Im Alleingang kaum zu schaffen

Wie soll ein Compliance Management System in Kleinstiftungen funktionieren? – Zweiter Teil einer Expertenbefragung

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Umfrage Gregor Jungheim 2024 T2
Lesezeit: 5 Minuten

Es ist wie immer im deutschen Non-Profit-Sektor. Stiftungen mit nur wenigen 100.000 Euro an Grundstockvermögen gelten als Treiber des bürgerschaftlichen Engagements. Die Erwartungen an ein Compliance Management System gehen dagegen von größeren Organisationen mit eigenem Personal sowie hoher Fachkompetenz in Sachen Betriebswirtschaft, Recht und Steuern aus. Nach Einschätzung der befragten sechs Fachleute verbleiben aber auch Kleinstiftungen durch Vernetzung und Einholung externen Rats einige Möglichkeiten, die Befolgung von Recht und Gesetz sicherzustellen.

Ein internes Kontrollsystem, Wert- und Verhaltensmaßstäbe für das Tagesgeschäft sowie eigenständige Compliance-Beauftragte – das alles klingt machbar, wenn eine Stiftung zum Beispiel Träger einer sozial-diakonischen Einrichtung ist oder auf einen bestens vernetzten Multi-Millionär zurückgeht, der keine Probleme hat, seine Kontrollgremien mit kompetenten Akteuren zu füllen. Doch welche Möglichkeiten mag wohl eine ausschließlich ehrenamtlich geführte und vielleicht mit 500.000 Euro ausgestattete Kleinstiftung haben, tatsächlich ein Compliance Management System einzurichten?

„Schlichtweg nicht umsetzbar“

„Für kleinere Stiftungen sind die Vielzahl der Regelungen oder ein echtes Compliance-System schlichtweg nicht umsetzbar“, lautet die klare Einschätzung von Frank Wieser (Haus des Stiftens). „Zum einen stehen die Kosten in keinem Verhältnis zum Vermögen der Stiftung, zum anderen dürfte es auch keine Expertise bei den Vorständen geben.“ Ein paar Dinge seien jedoch auch für eine Kleinstiftung überlegenswert. „So kann man die Wahl des richtigen Vermögensverwalters auch delegieren. Große Stiftungszentren haben hier eine entsprechende Expertise. Das gleiche gilt für das Erstellen einer Satzung oder von Anlagerichtlinien. Es hilft auch schon, auf der Website ein paar einleitende Sätze zum Selbstverständnis der Stiftung zu schreiben. Das mag vielleicht nicht immer rechtssicher formuliert sein, ist aber besser als sich gar nicht zu äußern.“

„Für kleinere, ehrenamtlich geführte Stiftungen ist es besonders herausfordernd, diesen Anforderungen zu genügen“, gibt auch Axel Reimann (ADVANT Beiten) zu. „Eine mögliche Lösung ist die Nutzung externer Experten und Ressourcen, um Compliance sicherzustellen, ohne die ehrenamtlichen Strukturen zu überlasten.“

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Orientierung an Kodizes größerer Organisationen möglich

„Um die Beachtung gesetzlicher Pflichten kommt auch die kleine Stiftung nicht herum“, betont Susanne Weigenand (RSM Ebner Stolz). „Vielfach dürfte es im ersten Schritt schon helfen, die regelmäßigen Abläufe in Checklisten oder Ablaufprotokollen zu dokumentieren und auf Richtigkeit zu überprüfen. Welche Pflichten ergeben sich aus der Satzung, wie ist die korrekte Vertretung, wie kommen Beschlüsse zustande? Prüfen Sie auch vor Aufnahme einer neuen Tätigkeit, welche Pflichten sich daraus ergeben. So kann Stück für Stück ein Compliance Management System aufgebaut werden, das auf die Stiftung zugeschnitten ist.

Verschiedene Organisationen veröffentlichen auch zumindest Teile Ihres jeweiligen Compliance Kodex. Beispiele sind die „Grundsätze guter Stiftungspraxis“ des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, der Caritas Compliance Codex oder der Governance Kodex der Joachim Herz Stiftung. An solche öffentlich zugänglichen Kodizes können sich kleinere Stiftung orientieren, wenn sie für sich selbst ein Compliance Management System aufbauen.“

Stiftungsgremien und deren Zusammensetzung kommt wichtigere Rolle zu

Weitere Empfehlungen hat Alexander Wackerbeck (Eliotax): „Neben der Besetzung der Gremien durch kompetente Akteure und der externen Begleitung durch Steuer- und Rechtsberater mit einschlägiger Expertise können Stiftungen sich – meiner Erfahrung nach – immer hilfesuchend an die Stiftungsaufsicht wenden, die in der Regel Unterstützung liefert. Auch gibt es gut organisierte Verbände, die für ihre Mitglieder Beratung und Informationen bieten. Wird die Stiftung allerdings zu klein und ihr Wirkungsgrad durch Verwaltungsbürden aufgezehrt, sollte der Schritt einer Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung oder die Zulegung zu einer anderen Stiftung in Erwägung gezogen werden. Diese Möglichkeiten sieht das Stiftungsrecht nach seiner Reform nun ausdrücklich vor.“

vtfds2024-Mediathek

Geringe Haftungsrisiken für Ehrenamtliche

Ingo Strugalla (Stiftung Schönau) bezweifelt generell den Bedarf nach weiteren Kleinstiftungen und rät ebenfalls dazu, die Ressourcen lieber zu bündeln. Sieht sich eine Kleinstiftung allerdings Vorwürfen nachlässigen Handelns ausgesetzt, so kann auch hier „eine ausführliche Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen oder der Beratung durch Dritte nachvollziehbar machen, ob mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers gehandelt wurde“.

