Eine Krise ist immer eine Chance. Dieses gern und oft bemühte Bonmot stimmt, denn schon John F. Kennedy wusste, dass Krise im chinesischen aus zwei Schriftzeichen besteht: jenem für Gefahr, aber eben auch jenem für Gelegenheit. Für Stiftungen ist die Corona-Krise definitiv eine Chance, speziell in der digitalen Welt sichtbarer zu sein bzw. besser wahrgenommen zu werden. Es braucht „nur“ den für eine Stiftung passenden Ansatz in der Kommunikation. Damit ist es vielleicht der passende Zeitpunkt, ein paar Kommunikationsschulen im Netz, die allesamt erfolgreich sind, zu vergleichen.
Wer in einer Krise, und die Corona-Krise wird eine sein, die nachhallen wird, sichtbar sein will, der muss sich zeigen. Denn nur wer sich zeigt, wird wahrgenommen und schafft jene Flächen, an denen dann später, wenn die Krise vorübergezogen ist, nachhaltiges Interesse haften bleibt. Diese Flächen sind nicht glatt, sie haben Fluchten, Kanten, kleine Ecken, und genau diese bilden sich aus durch fortwährendes Erzählen, durch kontinuierliches Kommunizieren. An einer ganz glatten Fläche bleibt nichts haften. Dieses Erzählen im Digitalen ist aber nicht nur über die Frequenz erfolgreich, sondern vor allem über den Inhalt. Davon haben Stiftungen mehr als genug, denn sie haben jede für sich mindestens eine spannende Geschichte aus ihren Projekten zu erzählen – und diese Geschichten wollen die Menschen, die sich hinter Spendern und Unterstützern verbergen, auch hören bzw. ihrerseits immer wieder aufs Neue wahrnehmen.
GAR NICHT KOMMUNIZIEREN GEHT GAR NICHT
Dennoch kann es aus Stiftungssicht ein Fehler sein, aus Angst vor Fehlern gar nicht zu kommunizieren, oder auch einfach drauflos zu kommunizieren, denn in der digitalen Welt gibt es extrem viele Weggabelungen, von denen zu viele in eine falsche Richtung führen können. Die falsche Geschichte über das falsche Portal „rausgeblasen“, die richtige Geschichte auf der falschen Plattform positioniert, die passende Geschichte an einen unpassenden Adressatenkreis gegeben, solche Dinge passieren in der digitalen per Knopfdruck, und davor sollte sich Stiftungen hüten. Umso wichtiger ist es, ein paar grundlegende Überlegungen zu ein paar Kommunikationsschulen in der digitalen Welt anzustellen und dann mit meinen Stiftungsgeschichten die richtigen Schritte in diesem Kosmos zu gehen.
SCHULE NUMMMER 1: DIE AMAZON-SCHULE
Die Amazon-Schule ist eine selbstbewusste Schule, die mit dem „Bei mir gibt’s alles“-Habitus daherkommt. Diese Schule wird von Kanzleien gerne genommen, denn dort herrscht die Denke vor, Internetnutzer würden alle mit ihren Problemen auf eben jene eine Portalseite kommen und dann direkt die Anfrage an das Unternehmen richten. Mit der Amazon-Schule will man sich in der digitalen Welt nicht vergleichen lassen sondern geht davon aus, dass die Inhalte auf „meiner“ Website die eierlegenden Wollmilchsäue unter den Inhalten sind und dass der Nutzer schon irgendwann vorbeikommen und das auch erkennen wird. Nun muss man sagen, dass das Internetkaufhaus Amazon das tatsächlich für sich in Anspruch nehmen kann, denn wir waren alle schon mal dort. Für Kanzleien mit ihrem Nischendasein trifft das jedoch nicht zu, und diese werden auch nie die Nutzerdurchdringung des Namensgebers dieser Kommunikationsschule erreichen, so gewiss sich Kanzleien ob ihres eigenen Anspruchs und Selbstbewusstseins in vielen Fällen auch sind. Die Wahrheit ist doch: Kein Nutzer wird sich mit allen Fragen an eine Kanzlei wenden, sondern seine Fragen in einen Raum stellen und dann die Antworten der Kanzleien vergleichen und für sich bewerten. Für Stiftungen funktioniert derlei, also so ein Ich-biete-alles-Modell, ebenfalls nicht uneingeschränkt.
