Alle Geheimnisse auf einen Blick?

Welche Veränderungen bringt das kommende Stiftungsregister – Zweiter Teil einer Expertenbefragung

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Expertenumfrage - Register Part Two
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Wer auf eine Stiftung aufmerksam wird, weil sie einen Spendenscheck überreicht oder eine Arbeitsstelle ausschreibt, kann künftig mit wenigen Klicks etliche Informationen über diese Organisation einholen. Denn das zum 1. Januar 2026 in Kraft tretende Stiftungsregistergesetz und die entsprechenden Verweise des BGB schreiben vor, dass unter anderem Angaben zur Anschrift und dem Management wie auch die Satzung für jedermann öffentlich einsehbar sind. Für alle, die regelmäßig an veralteten Angaben in Stiftungsverzeichnissen verzweifeln, klingt es auch wie ein Segen, dass die Daten stets aktuell zu halten sind.

Ob sich Stiftungen aber schon dadurch von bislang eher verschwiegenen zu hochtransparenten Non-Profit-Organisationen wandeln, haben wir mit sechs Fachleuten aus unserem Netzwerk besprochen. Auch verraten diese ihre Einschätzung, welche Verbesserungen die Reform mit sich bringt und wieweit sie den Verwaltungsaufwand für Stiftungen erhöht.

Ein Verzeichnis wie das Vereinsregister

Mitte des vorigen Jahrzehnts kursierte folgender Witz in der Stiftungsszene: Ein Banker, ein Controller und ein Stifter gehen auf eine Gartenparty. Wer von ihnen wird auch bei 30 Grad im Schatten nicht auf ein T-Shirt unter dem luftdurchlässigen Oberhemd verzichten? Natürlich der Stifter, denn so viel Transparenz wäre zu viel für ihn.

Mit der Offenlegung von Informationen war es im Stiftungswesen lange nicht zum Besten bestellt. Gerade zahlreiche kleinere Stiftungen haben nicht einmal eine Website, um das Grundstockvermögen wird in vielen Fällen ein Geheimnis gemacht und selbst unternehmensnahe Stiftungen tun sich teilweise schwer damit, ihre Satzung online zu stellen.

Doch allmählich scheint sich der Wind zu drehen: So gibt es schon ein Transparenz- und ein Lobbyregister für die Erfassung von Interessensvertretungen und seit Anfang des Jahres auch ein Zuwendungsempfängerregister für gemeinnützige Organisationen jeder Rechtsform. Ab Januar 2026 soll als letzter Schritt der Stiftungsrechtsreform ein Stiftungsregister hinzukommen.

Auch wenn bis dahin noch fast zwei Jahre vergehen werden, lassen die detaillierten gesetzlichen Regelungen bereits genaue Vorstellungen zu, wie so ein Verzeichnis wohl aussehen wird.

„Zumindest vom Aufbau her folgt das Stiftungsregister nach dem Willen des Gesetzgebers dem Vereinsregister“, erläutert Julian Schwalm (SZA Schilling, Zutt & Anschütz). Er verweist auch darauf, dass die genaue Ausgestaltung des Registers noch in der Hand des Bundesjustizministeriums liegt, das berechtigt ist, eine Stiftungsregisterverordnung zu erlassen.

„Nach dem Stiftungsregistergesetz ist davon auszugehen, dass dieses als Online-Register elektronisch abgerufen werden kann. Es besteht aus fortlaufend nummerierten Registerblättern, je Stiftung ein eigenes Registerblatt“, beschreibt Mattheo Dominik Ens (Deutsches Stiftungszentrum). „Die registerführende Stelle ist das Bundesamt für Justiz.“

Jedes einzelne Blatt enthält dann Informationen über die Stiftung, erklärt Carolin Vogel (CHP). „Weiterhin können daneben noch die Stiftungsdokumente, wie die Satzung, eingesehen werden.“

Schließlich wird das Register für alle Interessierten öffentlich zugänglich sein. „Ein berechtigtes Interesse zur Einsichtnahme, wie z.B. beim Grundbuch, ist nicht erforderlich“, betont Martin Maurer (Baker Tilly).

