„Nachhaltigkeit ist eigentlich eine Menschenverstandsgeschichte“

Auf einen Besuch am offenen Bücherschrank in Bad Soden mit Matthias Knöß, Vorstand der Nele-Neuhaus-Stiftung

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Matthias Knöß
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Der Offene Bücherschrank in Bad Soden ist ein beliebter und belebter Treffpunkt in der kleinen Stadt im Taunus. Von dort sind es nur wenige Schritte bis in die Innenstadt. Matthias Knöß, Vorstand der Nele-Neuhaus-Stiftung, brachte seinen Hund mit zum Interview, und wir legten bei Apfelschorle und Cappuccino einfach los – und wie. Matthias Knöß gehört zu denjenigen Stiftungsverantwortlichen, die in so einer Phase wie aktuell eine Fülle von Chancen sehen. So auch die Idee, die beiden Pole Klimaschutz und Aktienfonds miteinander zu verbinden.

FondsFibel: Die Taunuskrimis kennen wir alle, die Nele-Neuhaus-Stiftung ist aber noch etwas unbekannter. Erzählen Sie uns zuerst etwas über die Stiftung.

Matthias Knöß: Naja, als die Stiftung vor 10 Jahren errichtet wurde, hatte sie noch keine richtige Agenda. Ok, Lese-, Schreib- und Sprachförderung für Kinder und Jugendliche,
klar, das ist aus Sicht meiner Frau Nele Neuhaus naheliegend, aber die Stiftungsarbeit war noch in den Kinderschuhen. Das Thema Stiftungsvermögen, wir reden wohlgemerkt über lediglich 300.000 EUR, wurde über Anleihen erledigt, n‘ bisschen nach der Richtschnur ‚bloß nichts falsch machen‘. In den Corona-Jahren haben wir aber im Fundraising gut abgeschnitten, 2020 und 2021 konnten wir jeweils gut 100.000 EUR an Spenden verbuchen, 2022 waren es gut 65.000 EUR.

FondsFibel: Also ist Fundraising für Sie schon ein wichtiges Instrument, um die Kraft der Stiftung auf der Ausgabeseite zu stärken?

Matthias Knöß: Es hilft ja nichts, über hohe Kurse, hohe Risiken und niedrige Zinsen zu lamentieren. Letztlich ist die Stiftung ein Kapitalkörper, der einem Stiftungszweck zu dienen hat. Der Erfolg der Stiftung ist aber nicht von diesem Kapitalkörper abhängig, davon müssen Stiftungsverantwortliche in meinen Augen mal weg. Der Kapitalkörper muss erhalten werden, und dann soll er Erträge erwirtschaften für den Zweck. Die Menschen aber sind die Erfolgsfaktoren, die Projekte, die sichtbare Wirkung bringen und die Menschen begeistern, das ist das, was eine Stiftung ausmacht. Nur mit glühendem Herzen kann ein Projekt zum Erfolg werden. Am Ende schaut man in 500 lachende Augen, dann weiß eine Stiftung, dass ein Projekt funktioniert hat. Weil wir das schaffen, bekommen wir Spenden, wohlweißlich, dass wir einen prominenten Namen einsetzen können, der auch für Kooperationspartner wie die Stiftung Polytechnische Gesellschaft in Frankfurt sehr spannend ist. Durch uns erlangen auch große Stiftungen eine Sichtbarkeit, die sie allein so nicht bewerkstelligen können.

Matthias Knöß

FondsFibel: Die Respekt-Kampagne des Landes Hessen ist ja so ein Beispiel.

Matthias Knöß: Absolut. Wenn man ein Projekt in einer 360-Grad-Betrachtung aufsetzt, dann gehört Sichtbarkeit dazu, und wenn die von einer anderen Stiftung kommt, dann zahlt das auf das Projekt als Ganzes ein. Es kann aber auch sein, dass ein Projekt mal scheitert, dann ist uns auch schon passiert, aber wir haben es dann wenigstens probiert. Die Reputation der Stiftung hat dabei nicht gelitten, aber wir waren um Erfahrungen reicher. Würden wir Dinge nicht probieren, dann würden aus der Stiftungslandschaft auch keine Impulse mehr ausgehen, und das halte ich für ein essentielles Alleinstellungsmerkmal dieses Sektors. Das was wir in Kleinen ausprobieren, kann gesamtgesellschaftlich ja hochrelevant werden.

FondsFibel: Wo hat Ihre Stiftung die Corona-Phase genutzt?

Matthias Knöß: Wir machen schon lange das Programm „Mentor, die Leselernhelfer“. Nele Neuhaus ist Schirmherrin in diesem Projekt mit mehr als 15.000 Lesepaten. Diese gingen in die Schulen, haben gelesen, „Vier gewinnt“ gespielt. Mit Corona war dies vorbei. Das brachte uns dazu, eine App zu konzipieren, die das Prinzip der Lesepatenschaften digitalisiert. Um das auf den Weg zu bringen, haben wir die Stiftung Leseallianz gUG gegründet, die Kinder und ehrenamtliche Lesepaten digital zusammenbringt. Der Pate sitzt bspw. in Hamburg, die Kinder lesen in München, in Magdeburg, in Freiburg, wo auch immer. Gemeinsam spielen sie auch. Eine Künstliche Intelligenz zeichnet demnächst den Lernerfolg auf, so dass wir zeigen können, dass es wirkt. Dieselbe Technologie nutzt auch der Klett-Verlag bald in eigenen Anwendungen. Wir waren mit dem Projekt in der Hessischen Staatskanzlei auf einer Pressekonferenz. Die App kostet eine geringe Gebühr pro Monat, die aber etwa bei Transferempfängern über das Bildungs- und Teilhabepaket abgedeckt wird. Gleichzeitig ist ein Buchguthaben für ein E-Book renommierter Kinderbuchverlage enthalten. Aus diesem Corona-Projekt ist also richtig was entstanden.