Was sich Stiftungen von der Amazon-Schule abschauen können:
Die Amazon-Schule ist eine, in der ich nicht darauf angewiesen bin, dass andere über mich berichten, sondern wenn ich etwas erzähle, dann schlägt das draußen Wellen. So zumindest die Haltung. Im täglichen Doing bedeutet die Amazon-Schule aber eine klare Orientierung auf den Nutzer, auf den Spender, auf den Unterstützer, und das bedeutet natürlich, dass Stiftungen mit einem klaren Ziel an diese herantreten. Das wiederum ist der erste Schritt, um in der digitalen Welt kommunikativ erfolgreich zu sein. Dennoch hat dieser Ansatz die Schwäche, dass nicht jeder darauf setzen kann, so präsent und sichtbar zu sein wie besagtes Internetkaufhaus, und der Nutzer wird sich hier eher einen Marktplatz erwarten, aber das sieht dieser Ansatz bezogen auf Stiftungen erst einmal nicht vor – im Übrigen schaffen es selbst Kanzleien nicht, die Marktplatzidee auf ihrem Webauftritt zu implementieren. Die Amazon-Schule dürfte daher eher etwas für die ganz großen Stiftungen sein, die sich ihrer Bedeutung bewusst sein können und deren Arbeit sektorübergreifend gesehen wird.
SCHULE NUMMER 2: DIE AUTOBILD-SCHULE
Wie kaufen Sie ein Auto? Gehen Sie auf die Seite des Autoherstellers, konfigurieren sich ein Fahrzeug, lesen die Produktbeschreibung und kaufen dann ungesehen zum Listenpreis? Oder lesen Sie erst einmal einen Testbericht hier, einen Vergleichstest da, eine 100.000-Kilometer-Studie, um dann noch einen track test abzuwarten, bevor sie dann beim Hersteller ein Angebot erfragen oder eben doch gleich auf einer der diversen Plattformen ihr Auto bestellen. In meinen Augen sind 99% der Autokäufer auf dem zweiten Weg unterwegs. Umso erstaunlicher ist zu sehen, dass im Dritten Sektor viele Lösungsanbieter, aber auch viele Stiftungen, auf den ersten Weg setzen. Sie stellen sich nicht die Frage, was ihr Nutzer will oder vielleicht wollen könnte, sondern was Sie als Stiftung (oder eben als Lösungsanbieter) dem Nutzer unbedingt erzählen wollen. Sie machen das auf dem Wege des eigenen Internetauftritts, lassen sich aber nicht vergleichen, gehen nicht in die Testsituation, also eben nicht dorthin, wo der Nutzer sich aber wohlfühlt bzw. wo er sich aufhält. Das eigene Angebot aber auf Plattformen zu geben und dort in einen Raum, in dem sich Nutzer und Interessierte ausgiebig damit beschäftigen, das hat seit Bestehen des Internets immer schon sehr gut funktioniert, und wird auch funktionieren, aus einem driftigen Grund: Nutzer gehen nicht auf die Internetseiten von 15 Autoherstellern, lesen dort das, was der Hersteller erzählt, sondern sie gehen auf eine Plattform, um dort gebündelt Tests und Vergleichs mit den Fabrikaten verschiedener Hersteller zu recherchieren. Die Kaufentscheidung wird hier geboten und weitestgehend getroffen, beim Hersteller selbst geht es dann um Details wie dakotabraunes Leder oder den zweiten Flaschenhalter.
