„Das sonstige Vermögen stärkt das Kapital der Stiftung“

Auf einen (bei 6 Grad Außentemperatur recht schattigen) Dachterrassen-Besuch am Rande der Jahrestagung von Stiftung & Sponsoring in Berlin mit Benjamin Weber, Rechtsanwalt und Partner bei Deutsche Stiftungsanwälte

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Benjamin Weber
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Am 1.7.2023 tritt die Reform des deutschen Stiftungsrechts in Kraft. Aber diese Stiftungsrechtsreform, so sie eine ist, beschäftigt(e) Stiftungsverantwortliche, Stiftungsaufsichten und Stiftungsexperten natürlich schon vor diesem Termin. Mit Benjamin Weber von den Deutschen Stiftungsanwälten haben wir die Kernpunkte der Reform rund um den Pflichtenkreis Stiftungsvermögen noch einmal vertieft. Wir lernen: ‚Zum Wohle der Stiftung‘ und Sorgfaltspflichten, das gehört zusammen.

FondsFibel: Stiftungsvermögen und Stiftungsrechtsreform – an welchen Stellen lässt sich sagen, befruchtet die Reform das Vermögen?

Benjamin Weber: Die Stiftungsrechtreform definiert erstmals das Stiftungsvermögen für Ewigkeitsstiftungen und Verbrauchsstiftungen, vgl. § 83b BGB n.F. Während bei einer Ewigkeitsstiftung mit dem Grundstockvermögen und dem sonstigen Vermögen zwei Vermögenstöpfe zur Verfügung stehen, besteht das Vermögen einer Verbrauchsstiftung – wie der Name schon sagt – ausschließlich aus einem Verbrauchsvermögen oder sonstigen Vermögen, § 83b Abs. 1 n.F. Insbesondere die Kodifizierung eines sonstigen Vermögens, was in der Verwaltungspraxis zum Teil bereits als Kapitalrücklage buchhalterisch anerkannt war, führt für Stiftungen des bürgerlichen Rechts zu einer neuen Flexibilität. Denn im Gegensatz zum Grundstockvermögen ist das sonstige Vermögen nicht in seinem Wert ungeschmälert zu erhalten, sondern kann (auf Beschluss des zuständigen Stiftungsorgans) flexibel eingesetzt werden. Um hier Diskussionen insbesondere mit der Stiftungsaufsicht zu vermeiden, sollte der Zuwendende im Zusammenhang mit seiner Schenkung oder letztwilligen Verfügung zum Ausdruck bringen, dass das von ihm zugewendete Vermögen dem sonstigen Vermögen zufallen soll. Ein unklarer Wortlaut lässt nach unserer Erfahrung die Stiftungsaufsichten die Ansicht vertreten, dass das zugewendete Vermögen dem zu erhaltene Grundstockvermögen zufallen soll. Das sonstige Vermögen stärkt – ohne dass es ungeschmälert zu erhalten ist – das Kapital der Stiftung solange bis es durch das zuständige Organ einem Zweck zugeführt wird.

Benjamin Weber

FondsFibel: Was wird denn die Business Judgement Rule in Stiftungen bzw. mit Stiftungen machen, so sie diese nicht sowieso schon in ihrer täglichen Praxis leben?

Benjamin Weber: Die Business Judgement Rule (BJR) – welche Parallelen zu den „Principles of Corporate Governance“ des American Law Institute aus dem Jahr 1994 enthält – findet in Deutschland seine rechtsgeschichtliche Grundlage in einer Entscheidung des BGH vom 21.4.1997. Hierin stellte der BGH insbesondere klar, dass der Aufsichtsrat einer AG verpflichtet ist, etwaige Schadensersatzansprüche der AG gegen (einzelne) Vorstandsmitglieder der Gesellschaft zu verfolgen. Mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005 wurde die BJR schließlich in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG gesetzlich kodifiziert. Den Wortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG hat der Bundesgesetzgeber nunmehr weitestgehend auch in § 84a Abs. 2 Satz 2 BGB neu aufgenommen. Hiernach hat das Mitglied eines Organs bei der Führung der Geschäfte der Stiftung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln.

Der nunmehr kodifizierte Sorgfaltsmaßstab wurde bereits in der Vergangenheit überwiegend durch eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschrift auf Stiftungsorgane
angewandt. Nichtsdestotrotz erleben wir durch die Einführung des § 84a Abs. 2 BGB n.F. eine nochmals gesteigerte Sensibilität für dieses Thema. Hierbei stellt sich verstärkt die Frage, wie durch regulatorische Vorgaben wie beispielsweise Anlage- oder Compliance-Richtlinien der Pflichtenkreis von Organmitgliedern klar umgrenzt und damit die Handlungssicherheit für Geschäftsführungsentscheidungen erhöht werden kann.

FondsFibel: Waren die Regelungen zur Umschichtungsrücklage bzw. den Umschichtungserlösen notwendig, um Stiftungsvermögen eine Brücke ins Hier und Jetzt zu bauen?