Vertretungsbescheinigungen der Stiftungsaufsicht entfallen

Was nun Stiftungen künftig über sich offenbaren müssen, ist in § 2 des Stiftungsregistergesetzes geregelt. Hierzu gehören Name, Sitz und Entstehungsdatum der Stiftung sowie persönliche Daten von Vorständen und besonderen Vertretern. Ähnlich wie ein e.V. sollen auch Stiftungen dann den Rechtsformzusatz „eingetragene Stiftung“ beziehungsweise „eingetragene Verbrauchsstiftung“ tragen. Zudem müssen nach § 3 Absatz 4 und den dort genannten Normen des BGB einige Dokumente eingereicht werden, darunter auch die Stiftungssatzung.

Die öffentlich beglaubigte Anmeldung zum Register muss bei einer Neuerrichtung gemäß § 3 Absatz 1 unverzüglich erfolgen. Für bestehende Stiftungen gibt es nach § 20 eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2026. Auch verlangt das Gesetz an etlichen Stellen, die Eintragungen aktuell zu halten.

„Ein weiteres Register laufend zu pflegen, wird sicherlich einen gewissen Mehraufwand mit sich bringen“, so die Einschätzung von Dr. Reinhard Berndt (Mazars). Allerdings müssten schon jetzt viele Informationen, insbesondere rund um den Vorstand, in das Transparenzregister eingetragen werden, in das seit 2020 jeder Einsicht nehmen kann.

Auch Martin Maurer geht davon aus, dass sich Stiftungen auf einen erhöhten Verwaltungsaufwand einstellen müssen: „Dies gilt insbesondere für kleine Organisationen mit ehrenamtlichen Strukturen, die teilweise auch nicht die Möglichkeit haben, sich umfassend beraten zu lassen. Die Einrichtung des Stiftungsregisters, das schon lange gefordert wird, ist aber grundsätzlich zu begrüßen. Es besteht dann eine einheitliche Informationsquelle mit einheitlichen Angaben zu allen Stiftungen.“

Darüber hinaus verweisen die Befragten darauf, dass das Register auch einige Erleichterungen für das Stiftungsmanagement mit sich bringt. „Vor allem der Vertretungsnachweis für den Vorstand sollte sich im Rechtsverkehr einfacher gestalten“, meint Christian Brütting (audalis).

Wer ist vertretungsberechtigt?

„Stiftungen müssen ihrer Bank gegenwärtig sogenannte Vertretungsberechtigungen vorlegen, die von den Landesstiftungsbehörden auszustellen sind“, erläutert Carolin Vogel. „Dieses Vorgehen wird sich in Zukunft erübrigen, da der Vertretungsnachweis der Vorstandsmitglieder durch den Auszug aus dem Stiftungsregister geführt werden kann.“ Ebenso ließen sich künftig Anfragen zu den Kerndaten der Stiftung durch einen Verweis auf die Angaben im Register beantworten. Das Register könne schließlich auch eine Erleichterung in der Kooperation zwischen gemeinnützigen Stiftungen mit sich bringen, weil die Satzung und der aktuelle Freistellungsbescheid (sofern eingestellt) einsehbar seien.

„Es wird für Stiftungen einfacher werden, sich im Rechtsverkehr zu legitimieren, da die Existenz und die Vertretungsverhältnisse sowie etwaige Einschränkungen in der Vertretungsbefugnis der Organe ersichtlich werden“, lautet auch die Einschätzung von Julian Schwalm. „So werden etwa Vertragsschlüsse oder andere operative Maßnahmen wie die Eröffnung eines Kontos etc. maßgeblich erleichtert.“

„Der Vorteil ist die höhere Sicherheit im Rechtsverkehr“, meint auch Dr. Reinhard Berndt. „Insofern ist das Stiftungsregister auch von vielen Stellen in der Stiftungsbranche gefordert worden.“

Definition des berechtigten Interesses bedarf noch der Klärung

Die wenigsten Destinatäre von privatnützigen Stiftungen dürften sich allerdings wohl damit fühlen, wenn ihre in der Satzung genannten Namen und Anteile an den Ausschüttungen für jedermann einsehbar sind. Insbesondere Unternehmensinhaber legen Wert darauf, ihre Kinder und Enkel zu schützen. So waren die in den frühen 1990er Jahren geborenen Erben der Aldi-Dynastie in der Öffentlichkeit lange Zeit nicht einmal namentlich bekannt.  

