Fundraising ist kein Notnagel
Gestützt wird diese These durch eine Studie des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, die herausfand, dass Stiftungen mit hohem Vermögen weniger Fundraising machen als kleinere Stiftungen. Doch es geht nicht nur darum, Finanzlöcher, die aus geringerer Rendite des Stiftungsvermögens entspringt, zu stopfen. Nein, es geht um Beziehungen zu Menschen, die sich für die gleiche Sache engagieren, ob als Ehrenamtliche oder Spenderinnen und Spender. Und es geht auch um Zustifter und Großspender, die gezielt viel Geld unterbringen möchten und denen es schlicht an Überblick über mögliche Partner fehlt. Stiftungen haben es ja offenbar nicht einmal nötig, sich im Internet als spendenbereit zu präsentieren.
Stiftungen haben keine Spenden nötig
Bei einer Untersuchung von über 200 Stiftungen, die Dominik Ruisinger beim Stiftungstag erstmals vorstellte, verblüffte er damit, dass fast die Hälfte der untersuchten Stiftungen bürgerlichen Rechts auf ihrer Webseite nicht für Spenden warb beziehungsweise zu Spenden aufrief. „Leider sind Spendenbuttons und Spendenprojekte oft noch zu versteckt auf der Website“, kritisierte Ruisinger außerdem. So würde eine mögliche künftige Unterstützung durch die Nutzer erschwert.
Dabei haben Stiftungen gerade im Bereich der Großspenden und Zustiftungen ein enormes Potenzial, wenn sie sich nur auf einen Dialog mit Menschen einlassen und nach außen signalisieren, dass sie für Partnerschaften und Spenden bereit sind. Stiftungen gelten als nachhaltig, innovativ und können auf gesellschaftliche Entwicklungen teilweise viel schneller reagieren als der Staat. Allein in der Schweiz stieg nach einer aktuellen Studie des CEPS in den letzten sechs Jahren das Vermögen der Schweizer Stiftungen um 30 Prozent auf fast 100 Milliarden Schweizer Franken. Eine enorme Summe! Sicher, vieles davon liegt auch in Immobilien, aber mit solchen Summen bewegt man sich auf Augenhöhe mit vermögenden Menschen, was ein sehr wichtiges Kriterium für diese ist. Sie sehen sich nämlich immer mehr als soziale Investoren und möchten ihr Geld sinnvoll und gezielt unter die Leute bringen. Aber sie denken nicht in Kategorien von 1.000 Euro, sondern von 50.000 Euro aufwärts. Nur dafür brauchen sie Perspektiven, und das heißt im Fundraising vor allem Vertrauen und auch Mitbestimmung oder zumindest Dialogbereitschaft.
Fundraising ist Beziehungsmanagement
Fundraising bedeutet also nicht Geld-, sondern Beziehungsmanagement zu Menschen, die ihr Geld oder ihr Engagement für den guten Zweck geben möchten. Das schnelle Geld ist im Fundraising nicht zu machen. Lothar Schulz, langjähriger Lehrender an der Fundraising Akademie in Frankfurt, formulierte das so: „Fundraising ist Ackerbau und Viehzucht – nicht Jagen und Sammeln.“ Es gilt, eine Beziehung mit Menschen vertrauensvoll wachsen zu lassen, damit daraus eine tragfähige Unterstützung eines gemeinnützigen Anliegens wird. Das kann dauern und braucht Öffentlichkeitsarbeit, zunehmend digitale Kommunikation und Überzeugungskraft durch Angebote wie Projektbesuche, Gespräche oder Einladungen. Es braucht auch vertrauensvolle Personen wie Fundraiserinnen und Fundraiser und im Großspendenbereich die Stifterinnen und Stifter selbst, die das umsetzen. An der Stelle sei gern vermerkt, dass man Qualifikation nicht hat, sondern erwirbt. Regionale Fundraisingtage oder die Angebote der Fundraising Akademie bieten hier gute Möglichkeiten für gezielte Weiterbildung.
Stiftungen müssen hier in ihre Marke und in Personen investieren und sie müssen sich als Partner, manchmal sogar als Stellvertreter ihrer Spenderinnen und Spender sehen. Sicher, ein Paradigmenwechsel für so manche selbstbewusste Stiftung. Sie müssen erkennen, dass sie zwar mit ihrem Vermögen gestalten können, ihr eigentliches Vermögen in einer Partnerschaft aber viel größer ist.
Auch Förderstiftungen brauchen Fundraising
Das gilt übrigens auch für Förderstiftungen, deren Legitimität zunehmend hinterfragt wird und die durch kommunikative Maßnahmen gemeinsam mit ihren Fördermittelnehmern oder Gesuchstellern und auch durch Spenderinnen und Spender eine viel breitere Basis, ein besseres Image und höhere Legitimation erlangen könnten. Peter Augustin, Direktor Kommunikation und Internationale Beziehungen der Software AG Stiftung, brachte das beim Stiftungssymposium 2018 in Bern durchaus plakativ auf den Punkt: „Ohne Förderpartner sind wir nur ein großer impotenter Haufen Geld!“
Matching Funds – doppelt gut!
Was könnten Stiftungen zum Beispiel durch Matching-Funds nicht alles erreichen? Dabei werden Spendeneinnahmen einer Organisation in einem definierten Zeitraum durch die Stiftung verdoppelt oder gar verdreifacht. Ein Modell, das Gesuchstellern die Chance gibt, Eigenmittel parallel zum Stiftungsantrag einzuwerben. Dieses Modell setzt zum Beispiel die Bethe-Stiftung für schwierige Themen, wie Opfer sexueller Gewalt und Hospiz, seit Jahren erfolgreich um. Positiver Effekt für die Stiftung: Sie wird in jeder Spendenkampagne als großzügiger Gönner genannt und motiviert durch die Verdopplungsaktion Spenderinnen und Spender sich zu engagieren. Schafft so auch eine Aufmerksamkeit für diese schwierigen Themen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt ist, dass die Stiftung so sogar doppelt so viele Projekte fördern kann, weil ja die Fördersumme nur halb so hoch sein muss.
Fazit
Stiftungen sollten sich gute Fundraising-Strategien einfallen lassen, die zu ihnen passen. Sie haben ein gutes Image und meistens auch die Mittel, um solche Prozesse erfolgreich zu gestalten. Viel bessere Voraussetzungen übrigens als die meisten Vereine. Packen Sie es an! Sie werden sehen, dass gute Spenderbeziehungen Ihre inhaltliche Arbeit auf ein ganz neues Niveau heben, Ihre Öffentlichkeitsarbeit enorm erleichtern und die Legitimität und das Ansehen verbessern helfen!