Benjamin Weber: Interessanterweise sah der Referenten-Entwurf noch ein anderes Regel-Ausnahme-Verhältnis in Bezug auf Umschichtungsgewinne vor als es jetzt in § 83c Abs. 1 Satz 3 BGB n.F. kodifiziert ist. Demnach können nunmehr Umschichtungsgewinne grundsätzlich auch für die Zweckverwirklichung genutzt werden. Soll dies – nach dem Willen der Stifterin und des Stifters – nicht möglich sein, muss hierzu eine ausdrückliche Regelung in der Satzung enthalten sein. Diese gesetzgeberische Klarstellung spiegelt die Beratungsrealität wider, welche grundsätzlich immer darauf abzielen sollte, den verantwortlichen Stiftungsorganen satzungsseitig – in Übereinstimmung mit dem Stifterwillen – die größtmögliche Flexibilität im Hinblick auf die Zweckverwirklichung und damit auch auf die Mittelverausgabung zu ermöglichen.

FondsFibel: Was hat es mit dem Sondervermögen auf sich? Was kann das, was muss ich dazu wissen als Stiftung?

Benjamin Weber: Stiftungen des bürgerlichen Rechts können innerhalb ihrer Vermögensübersicht Sondervermögen bilden. Hierbei handelt es sich in Abgrenzung zu nicht rechtsfähigen Stiftungen um ein Vermögen, dass der Zuwender der Stiftung mit einer bestimmten Auflage schenkt, beispielsweise um es für einen bestimmten Zweck oder einen festen Destinatär im Rahmen der Zweckverwirklichung der empfangenen Stiftung zu verwenden. Anders als die nichtrechtsfähige Stiftung, die auch durch die Übertragung von Vermögen auf einen Rechtsträger mit der Auflage einer bestimmten Zweckerfüllung erfolgt, verfügt ein Sondervermögen nicht über ein eigenes Gremium, das über die Zweckverwirklichung entscheidet, weswegen ihm nach überwiegender Ansicht die steuerliche Subjektivität abgesprochen wird. Trotzdem kann das Sondervermögen als sog. Stiftungsfonds einen eigenen Namen – bspw. mit Hinweis auf die Spender – führen und hierbei auch die Begrifflichkeit „Stiftung“ tragen.

vtfds2023 - 4. Virtueller Tag für das Stiftungsvermögen

FondsFibel: Für Sie als Anwalt dürfte die Anlagerichtlinie eine hohe Bewandtnis haben. Wird diese qua Reform nun obligatorisch? Denn das Stiftungsrecht gibt ja den Rahmen vor, ich muss diesen aber eben auch mit Leben füllen…, oder?

Benjamin Weber: Anlagerichtlinien haben schon immer eine hohe Relevanz, weil sie den handelnden Personen im Zusammenhang mit der Vermögensanlage feste Regeln an die Hand geben, an denen sie sich orientieren können. Dies ist insbesondere deswegen von sehr großer Bedeutung, weil es zu den originären Pflichten der zuständigen Stiftungsorgane zählt, das Grundstockvermögen zu erhalten, um so die Ertragsquelle für die dauerhafte und nachhaltige Zweckerfüllung der Stiftung zu sichern. Eine Anlagerichtlinie kann hier eine wichtige Orientierung geben, wie dies – nach Einschätzung von Experten – ermöglicht werden kann. Wie in Frage 2 bereits ausgeführt, ist die Aufmerksamkeit für dieses Thema durch die Einführung der Business Judgement Rule nochmal gesteigert worden, weil eine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Vermögensanlage grundsätzlich dann ausscheidet, wenn das zuständige Organ sich bei seinen Anlageentscheidungen innerhalb der Anlagerichtlinie bewegt.

FondsFibel: Wenn es früher mündelsicher oder ertragreich und sicher hieß, könnte das im Heute und Morgen das Wort-Duo pflichtgemäß und zeitgemäß sein?

Benjamin Weber: Die ertragreiche Vermögensanlage bleibt für die verantwortlichen Stiftungsorgane eine der zentralen Aufgaben und Herausforderungen, um insbesondere die zeitnahe Mittelverwendung möglichst nachhaltig sicher zu stellen und damit die Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts einzuhalten. Die Einführung der Business Judgement Rule gibt den verantwortlichen Stiftungsorganen hierbei insoweit eine Orientierung als ihnen bei deren Einhaltung keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, d.h. ihre Entscheidung bei Einhaltung der satzungsmäßigen, gesetzlichen und sonstigen Vorgaben – insbesondere einer etwaigen Anlagerichtlinie – auf der Grundlage angemessener (Experten-)informationen sich im Rahmen des Vertretbaren bewegen und damit als pflichtgemäß anzuerkennen ist. Hier bietet die Einführung des sonstigen Vermögens eine zusätzliche Flexibilität. Da dieses nicht dem Vermögenserhaltungsgrundsatz des Grundstockvermögens unterliegt, kann es grundsätzlich risikobehafteter und damit nicht zwangsläufig mündelsicher angelegt bzw. eingesetzt werden. Diese neue Flexibilität ermöglicht eine zeitgemäße Vermögensanlage zugunsten einer möglichst ertragsreichen Vermögensanlage.

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FondsFibel: Das ist eine gute bzw. sehr gute Nachricht, wir danken Ihnen für Ihre Zeit und die tiefen Einblicke hinter die Kulisse der Stiftungsrechtsnovelle.