Julian Schwalm spricht hier von einem „legitimen Diskretionsinteresse“, das durch ein öffentlich einsehbares Stiftungsregister durchaus beeinträchtigt werden kann. Entsprechend sieht § 15 Satz 2 des Stiftungsregistergesetzes vor, dass „berechtigte Interessen“ den Zugang zu diesen Dokumenten beschränken oder ausschließen können.

Carolin Vogel nennt als Beispiele „personenbezogene Daten von Destinatären oder Stiftern oder Regelungen zur Vermögensverwaltung. Dann werden die Dokumente nicht oder nur so in das Register eingestellt, dass bestimmte Inhalte unkenntlich gemacht sind.“

Aktuell ist jedoch unklar, „was unter einem berechtigten Interesse zu verstehen ist und wie dieses glaubhaft gemacht werden muss“, betont Mattheo Dominik Ens. Eventuell werde künftig eine Stiftungsregisterverordnung des Bundesjustizministeriums Klarheit schaffen.

„Es wird spannend werden, wie in Zukunft die gesetzlich mögliche Beschränkung oder sogar der Ausschluss von Einsichtnahme in die Dokumente aufgrund eines berechtigten Interesses gestaltet werden“, so die Einschätzung von Christian Brütting. „Denn der Gesetzesgrundsatz lautet: ,Die Einsichtnahme in das Stiftungsregister ist jedermann gestattet.‘ Hier sind Rechtsstreitigkeiten wahrscheinlich zu erwarten.“

Werden Stiftungssatzungen künftig zurückhaltender formuliert?

Gegenwärtig ist in vielen Stiftungssatzungen zum Beispiel noch die Höhe des Grundstockvermögens genannt. Angesichts des in Deutschland allgemein üblichen diskreten Umgangs mit den eigenen finanziellen Verhältnissen, dürfte es vielen Stiftungen nicht gefallen, dass diese Angaben künftig öffentlich abrufbar sind. Ob unter Berufung auf das berechtigte Interesse allerdings regelmäßig ein Recht auf Schwärzung durchsetzbar sein wird, steht noch in den Sternen.  

In Zukunft könnten Stiftungssatzungen jedenfalls deutlich zurückhaltender formuliert sein, was Namensnennungen sowie Details zum Vermögen und zur Vermögensanlage betrifft. So würde in einer Satzung dann zum Beispiel nur noch von „den Abkömmlingen des Stifters“ als Destinatären die Rede sein. Auch gibt es bereits heute Mustersatzungen für Stiftungen, in denen Höhe und Zusammensetzung des Dotationskapitals nicht genannt sind, sondern auf das Stiftungsgeschäft verwiesen wird.

„Grundsätzlich wird es möglich sein, Regelungen aus der Satzung in Geschäftsordnungen oder ähnliche Dokumente auszulagern“, erläutert Martin Maurer. „Diese unterliegen dann nicht der Registerpublizität. Da Satzungsänderungen nach § 85 BGB nur eingeschränkt möglich sind und der Zustimmung der Stiftungsbehörde bedürfen, ist dies bei Bestandsstiftungen jedoch nur bedingt machbar. Bei Neugründungen ist dies aber in Betracht zu ziehen.“

„Man sollte individualisieren: Was gehört ins Stiftungsgeschäft und was in die Satzung?“, rät auch Christian Brütting.

Nur das Stiftungsregister hat negative Publizitätswirkung

Bleibt noch die Frage, was eigentlich der Mehrwert eines Stiftungsregisters ist, wenn bereits Transparenzregister, Lobbyregister und Zuwendungsempfängerregister existieren. Hier weisen die befragten Fachleute darauf hin, dass diese bis auf das gemeinsame Ziel, die Transparenz zu erhöhen, wenig gemeinsam haben. „Einige Angaben, die im Stiftungsregister eingetragen werden müssen, sind in den anderen Registern nicht enthalten und somit nicht öffentlich einsehbar“, sagt Carolin Vogel.