Was sich Stiftungen von der Autobild-Schule abschauen können:
Die Autobild-Schule heißt übersetzt, sich als Stiftung mit seinen Spendenmöglichkeiten auf Plattformen zu zeigen, sich vergleichbar zu machen, sich in diesen Ökosystemen zu zeigen, und den eigenen Webauftritt zur Abwicklung oder neutralen Hintergrundinformation auf hohem bis höchstem Niveau bereitzuhalten. Diese Schule ist eine schlüssige, holt sie doch den Nutzer dort ab, wo er gerade Überlegungen anstellt, außerdem nutzen Stiftungen in diesem Modell stark den Faktor Multiplikator. Für spendensammelnde Stiftungen, Dachstiftungen und mittelgroße Stiftungen mit einem Bedürfnis zu vertieften Kooperationen dürfte dieser Weg der richtige sein, fasst doch das Plattformmodell auch im Dritten Sektor zunehmend Fuß.
SCHULE NUMMER 3: DIE FLUNDER-SCHULE
Die Flunder ist ein so genannter Plattfisch, zu DDR-Zeiten gab es im Sommer entweder Flunder oder Sprotte zu kaufen, wenn man an der Ostsee urlaubte, entsprechend kam einem die Flunder schon mal unter. Flundern sind einmal mit der Eigenschaft versehen, sich zu „verbuddeln“ und dann zu warten auf die Dinge die da kommen, zum anderen sind sie sehr wanderfreudige Fische. Beide Eigenschaften passen auch zu einer Kommunikationsschule, die ihre Berechtigung hat, die aber aus Stiftungssicht zu hinterfragen ist. Erkennbar ist diese bei vielen Unternehmen, sich nämlich in einem Jahr in einer Zielgruppe zu zeigen, dann im zweiten Jahr nicht mehr weil es nichts gebracht, dann im dritten Jahr wieder, aber an anderer Stelle und auf andere Art und Weise, im vierten Jahr nicht weil nichts gebracht und so weiter und so weiter. Diese Schollenstrategie kann funktionieren, wenn ich einmal einen Ansatz machen oder – bezogen auf Stiftungen – ein Projekt ganz kompakt und aktuell vorstellen möchte, aber zum langfristigen Aufbau von Sichtbarkeit und einer Beziehung taugt derlei nicht. Oder warum, glauben Sie, wird Persil immer wieder so fortwährend beworben? Natürlich weil man die Bindung zur Marke kontinuierlich hoch halten möchte und es dafür die Sichtbarkeit zu allen Zeiten braucht. Mal hier und mal da zu werben, und das auch nur für bestimmte Zeit, das macht hier keinen Sinn, und dürfte auch für Stiftungen kein Ansatzpunkt für Kommunikation im digitalen Raum sein.
Was sich Stiftungen von der Flunder-Schule abschauen können:
Das Bündeln von kommunikativen Maßnahmen, das „Welle machen“ für kurze Zeit oder für einen kurzen Zeitraum. Will ich als Stiftung ein Projekt anteasern, ob für ein Projekt Unterstützer gewinnen, dann baue ich dazu eine schlanke Microsite, versuche regionale und überregionale Medien für eine Berichterstattung zu gewinnen und verstärke die Sichtbarkeit noch über Social Media- oder Newsletteraktivitäten. So kann ein Aufschlag für einen kurzen Zeitraum einen enormen Effekt für eine Stiftung haben, der jedoch abebbt, sobald die Maßnahmen auslaufen oder nicht mehr so gebündelt ausgerollt werden. Jedoch kann man von der Flunderschule lernen, wie man Kommunikation nicht macht, speziell nicht im digitalen Raum. Hier und da mal sichtbar zu sein, das macht wenig Sinn, zumal mit nicht immer aktuellen oder schlecht gepflegten Inhalten. Hier kann eine Stiftung mehr kaputt machen als sie mittelfristig aufbaut. Die Flunderschule ist eher für Stiftungen als Anregung zu sehen, die hier und da mit viel Drumrum ein Projekt oder eine Veranstaltung an die Masse bringen möchte, die aber parallel auch über ausreichend Grundrauschen verfügt, sich das leisten zu können, eben nicht permanent so „anblasen“ zu müssen. Wer das nicht kann, ist hier eher schlecht beraten.
