Informieren statt infizieren

Corona-Krise aktuell: Auf welchen Ebenen Stiftungswebsites zu Corona informieren – Ergebnisse eines Surftrips

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Surftrip auf Stiftungswebsites
Lesezeit: 6 Minuten

Das Corona-Virus auf der Stiftungswebsite zu haben, heißt in Zeiten wie diesen nicht, dass der Rechner mit einem Virus infiziert ist, sondern dass Stiftungen in den Wirren der Corona-Krise zu ihren Aktivitäten informieren. Aber wie machen Stiftungen das, taugen Websites für das, was es jetzt braucht und vor allem: Ist das, was „rausgeblasen“ wird, auch relevant? Wir haben den Surfmodus angeschmissen und uns auf einigen Stiftungswebsites umgesehen – mit interessanten Erkenntnissen.

Zunächst einmal hat uns interessiert, inwiefern Stiftungen über ihre Geschäftspraktiken inmitten der Corona-Krise berichten, denn Transparenz ist das Eine, Konsequenz das andere. Auf der Website der Stiftung Mercator etwa ist ein sehr gutes Beispiel dafür zu finden, wie eine Stiftung Haltung zeigt. Die Stiftung weist darauf hin, dass sie dazu beitragen möchte, das Virus nicht weiter zu verbreiten, und im Zuge dessen werden vorerst sämtliche Veranstaltungen abgesagt. Das wiederum wird handwerklich sehr schön aufbereitet, man weiß also im Eventkalender sofort, woran man als Nutzer oder potentieller Besucher ist. Andere Stiftungen können sich ruhig abschauen, das Wörtchen ABGESAGT in den Veranstaltungskalender zu integrieren. Was mir ebenfalls gefällt sind die Regelungen zu Reisen und zu den Geschäftsräumen. Ebenfalls stellt die Stiftung Mercator ihren Mitarbeitern frei, von zu Hause zu arbeiten. Sicherlich, das sind alles keine News inmitten der Corona-Panik, aber es wird in diesem Fall sehr sauber und sehr klar kommuniziert. Das Ganze zeugt hier von hoher Professionalität, und das wiederum zieht Vertrauen nach sich.

VOLKSWAGENSTIFTUNG HAT DIE ZEICHEN DER ZEIT ERKANNT

Von der Informationsgüte her bewegt sich die VolkswagenStiftung auf gleichem Niveau. Deren Newsletter, der auf Veranstaltungsabsagen hinwies, enthielt einen Link zum hauseigenen Veranstaltungskalender. Dort hingeklickt, zeigte sich ein aufgeräumter Kalender, der die gestrichenen Termine ebenfalls mit ABGESAGT markiert. Ebenfalls ist der Termin gezeigt, bis zu dem vorerst Veranstaltungen abgesagt wurden, unter der Partition „Aktuelles“ findet sich zudem der Hinweis, dass die VolkswagenStiftung derzeit im Notbetrieb agiert. Der Geschäftsbetrieb werde von den Mitarbeitern von zuhause aus geführt. Das suggeriert mir zweierlei: Die VolkswagenStiftung hat die Zeichen der Zeit erkannt und handelt konzertiert. Dazu ist sei eine moderne Stiftung, die kein Problem damit hat, mobiles Arbeiten zu ermöglichen bzw. zu regeln. Auch dies überzeugt, hier weiß ich sofort woran ich bin.

