. Stiftungen bekämen mittlerweile hier und da Mahnbriefe durch die Stiftungsaufsichten. Dort steht ungefähr drin, dass im Stiftungsvermögen etwas getan werden muss. Denn Sicherheit vor Ertrag, das geht im aktuellen Umfeld so nicht mehr. Auch muss ich als Stiftung wissen, ob ich die Kapitalanlage delegieren sollte. Hans-Dieter Meisberger brachte damit praktisch ein Beispiel zum #vtfds2022 mit, wie die Resilienz des Stiftungsvermögens ausgehöhlt wird.
Zusammengefasst
Resilienz interpretiert als wirtschaftliches Stehvermögen einer Stiftung hat eine hohe Relevanz für Stiftungen. Wir sprechen über niedrige Zinsen, stark schwankende Börsen, geopolitische Verspannungen und das Ende der Friedensdividende. In einem solchen Umfeld, das uns auf Jahre hinaus beschäftigen wird, müssen Stiftungen an der Resilienz ihres Stiftungsvermögens arbeiten. Hierin waren sich unsere Stiftungsmanager wie Stiftungsexperten einig. An welchen Punkten Stiftungen ansetzen sollten, um die Resilienz zu verbessern? Die Diversifikation sollte breiter gezogen werden (Stichwort Triple-AAA), Zukunftsthemen stärker berücksichtigt. Die Anlagerichtlinie? Sollte von heute aus einmal grundlegend neu aufgesetzt werden. Der rote Faden der Anlagerichtlinie darf nicht länger in der Logik Sicherheit vor Ertrag gesponnen werden. Stiftungen müssen hier strategisch denken und agieren. Sonst kann ihr Stiftungsvermögen kaum was ab. Womit wir bei einem NO GO wären. Denn die 500.000 EUR auf dem Girokonto, die gehen künftig aus dem Resilienzgedanken heraus nicht mehr. Also: gar nicht mehr.