FondsFibel: Das beeindruckt natürlich. Sie haben aber auch für die Vermögenssphäre ein Konzept an den Start gebracht.

Matthias Knöß: Letztlich war auch das ein Projekt, das mich über Jahre beschäftigt hat. Mich treibt es um, dass die Verwaltung vieler Stiftungsvermögen nicht stiftungsgeeignet ist. In den Stiftungsgremien fehlt es an Wissen und Verständnis, in den Banken und Vermögensverwaltungseinheiten an Wissen und Verständnis über Stiftungen bzw. den Stiftungssektor. Diese beiden Seiten treffen sich, aber am falschen Punkt. Für das Stiftungsvermögen muss auf beiden Seiten nachgebessert werden. Und so heterogen der Stiftungssektor ist, so homogen ist doch der Wunsch, sich um den Zweck kümmern zu können. Dafür brauche ich Erträge, und am besten eine Anlagerichtlinie, an die ich mich aber dann halten muss. Was Stiftung eint ist, dass sie kein Ablaufdatum haben. Entsprechend klein ist eigentlich der Anlagedruck.

FondsFibel: Also ist es nicht schlimm, wenn das Geld mal 3 Monate auf dem Konto liegt und sich nicht verzinst?

Matthias Knöß: Nein, ist es nicht, problematisch wird es dann, wenn es drei Jahre auf dem Konto liegt, denn dann sind die Stiftungsgremien entscheidungsschwach, weil ihnen ein Konzept für die Verwaltung des Stiftungsvermögens fehlt. Was mir hier auch fehlt ist eine Haltung zum Thema Nachhaltigkeit. Eigentlich ist das eine Menschenverstandsgeschichte. Nachhaltig heißt, ich mache nichts kaputt, ich tue nichts Schlechtes. Impact bedeutet wiederum, dass ich wirklich wirke. Aus Stiftungssicht ist das nachhaltige Anlegen Pflicht, da Stiftungen ja eben genau nicht der Gesellschaft oder der Gemeinschaft schaden sollen. Im Gegenteil.

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FondsFibel: Qua DNA sollten Stiftungen nachhaltig anlegen.

Matthias Knöß: Ganz genau, natürlich geben Dinge wie die Sustainable Development Goals hier auch einen Rahmen vor, der allerdings eher für Staaten gemacht wurde. Die SDGs sind aber Entwicklungsziele, die ich teile, daher sind sie ein Rahmen, in dem sich eine Stiftung durchaus bewegen sollte. Hierbei ist der Umwelt- und Klimaschutz ein Synonym für Weitblick, der im Übrigen unseren deutschen Mittelstand auszeichnet. Ist die Umwelt zerstört, brauchen wir uns über ‚equal pay‘ keine Gedanken mehr zu machen. Also ist Klima die Klammer, die über allem steht. Übersetze ich das in Anlageklassen, lande ich in meiner Wahrnehmung bei der Aktie. Diese Aktien wiederum will ich haben, in diese will ich investiert sein, denn die dahinterstehenden Unternehmen schaffen Werte auf Basis verantwortungsvollen Wirtschaftens. Schließlich ist für mich der 1,5 Grad-Pfad bindend, der für jede Branche und für jedes Unternehmen gilt. Darauf haben wir uns alle geeinigt, also begeben wir uns auf diesen Weg. Zusammen genommen kam hier der Klimazielfonds heraus.

FondsFibel: Diesen Fonds haben Sie persönlich initiiert?

Matthias Knöß: Ja, der Klimazielfonds wurden von mir auf den Weg gebracht, das Portfolio setzt sich zusammen aus Unternehmen in Europa und Nordamerika, die sich bereits auf dem 1,5 Grad-Pfad befinden. Right Base on Science unterstützt uns hier bei der Auswahl. Aus 6.000 Aktien, die sich für eine Selektion eignen, bleiben am Schluss noch 200 übrig. Diese werden dann einer SDG-Prüfung unterzogen, so dass das final investierbare Aktienuniversum aus 120 Werten besteht. Davon wandern circa 60 in den Fonds.

FondsFibel: Also ist der Klimazielfonds ein Baustein, die Aktienquote im Stiftungsvermögen und damit das Stiftungsvermögen als Ganzes auf den 1,5 Grad-Pfad zu bringen?

Matthias Knöß: Das würde ich so sehen. Auf dem Fonds steht drauf was drin ist, Stiftungen holen sich hier Aktien in ihr Depot, bei denen die Unternehmen dahinter bereits auf dem 1,5 Grad-Pfad unterwegs sind. Für die Asset Allocation einer Stiftung braucht es in meinen Augen solche klar definierten Anlagebausteine, denn deren Produktnutzung muss auch mit der Zeit gehen. Im Übrigen sind die meisten Stiftungen für mich prädestiniert für die Fondsanlage. Für das Streuen eignen sich Fonds perfekt, dazu sind sie buchhalterisch einfach abzubilden. Für mich ist die Fondsanlage der Weg hin zu professionellerem Stiftungshandeln, und ich bin überzeugt, dass professioneller auch bessere Ergebnisse bedeutet.

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FondsFibel: Wege entstehen dadurch, dass man sie geht. Wusste schon Franz Kafka. Wir danken Ihnen für Ihre Zeit, und jetzt kann ihr Vierbeiner auch wieder losstürmen.