VIELE MASSNAHMEN, EIN ZIEL: #FLATTENTHECURVE

Bei der Alexander von Humboldt Stiftung ist eine Information zur Gemengelage deutlich sachlicher gehalten, aber auch hier passt die Information und taugt vermutlich auch gut als Vorlage dafür, wie andere Stiftungen rund um die Corona-Krise informieren könnten. Es wird klar gesagt, dass alle Veranstaltungen vorerst abgesagt wurden. Die von der Stiftung Geförderten werden auch genannt, die Hinweise hier sind aber vielleicht etwas unbefriedigend. Denn sie helfen einfach nicht richtig weiter – wobei ich einwenden muss, dass natürlich die Umsorgung auch ihre Grenzen hat. Alle drei genannten Stiftungen informieren also auf den Punkt, sie sind präzise im Umgang mit Informationen rund um Veranstaltungen und den eigenen Umgang mit der Corona-Krise. Im Übrigen nutzen einige Stiftungen für derlei Informationen auch Social Media, beispielhaft kann hier die Joachim Herz Stiftung genannt werden. Der Hinweis auf ausgesetzte Veranstaltungen lässt keine Zweifel offen, ergänzt wird der Hinweis um den Hastag dieser Tage: #flattenthecurve.

BÜRGERSTIFTUNG JENA – SO GEHT RELEVANTES STIFTUNGSHANDELN

Das ist nun eine Ebene, die wir gefunden haben, also die Minimalstufe, zu entfallenden Veranstaltungen und zu Änderungen am Geschäftsbetrieb zu informieren. Aus Stiftungssicht hat diese ihre Relevanz, aber wir haben eine weitere Ebene gefunden, bei der sich die Relevanz der Information aus einem anderen Punkt speist. Die Bürgerstiftung Jena ist hier so ein Beispiel. Die Bürgerstiftung Jena informiert vielleicht nicht so perfekt wie die drei bereits genannten Stiftungen, aber auf ihrer Stiftungswebsite lässt sich genau das finden, was in Zeiten wie diesen von Stiftungen vielleicht zuerst erwartet wird: Engagement am Bürger.

Im Unterpunkt „Aktuelles“ ist eine Meldung zu finden, nach der die Bürgerstiftung Jena in der Corona-Nachbarschaftshilfe unterstützt. Hier kommt die Stiftung dem nach, was in ihrer DNA begründet liegt. Eine Bürgerstiftung begreift sich oft als Plattform, mit deren Hilfe Ideen aus der Bürgerschaft einer Stadt in Projekte für die Bürger einer Stadt überführt werden. Einer Bürgerstiftung geht es letzten Endes darum, Probleme in einer Stadtgemeinde zu lösen oder bei deren Lösung durch gebündelte Kräfte zu unterstützen.

CORONA-KRISE ALS CHANCEFÜR STIFTUNGEN?

Bei der Bürgerstiftung Jena ist es nun ganz aktuell die Nachbarschaftshilfe, die protegiert wird – was auch absolut notwendig ist. Denn wer in den Supermärkten die sinnlos leer gekauften Nudel- und Toilettenpapier-Regale sieht, der bekommt ein Gefühl dafür, wie schwer es für weniger mobile ältere Menschen oder alleinerziehende Mütter womöglich sein kann, die Dinge des täglichen Bedarfs zu besorgen. Oder manchmal sind es kleine Probleme im Haushalt, die gelöst werden müssen, oder ein Weg, der einfach gemacht werden muss. Hier greift die Nachbarschaftshilfe, und indem die Bürgerstiftung Jena hier unterstützt, tut sie etwas sehr Relevantes, weil es für die Menschen relevant ist. Zugegeben, ich würde über diese Nachbarschaftshilfe deutlich aktiver erzählen, als dies auf der Website der Bürgerstiftung Jena gemacht wird, denn hieraus resultiert für die Stiftung eine enorme Chance, noch weit stärker wahrgenommen zu werden. Aber das ändert nichts am Wesen dessen, was die Nachbarschaftshilfe ist: relevantes Stiftungshandeln.

STIFTUNG ECKEN WECKEN WECKT DEN NACHBARSCHAFTSGEIST IN LEIPZIG

Nachbarschaftshilfe ist auch das Thema der Stiftung „Ecken wecken“ aus Leipzig. Was die Stiftung hier anbietet ist nichts anderes als ein kleines Tool, bei dem ältere Menschen, Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder jene, die Unterstützung beim Einkauf, beim Auslauf mit dem Hund oder bei der Betreuung der Kinder benötigen, ihren Bedarf einstellen und dann nach Hilfe fragen können.