Einen anderen Aspekt hebt Julian Schwalm hervor: „Transparenzregister, Lobbyregister und Zuwendungsempfängerregister vermitteln keinen öffentlichen Glauben beziehungsweise Publizitätswirkung. Das Stiftungsregister hingegen vermittelt öffentlichen Glauben und statuiert eine Publizitätswirkung, wenn auch nur eine negative. Das heißt, der Rechtsverkehr darf auf das Schweigen des Stiftungsregisters vertrauen. Dies ist in der Praxis bedeutsam.“  

Welche Konsequenzen dies hat, erklärt Mattheo Dominik Ens: „Die negative Publizitätswirkung schützt Dritte in ihrem Glauben, dass sich eine wahre und eintragungspflichtige Tatsache, die nicht im Register eingetragen und nicht bekanntgemacht ist, auch nicht ereignet hat. Beschränkungen der Vertretungsmacht eines Vorstands, die nicht im Register eingetragen sind, muss ein Vertragspartner daher nicht gegen sich gelten lassen, wenn er sie nicht sonst kannte.“

Stiftungsexperten-Handbuch

Zusammengefasst

Mit dem Inkrafttreten des Stiftungsregistergesetzes wird sicher nicht über Nacht ein gläserner Stiftungssektor geschaffen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Verpflichtung, Veränderungen im Management und an der Satzung unverzüglich mitzuteilen, den Verwaltungsaufwand für Stiftungen erhöhen wird. Ebenso dürfte sich die Formulierung einer Satzung aufwändiger gestalten, wenn bei jedem Satz zu berücksichtigen ist, dass dieser bald von jedermann gelesen werden kann. Geht es jedoch darum, mit einer Stiftung Verträge zu schließen, ergeben sich für beide Seiten spürbare Erleichterungen.

Ob die Einführung des Stiftungsregisters auch Veränderungen im Fundraising mit sich bringt, erfahren Sie im ersten Teil der Befragung.  

Die Teilnehmenden

Dr. Reinhard Berndt ist Wirtschaftsprüfer und Partner bei Mazars am Standort in Köln. Er blickt auf mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Prüfung und prüfungsnahen Beratung mit einem besonderen Fokus auf Stiftungen zurück. Dr. Berndt ist ein gefragter Referent, Co-Autor des Buchs „Rechnungslegung und Prüfung von Stiftungen“ (C. H. Beck) und Mitglied in der Arbeitsgruppe Rechnungslegung von Non-Profit-Organisationen im IDW.

Seit 2017 ist Christian Brütting als Partner für audalis tätig. Neben seinem Beratungsschwerpunkt im Bereich der nationale und internationalen Steuerstrukturberatung für Unternehmen und Unternehmer, hat Christian Brütting seinen Fokus auf die Nachfolgeberatung gerichtet. Hierbei gehören Unternehmensbewertungen, Due Diligence, Nachfolgemodelle sowie Family Offices inkl. Stiftungsmodelle zu seinen Beratungsfeldern. Christian Brütting gehört seit 2020 zum Experten-Pool des Virtuellen Tags für das Stiftungsvermögen (www.vtfds.de).

Mattheo Dominik Ens ist als Rechtsanwalt im Bereich „Recht & Steuern“ im Deutschen Stiftungszentrum (DSZ) im Stifterverband in Essen tätig. Er unterstützt die vom DSZ betreuten Stiftungen in allen rechtlichen Fragestellungen und berät Stifterinnen und Stifter im Zusammenhang mit der Stiftungserrichtung. Darüber hinaus ist er zertifizierter Testamentsvollstrecker.

Martin Maurer ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungshaus Baker Tilly in Stuttgart. Er berät seit vielen Jahren gemeinnützige Organisationen der verschiedensten Bereiche umfassend in steuerlichen und rechtlichen Fragen.

Julian Schwalm ist als Rechtsanwalt mit kaufmännischem Hintergrund in der Praxisgruppe Nachfolge, Vermögen, Stiftungen der Kanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz in Mannheim tätig. Er berät zu allen Fragen des nationalen und internationalen Stiftungsrechts sowie zum Non-Profit-Recht.

Rechtsanwältin Carolin Vogel ist seit 2018 für die Münchner Kanzlei CHP tätig. Ihre Schwerpunkte liegen insbesondere auf dem Gebiet der Beratung von Stiftungen sowie auf den Gebieten des Steuerrechts, Erbrechts, Gemeinnützigkeitsrechts sowie des allgemeinen Zivilrechts. Sie ist seit 2020 als Fachanwältin für Steuerrecht zugelassen und verfügt über eine Zertifizierung zur Stiftungsberaterin.