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Veränderung muss zum Stiftungsalltag gehören

Wie Stiftungen Changeprozesse bzw. den Wandel insgesamt gestalten

Fachbeitrag Steinkrüger-Stingl - Changeprozess
Von Kathrin Succow und Dr. Michael Stingl

Stiftungen unterliegen wie jedes Unternehmen einem „Lebenszyklus“. So gibt es Aufbruchphasen, Konsolidierungsphasen, Phasen des Zusammenbruchs und der Neuausrichtung. Die Erkenntnis über diese gesetzmäßigen Zusammenhänge und immer wiederkehrenden Zyklen ist notwendige Voraussetzung, den Wandel bewusst anzunehmen und anstehenden Herausforderungen möglichst vorausschauend zu begegnen. Nur so kann eine Stiftung – aktiv mit klarem Plan und Konzept – langfristig verantwortungsvoll gestaltet werden.

In der Gründungsberatung einer Stiftung gilt der Leitsatz: Den Stiftungszweck so weit wie möglich und so eng wie nötig festlegen. Nach Anerkennung einer Stiftung kann der statuierte Stiftungszweck nur noch schwerlich geändert werden. Änderungen in der gesellschaftlichen, technischen oder finanziellen Entwicklung können die Sinnhaftigkeit eines Stiftungszwecks ganz oder teilweise obsolet werden lassen. Daher ist es sinnvoll, bei der Gründung den Stiftungszweck möglichst weit und allgemein zu halten.

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DEN LEBENSZYKLUS EINER STIFTUNG VON ANFANG AN IM BLICK HABEN

Eine klare Schwerpunktsetzung und Handlungsanweisung sollte dem ausführenden Stiftungsorgan dann durch eindeutige Förderrichtlinien vorgegeben werden. Diese sollten durch ein Kontrollorgan in Form eines Stiftungsrats bzw. Kuratoriums abänderbar sein. So kann jederzeit auch nach dem Tod des Stifters auf Veränderungen reagiert werden, ohne den Weg einer Satzungsänderung gehen zu müssen. Der Stifterwille, als die höchste Direktive einer Stiftung, bleibt über den Tod des Stifters hinaus erhalten. Dennoch bleibt die notwendige Flexibilität gewahrt. Beispielhaft seien die traditionsreichen Fuggerschen Stiftungen in Augsburg genannt, die es seit 1521 geschafft haben, ihr Stiftungsvermögen, insbesondere Immobilien und Ländereien, über die Jahrhunderte zu erhalten.

VERÄNDERUNGSKULTUR ALS TEIL DER „UNTERNEHMENSKULTUR“ EINER STIFTUNG

Veränderungsbewusstsein sollte den Stiftungsalltag prägen. Es braucht die Unterstützung aller Beteiligten – Gremienmitglieder wie Mitarbeiter der Geschäftsstelle, ob haupt-, neben- oder ehrenamtlich. Insbesondere im Dritten Sektor ist eine auf Werte aufbauende Reformkultur für den Erfolg von Changeprozessen maßgeblich und entscheidend. Oft werden aus vermeintlichem Zeit- und Ressourcenmangel zu schnell Entscheidungen gefällt und nach unten „durchgedrückt“. Die bewährte Erkenntnis, Betroffene zu Beteiligten zu machen, zahlt sich aus: bewusster Wandel will und muss durchlebt und verinnerlicht werden. Das kostet Zeit und Ressourcen.

WAS GIBT DIE ORGANISATIONSSTRUKTUR HER?