Die Stiftung „Ecken wecken“ fragt zuerst einige Informationen standardmäßig ab, transportiert diese dann an mögliche Helfer, die sich wiederum als „helfende Hand“, so jedenfalls wird es auf der Website beschrieben, telefonisch bei den Hilfebedürftigen melden. Auch derlei ist in Zeiten, in denen zu Nachbarschaftshilfe aufgerufen wird, hochrelevantes Stiftungshandeln, das aber auch in diesem Fall noch besser verpackt werden sollte. Wer mal auf der Website von Community Aid war unter www.communityaid.org, der weiß was ich meine: Derlei geht einfach ’ne ganze Ecke frischer.

BIELEFELDER BÜRGERSTIFTUNG ALS PLATTFORM

Was ich in diesem Kontext schade fand: Bei den bekannten Bürgerstiftungen, etwa aus Braunschweig oder Hamburg, war zur Corona-Krise und dazu, wie die Stiftungen das Ganze handhaben – wie sie reagieren, etwa auf Seite ihrer Veranstaltungen oder ob sie sich in Projekte wie die Nachbarschaftshilfe einbringen – bedauerlicherweise nichts zu lesen (Stand: 18.3.2020). Zwar werden die Veranstaltungen mit ENTFÄLLT gekennzeichnet, aber als Nutzer oder auch Sympathisant der Bürgerstiftungsidee oder auch als Bürger einer Stadt würde man sich hier etwas mehr Information, Aktivität oder Impuls wünschen. Ein positives Beispiel, wie eine Bürgerstiftung sich sehr gut in die aktuelle Krise einbringen kann, ist die Bielefelder Bürgerstiftung.

Auf deren Website ist die erste „Aktuell-Meldung“ derzeit permanent jene zum Umgang der Stiftung mit der Corona-Krise – diese enthält aber gleichzeitig auch einen Aufruf, mit Ideen, wie besonders bedürftige Bielefelder Bürger unterstützt werden können, an die Bürgerstiftung heranzutreten. Der Aufruf kommt authentisch „rüber“, und schlagartig wird dem Betrachter deutlich, dass die Bielefelder Bürgerstiftung eine Plattform ist bzw. eine Plattform für Hilfe in Krisenzeiten sein kann. Das kommt gut, insbesondere da der Webauftritt schön responsiv und frisch aufgesetzt wurde, was das In-Kontakt-kommen mit der Stiftung ganz erheblich erleichtert.

EINE WEITERE EBENE: DIE INFORMATION

Wiederum eine andere Ebene, die in Zeiten einer unsichtbaren Gefahr aber eine extrem wichtige ist, ist die Information zum Thema, also entlang dessen, was die Menschen draußen im Land momentan umtreibt. Das sind Fragen zum Corona-Virus, zur potentiellen Ansteckungsgefahr und zu Maßnahmen, wie sich jeder Einzelne schützen kann. Auf dieser Ebene ist unter anderem die Deutsche Herzstiftung unterwegs. Hier wird in einer eigenen Websitepartition erklärt, was auf Basis des aktuellen Stands rund um Corona die entscheidenden Punkte sind: Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr, welche Symptome sollten Menschen hellhörig werden lassen, wer sind Risikopatienten und welche Vorkehrungen sollten Herz-Kreislauf-Patienten treffen. Hierzu wird kompakt informiert, unaufgeregt, ganz sachlich – mithin exakt so, wie jeder Einzelne der Corona-Krise begegnen sollte.