SCHULE NUMMER 4: DIE PLANETBACKPACK-SCHULE
Wer schon mal auf dem planetbackpack-Blog war, dort zum Thema Reisen ein bisschen geschmökert hat, der findet dort Beiträge mit 20 Tipps, 7 Gründen und 4 Dingen, eben Inhalte, die Erfahrungen rund um das Reisen teilen. Zugegeben, in Zeiten von Corona ist Reisen nicht die erste Priorität, aber der Blog kann Stiftungen jede Menge Anregungen für die eigene Kommunikation und die eigene Stiftungswebsite geben. Denn diese Erlebte erlebbar machen, das können Stiftungen auch, vor allem sind die Inhalte sehr frisch und bauen vielen Nutzern Brücken, diese Inhalte zu konsumieren. Es macht einfach Spaß, hier zu verweilen, und es dürfte auch viel Spaß bereiten, diese Inhalte zu erstellen. Deshalb allein wäre der planetbackpack-Blog schon eine Anregung, vor allem aber ist es der Link hin zu Spendenaktionen, die sich Stiftungen einmal überlegen sollten. Denn solche Blogs zu nutzen, um dort um Spenden zu bitten, das kann funktionieren, da insbesondere viele potentiellen Spender angesprochen werden dürften, die bisher mit der Stiftung noch nicht in Kontakt gekommen sind.
Was sich Stiftungen von der Planetbackpack-Schule abschauen können:
Neulich stieß ich auf eine Spendenwerbung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) auf einer Sportseite, ich gebe zu, ab und an komme ich an einer kleinen Sportrecherche nicht vorbei. Dieser Ansatz, auf einer nicht stiftungsnahen Website für Spenden zu werben, verfängt und es kann für Stiftungen durchaus ein Ansatz sein. Die Kampagne des DRK ist auf der Sport-Website gut positioniert, die Microsite, die angesteuert wird, hält dann Informationen zur aktuellen Aktion (im Corona-Kontext) und natürlich auch die Spendenkanäle parat. In Umfeldern wie eben dem Planetbackpack-Blog als Stiftung präsent zu sein, das könnte ggf. eine Überlegung wert sein, denn wenn das DRK sich im Sportumfeld positioniert, das entspringt einer sehr strategischen Überlegung, und exakt dieser strategischen Überlegung sollten Stiftungen auch folgen. Neue Spender zu erreichen, neue Unterstützer anzusprechen, diesen Impuls sollten Stiftungen aufnehmen und es – angepasst auf das Setup der jeweiligen Stiftung – machen wie das Deutsche Rote Kreuz.
ZUSAMMENGEFASST
Auch von der Corona-Krise werden Stiftungen wie nach anderen Krisen auch ihre Schlüsse ziehen. Womöglich werden Gremiensitzungen künftig auch öfter mal als Vidko (=Videokonferenz) abgehalten, oder der Newsletter häufiger verschickt. Vor allem dürfte diese Krise aber nachhaltigen Einfluss auf die Kommunikationsstrategien von Stiftungen haben, das lässt sich jetzt schon ablesen. Die Kommunikation wird digitaler werden, sie wird in (auch branchenfremden) Räumen stattfinden, und sie wird strategischer aufgesetzt sein. Ob es am Ende die Amazon-Schule ist, die Stiftungen bevorzugen, oder ob sie die Autobild-Schule der Flunder-Schule vorziehen oder doch auf die Planetbackpack-Schule setzen, das wird auch ein Stückweit die Praxis zeigen. Jede der Schulen hat was für sich, und Stiftungen werden sich dies in der digitalen Welt auch zu Nutze machen. Eines steht jedoch jetzt schon fest: Gar nicht zu kommunizieren, das geht gar nicht.