Der Blick von außen, der Impuls des Externen, die Begleitung durch erfahrene und kompetente Fachleute macht sich bezahlt. Eine spezifische Herausforderung im Stiftungsbereich, wie allgemein im Dritten Sektor, liegt auch in der Organisationsstruktur: bis zu 90% der Vorstände in gemeinnützigen Stiftungen Deutschlands arbeiten ehrenamtlich. Ehrenamtliche spenden nicht nur Zeit, sie verzichten auch auf Geld. Nicht einmal jede zweite Stiftung erstattet ehrenamtlichen Führungskräften Auslagen, wie Fahrtkosten und Sitzungsgelder. Zu dem Ergebnis kommt eine entsprechende Studie von Sandberg/Mecking (2008). Einhergehend damit ist ein zuweilen hohes, oft über Jahre andauerndes selbstloses Handeln, verbunden mit viel Herzblut und Emotionen, bis hin zur Selbstaufgabe „für die gute Sache“. Dies geht oft zwangsläufig mit ständig steigenden Anforderungen z.B. an die Mittelakquise und Marktpräsenz einher. In diesem Umfeld müssen Veränderungsprozesse besonders sensibel gestaltet werden.

WAS PASSIERT AB DER GENERATION NACH DEM STIFTER?

Eine weitere Besonderheit im Changemanagement für Stiftungen, ähnlich den Familienunternehmen, ist der Umstand des Generationenwechsels: was passiert ab der Generation nach dem Stifter – wer fühlt sich verantwortlich? Wenn die Begeisterung des Stifters nicht mehr auf ehrenamtliche Akteure übertragen werden kann oder ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die Stiftung dauerhaft professionell zu führen, dann ist der Zeitpunkt gekommen, ernsthaft über eine Neuausrichtung nachzudenken.

CHANGEPROZESS HAT MEHRERE STUFEN

Um all diese spezifischen Herausforderungen anzugehen, braucht es einen planvollen Prozess.

Im Changemanagement haben sich in der Praxis verschiedene theoretische Modelle durchgesetzt. An dieser Stelle sei stellvertretend das 5-Phasen-Modell von Krüger erörtert. Der Changeprozess beginnt mit der Stufe der Initialisierung, in der die Notwendigkeit einer Veränderung erkannt und formuliert wird. In der darauffolgenden Phase werden Ziele und Maßnahmen festgelegt. Die dritte Stufe umfasst vor allem die Kommunikation aller Beteiligten, um den Veränderungsprozess dann auch wirklich auf breiter Ebene in der Stiftung – in den Gremien und der Geschäftsstelle – anzuschieben.

ACHTUNG: KEIN RÜCKFALL IN ALTE MUSTER

Die eigentliche Umsetzungsphase beginnt erst jetzt: geplante Erneuerungen finden statt. Die einzelnen Teilschritte werden auf den Prüfstein gestellt; es wird „feinjustiert“. In einer letzten Stufe der Verstetigung, werden die erreichten Ergebnisse verankert und gefestigt. Diese Ebene ist besonders wichtig, weil sie vor dem Rückfall in alte Muster bewahren soll. Das in knapper Form dargestellte Modell ist nach Autorenmeinung deshalb besonders wertvoll, weil es im Gegensatz zu vielen anderen Modellen in jeder Phase ausreichend Raum für Anpassung und Flexibilität zulässt. Dies ist wichtig, weil Stiftungen nicht nur internen Prozessen und „Spielregeln“ unterliegen, sondern eben stets auch äußeren Einflüssen.

WENN VERÄNDERUNG ANAUSWEICHLICH WIRD

Die Ursache erforderlicher Veränderungen findet sich nicht nur in falschen Strukturen oder schlechter Personalpolitik, sondern vermehrt auch in der Verringerung der verfügbaren Stiftungsmittel. Zum einen fehlen Erträge in der anhaltenden Niedrigzinsphase, ein nach wie vor aktuelles Thema, das aber an dieser Stelle nicht vertieft werden soll. Zum anderen können notwendige Spendengelder wegbrechen, die über Jahre konstant Verwaltung und Zweckerfüllung gesichert haben. Gerade Stiftungen von Personen des öffentlichen Lebens, die über kein nennenswertes Grundstockvermögen verfügen, leben vom Namen und dem Renommee des Stifters. Erfolgreiche Sportler, Schauspieler und Unternehmer geben gerne ihren Namen für eine Stiftung und setzen diesen als wirkungsvolles Fundraisinginstrument wie z.B. in Fernsehspots und Charity-Events ein.