Zudem wurde für Herz-Kreislauf-Patienten eine eigene Microsite geschaltet, die zusätzlich für exakt diese Zielgruppe die wichtigsten Informationen bereithält. Was Stiftungen wie die Deutsche Herzstiftung auf dieser Ebene tun, ist hochrelevant, weil es ganz nahe an einer aktuellen Gemengelage entlang Fakten zusammenträgt und dadurch die Menschen unterstützt, sich in der Pandemie richtig zu verhalten. Das Problem kann zwar nicht gelöst werden, aber es kann ihm begegnet werden, und dafür gibt es Hinweise und Tipps, die entsprechend des aktuellen Wissens- und Erfahrungsstandes an die Menschen weitergegeben werden. Im Übrigen gibt es im Sektor auch Einige, die die Corona-Krise als Chance begreifen, auch das kann eine Ebene sein, auf der sich Stiftungen stärker bewegen können. So hat die Fundraising- und Kommunikationsberaterin Christina Gediga einige Anregungen zusammengetragen, die als Anstoß für Diskussionen durchaus taugen. Beispielsweise könnte der Punkt „gelebte Solidarität“ im Stiftungssektor diskutiert werden, wie diese aussieht und was wir für diesen Aspekt aus der aktuellen Gemengelage lernen können.

NOCH ZWEI DIGITALE FUNDSTÜCKE

Lernen könnten wir beispielsweise auch von Estland. Das kleine baltische Land ist ganz groß im Lösen von Krisen. Schon inmitten der Finanzkrise wurden harte, aber weitsichtige Einschnitte und Entscheidungen getroffen – mit der Folge, dass Estland nun zu den prosperierendsten Ländern Europas gehört. Jetzt, in Zeiten der Corona-Krise, sollten wir Europäer wieder nach Estland schauen, wie dort aus einem Zusammenspiel von Politik und vor allem der digitalen Ökonomie Lösungen erarbeitet werden, um der Krise Herr zu werden. Den Artikel aus dem Forbes Magazine habe ich über die Website des Bundesverbands Deutscher Stiftungen gefunden. Dort werden unter „Aktuelles“ auf einer Microsite die verschiedensten Aktivitäten von Stiftungen und gute Literaturhinweise zur Corona-Krise zusammengeführt. „Stiftungsengagement in Zeiten des Coronavirus“ heißt das Ganze. Gut, man muss immer noch entscheiden, welche Information für einen selbst die wichtige bzw. relevante ist, aber die Übersicht zieht ihre Relevanz aus der Fülle der Informationen, hier wird gezielt auf der Metaebene agiert.

ZUSAMMENGEFASST

Mehrere Ebenen, auf denen sich Stiftungen inmitten der Corona-Krise bewegen, haben wir im Netz gefunden. Einmal das (1) sachliche Informieren zum aktuellen Stand und Verhalten der Stiftung, dann (2) das konkrete Helfen in Form der unterstützenden Nachbarschaftshilfe, dazu (3) das Aktivieren von Menschen in Form von Aufrufen und schließlich (4) das Vermitteln von Hintergründen zu Corona für bestimmte Zielgruppen,. Insgesamt habe ich viel erfahren über die aktuelle tägliche Praxis von Stiftungen, wie sie mit der Corona-Krise umgehen, wer hier informiert, wer hier gut informiert und wer es lässt. So ein Surftrip ohne Ziel bringt einen manchmal eben doch zum Ziel.

Folgende Stiftungswebsites wurden im Zuge des „Surftrips“ angeschaut:

www.volkswagenstiftung.de
www.joachim-herz-stiftung.de
www.humboldt-foundation.de
www.buergerstiftung-hamburg.de
www.buergerstiftungbraunschweig.de
www.bielefelder-buergerstiftung.de
www.buergerstiftung-jena.de
www.stiftung-ecken-wecken.de
www.communityaid.org
https://www.gediga-fundraising-pr.de/corona-wirkt
https://www.stiftungen.org/aktuelles/blog-beitraege/stiftungsengagement-in-zeiten-des-coronavirus.html
https://www.forbes.com/sites/robertwolcott/2020/03/15/hack-the-crisis-6-lessons-from-estonias-coronavirus-crisis-response/#5f0c28734fca