Nach Einschätzung von Dr. Anna Kraftsoff (Deutsches Stiftungszentrum/Deutsche Stiftungsanwälte) sollten sich engagementinteressierte Menschen auch keinesfalls durch die neuen Sorgfaltspflichten entmutigen lassen, ein Ehrenamt bei einer Stiftung zu übernehmen: „In erster Linie werden die staatlichen Konsequenzen bei Verstößen gegen Recht und Gesetz die Stiftung selbst treffen, in seltenen Fällen auch unmittelbar die handelnden Personen. Da lohnt es sich in jedem Fall bei staatlich verhängten Maßnahmen genauer hinzuschauen und gegebenenfalls dagegen vorzugehen.

Ein Rückgriff der Stiftung gegenüber den ehrenamtlich agierenden Vorstandsmitgliedern ist hierbei im Falle der einfachen Fahrlässigkeit nach den §§ 84 a Absatz 3 in Verbindung mit 31 a BGB ausgeschlossen. In vielen Fällen findet sich eine solche Regelung in den Stiftungssatzungen ebenfalls für die hauptamtlich tätigen Vorstände. Zudem kann auch hier die Business Judgement Rule des § 84a Absatz 2 BGB zur Entlastung weiterhelfen. Hat der Vorstand also die äußerste Sorgfalt beachtet und dies ordnungsgemäß dokumentiert, wird er in der Regel keine persönliche Haftung befürchten müssen.“

Umfrage-Tipp:
Unsere vorherige, zweiteilige Umfrage zum Stiftungsregister mit 6 Stiftungsexpertinnen und -experten finden Sie ebenfalls auf unserem Blog in der Rubrik Stiftungsrecht.

Zusammengefasst

Ein professionelles Compliance Management System ist für eine Kleinstiftung kaum zu leisten. Dies bewahrt aber auch kleinere Organisationen nicht davor, Recht und Gesetz zu beachten. Deren Organe werden deshalb nicht umhinkommen, in vielen Fällen externe Kompetenzen einzuholen, was auch die Mitgliedschaft in Verbänden und die Orientierung an Kodizes größerer Organisationen beinhalten kann. Die gestiegenen Anforderungen sollten jedoch nicht von der Verantwortungsübernahme in eben diesen Kleinstiftungen abschrecken. Denn Ehrenamtliche sind auf vielfache Weise vor einer persönlichen Haftung geschützt.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den ersten Teil unserer Expertenbefragung.

Die Teilnehmenden

Dr. Anna Kraftsoff leitet das Regionalbüro vom Deutschen Stiftungszentrum (DSZ) in Berlin und ist als Rechtsanwältin im Bereich „Recht & Consulting“ im DSZ im Stifterverband in Berlin tätig. Zudem ist sie Partnerin bei der Deutsche Stiftungsanwälte Rechtsanwaltsgesellschaft. Sie unterstützt Stiftungen in allen rechtlichen Fragestellungen und berät Stifterinnen und Stifter im Zusammenhang mit der Stiftungserrichtung. Daneben ist sie Mitglied in diversen Stiftungsgremien, Referentin und Autorin zahlreicher Fachbeiträge im Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht.

Axel Reimann ist Leiter der Stiftungsverwaltung bei ADVANT Beiten in Düsseldorf und Mitglied der Praxisgruppe Vermögen, Nachfolge, Stiftungen. Sein Tätigkeitsbereich umfasst die administrative, steuerliche und aufsichtsrechtliche Betreuung von Stiftungen, sowie die Stiftungsverwaltung. Er berät nationale sowie internationale Mandanten insbesondere im Bereich der kaufmännischen Rechnungslegung und Aufstellung von Jahresabschlüssen, vornehmlich im Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht.

Ingo Strugalla studierte Wirtschaftswissenschaften und absolvierte studienbegleitend den Fernunterricht zum Kaufmann der Wohnungswirtschaft. Seit 2003 führt Strugalla die Stiftung Schönau in Heidelberg als Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Geschäftsführer der Prokiba GmbH (Gesellschaft für Projektentwicklung und Projektsteuerung für kirchliches Bauen in Baden mbH).

Alexander Wackerbeck ist Geschäftsführender Partner der Eliotax GmbH Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz in Münster und Düsseldorf. Der Diplom-Kaufmann, Steuerberater und zertifizierte Stiftungsberater (FSU) ist seit rund 20 Jahren bundesweit tätig in der Steuerberatung für gemeinnützige Organisationen in den Rechtsformen Verein, Stiftung, GmbH und Genossenschaften. Er ist ständiger Referent auf den „Kölner Tagen Gemeinnützigkeitsrecht“ und Autor diverser Fachaufsätze.

Susanne Weigenand gehört seit 2019 bei RSM Ebner Stolz dem Center of Competence Gemeinnützigkeit & Stiftungen in Stuttgart an. Die Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht und zertifzierte Stiftungsberaterin (DSA) ist seit mehr 20 Jahren in der Beratung von gemeinnützigen Körperschaften, insbesondere Stiftungen, aber auch Familienstiftungen tätig und blickt auf Stationen in einer Big-Four-Gesellschaft, einer großen mittelständische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie einer Wirtschaftskanzlei zurück.

Frank Wieser ist seit 2022 Geschäftsführer im Haus des Stiftens und ist insbesondere zuständig für die Angebote rund ums Stiftungsvermögen. Zuvor gehörte er zur Geschäftsleitung der Donner & Reuschel Luxemburg S.A. und war Deutschlandchef der Privatbank Vontobel. Wieser ist verschiedentlich sozial engagiert. Er gehört zu den Zulassungsprüfern für Bachelorstudierende an der Privatuniversität WHU, ist Mentor für Deutsche Spitzensportler und Kuratoriumsvorsitzender der Schmitz Stiftungen.