STIFTUNGSARBEIT VON DER PERSON DES STIFTERS LÖSEN

Doch können sich sowohl ein privater Skandal im Leben des Stifters wie auch dessen Ableben massiv negativ auf das Spendenaufkommen der betroffenen Stiftung auswirken. In diesen Fällen gilt es, den Inhalt der Stiftungsarbeit in den Vordergrund zu stellen und von der Person des Stifters zu lösen.

Die im Jahr 1994 von Prof. Heinz Sielmann und seiner Frau Inge errichtete Heinz Sielmann Stiftung verfolgt von Anfang an dem Leitsatz „Naturschutz als positive Lebensphilosophie“. 2006 ist der Natur- und Tierfilmer Heinz Sielmann gestorben. Wie alle Stiftungen, die von Stifter-Persönlichkeiten ins Leben gerufen werden, bedeutete diese Tatsache neben dem großen Verlust auch eine Neuausrichtung der Stiftung. Ein Changeprozess war unumgänglich.

GENERATIONSWECHSEL BEDEUTET, SICH ALS STIFTUNG NEU ZU SORTIEREN

Was zu Lebzeiten des Stifters selbstverständlich war, musste nun neu „sortiert“ werden. Der charismatische Stifter mit seiner Überzeugungskraft und seinem Lebenswerk war plötzlich nicht mehr da. Um die Stiftung in der Zeit nach dem aktiven Schaffen in der Prägephase langfristig und nachhaltig lebensfähig zu machen, bedurfte es auch in der Heinz Sielmann Stiftung eines Umdenkens. Ein Prozess, der viel Zeit und Engagement in Anspruch nimmt. Und oft auch externer Unterstützung bedarf, denn immer sind es Menschen mit ihren eigenen Ansichten, Hintergründen und persönlichen Erfahrungen, die „ihre“ Stiftung in einer Zeit des Umbruchs neu ausrichten müssen. Solche Prozesse verlaufen oft nicht ohne personelle, manchmal auch räumliche und in jedem Fall programmatische Veränderungen.

DIE SIELMÄNNER VON MORGEN

Für die Stiftung ist heute insbesondere der Faktor Vertrauen wichtig: die Stiftung lebt ausschließlich von Spenden, die laut Geschäftsbericht der Stiftung etwa 90% aller Einnahmen ausmachen. Neben bewährten Fundraisinginstrumenten wie Spendenmailings, Testamenten oder Zustiftungen ist die Stiftung auch auf Facebook und Twitter zu finden. So wird die junge Generation mit dem Naturfilm-Pionier Heinz Sielmann vertraut gemacht. Die „Heinz Sielmänner von morgen“, wie die Stiftung die jungen Naturfilm-Talente nennt, stehen so z.B. beim CAMäleon, dem seit 2010 ausgelobten Jugendfilmpreis im Mittelpunkt. Der Preis wird im Rahmen des Deutschen Naturfilm-Festivals verliehen.

UMBAU AN VIELEN ECKEN

Im Zuge der Neuausrichtung der Stiftung hat man sich aus wirtschaftlichen Gründen im letzten Jahr beispielsweise für die Verpachtung der Landwirtschaft auf Gut Herbigshagen an einen Biobauern entschieden, um künftig die Risiken des Eigenbetriebs durch die Stiftung zu vermeiden. Zugleich wurde die Berliner Geschäftsstelle im „Haus Deutscher Stiftungen“ geschlossen und die „ursprüngliche“ Stiftungszentrale in Duderstadt aufgewertet. Der inhaltliche operative Fokus der neuaufgestellten Heinz Sielmann Stiftung liegt in „Sielmanns Naturlandschaften“ im Land Brandenburg. So einschneidende Entscheidungen bedürfen einer guten begleitenden Kommunikation, um die in vielen Jahren aufgebaute Reputation nicht zu gefährden.

DIE STIFTUNG BEKOMMT EIN NEUES GESICHT

Wenn das bisherige Engagement mangels Notwendigkeit oder durch Veränderungen der Gesellschaft, rechtlicher Bestimmungen oder technischer Entwicklungen überflüssig wird, steht ein Neubeginn an. Ebenso kann sich ein neues Betätigungsfeld als effektiver und wirksamer herausstellen. Zunächst sind hierfür die rechtlichen Rahmenbedingungen zu betrachten und zu prüfen, ob die gewünschte Änderung der inhaltlichen Stiftungsarbeit mit dem bisherigen Stiftungszweck vereinbar ist. Für diesen Fall müssen vom verantwortlichen Stiftungsgremium gegebenenfalls neue Förderrichtlinien beschlossen werden. Dann erst kann mit der erneuerten Projektarbeit auf der inhaltlichen Ebene begonnen werden.

STIFTERWILLE ALS WICHTIGSTES LEITBILD

Andernfalls ist die große Hürde der Satzungsänderung zu nehmen. Im Grundsatz gilt hierbei, dass der Stifterwille als wichtigstes Leitbild der Stiftungstätigkeit gewahrt bleiben muss. Das Gelingen hängt weiterhin davon ab, ob die Satzung eine Möglichkeit zur Zweckänderung vorsieht und welche Stiftungsorgane mit welchen Mehrheiten zustimmungspflichtig sind. Auch sollte ein solcher Prozess von Anfang an in Abstimmung mit der zuständigen Stiftungsaufsicht erfolgen. Exemplarisch für eine gelungene Neuausrichtung innerhalb des bestehenden Stiftungszweckes steht die Schweisfurth-Stiftung. Der Unternehmer Karl Ludwig Schweisfurth verkaufte 1984 sein Unternehmen Herta, damals der größte fleischverarbeitende Betrieb Europas, weil keiner seiner Söhne diesen übernehmen wollte, an den Nestle-Konzern und errichtet ein Jahr später eine gemeinnützige Stiftung.

EIN GUTES BEISPIEL – DIE SCHWEISFURTH-STIFTUNG

Diese verfolgt laut Satzung u.a. „die Förderung der Wissenschaft, insbesondere der Erforschung und Entwicklung von gesunder, naturgemäßer Ernährung, naturgemäßer und umweltfreundlicher Methoden des Landbaus“. Das Selbstverständnis der Stiftung ist heute wesentlich weiter gefasst als in den Gründungsjahren. Ihr Motto lautet heute: „Gute Lebens-Mittel, gutes Leben, gutes Gewissen!“ Die Schweisfurth-Stiftung verfolgt seit ihrer Gründung – der Lebensgeschichte des Stifters geschuldet – einen sehr hohen ethischen Anspruch. Wie weitreichend und ganzheitlich dieser heute gelebt wird, verdeutlicht ein aktuelles Beispiel.

ZEITGEMÄSSES STIFTUNGSHANDELN BRAUCHT (MANCHMAL) ZEIT

Der Stiftungsvorstand, Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, ist Koautor des 2013 erschienenen Buches „Fair Finance. Das Kapital der Zukunft“. Dieses Werk greift das hochaktuelle, dringend anstehende und von der Finanzbranche viel zu lange unterschätzte unumgängliche Umdenken auf: wie kann Banking fair gestaltet werden und wie können weitere Finanzkrisen verhindert werden. Zeitgemäßes Stiftungshandeln im feinsten Sinne des Wortes – in Einklang mit der Stiftungsvision von Karl Ludwig Schweisfurth, fast dreißig Jahre nach der Gründung.

ZUSAMMENGEFASST

Aufgabe von Stiftungsorganen ist, den Stifterwillen im Wandel der Zeit umzusetzen. Ständige Veränderung macht diesen Stiftungsalltag aus. Veränderungsprozesse können dabei in der Stiftungsorganisation, auf der Stiftungszweckseite als auch auf der Einnahmenseite erforderlich werden. Zielführend ist es, bereits von Beginn an die rechtlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, um Stiftungsarbeit jederzeit anpassungsfähig zu halten. Denn dass dies notwendig ist, hat nicht zuletzt die Corona-Pandemie gezeigt, auch der Generationswechsel, der in vielen Stiftungen