Stiftungen sind hüftsteif und männlich durchformt

Unsere 3 Lehren vom diesjährigen 11. Baseler Stiftungstag

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3 Lehren Stiftungstag Basel 2022
Lesezeit: 4 Minuten

Stiftungen sind n‘ bisschen hüftsteif und männlich durchformt, so wurde es in der Abschlussdiskussion beim 11. Baseler Stiftungstag am 30.8.2022 von einem der Diskutanten formuliert. An anderer Stelle wurde die Frage aufgeworfen, warum der Stiftungssektor eine scheinbar geschlossene Gesellschaft ist. Das alles stand im Kontext der Frage, was Stiftungen in der Gesellschaft leisten sollen. Es waren also viele grundsätzliche Fragen, die das Programm zu diskutieren suchte. Aber der Reihe nach.

Natürlich wie das so ist mit einer Reise in die Schweiz, die beginnt ausgehend von einer Stadt in der Mitte Deutschlands immer sehr früh. Der Welcher klingelte also noch vor 5 Uhr, solche Strapazen nimmt nur auf sich, wer fest daran glaubt, von einer Veranstaltung nicht enttäuscht zu werden. Um es vorweg zu nehmen: Der 11. Baseler Stiftungstag enttäuschte nicht. Im Gegenteil. Aus ein paar Notizen, am Rande von Vorträgen und Diskussionen mitgekritzelt, wurde eine ellenlange Mail mit Fragen und Gedankengängen, die einen Stiftungsmenschen künftig tatsächlich umtreiben dürften. Da war zunächst einmal die Frage nach dem Mut, der Bereitschaft, als Stiftung ins Risiko zu gehen.

Lehre Nummer 1: Stiftungen können ins Risiko gehen

Es war der Auftaktimpuls von Nicola Forster von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, der sich dieser Frage annahm. Sofort synapste es bei vielen Stiftungsverantwortlichen vor Ort. Natürlich können Stiftungen eine höhere Risikobereitschaft zeigen, im Ausprobieren neuer Lösungen, im Anberaumen von Kooperationen, im Formulieren von Ideen für das gemeinsame Morgen. Für mich stellt sich aber einerseits die Frage nach dem Können, zum Anderen aber eher die nach dem Müssen. Müssen Stiftungen vielleicht etwas risikobereiter sein in Zukunft, um ihrem Tun noch mehr Relevanz zu verleihen? Und liegt in dieser höheren Risikobereitschaft vielleicht auch eine Chance, manchen Komplexitätsknoten zu durchschlagen, der das Lösen gesellschaftlicher Probleme behindert?

Stiftungstag Basel Nicola Forster, Timo-Steiner
Zwei Stiftungsexperten im Gespräch: Auf dem 11. Baseler Stiftungstag trafen wir Nicola Forster von der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft und Timo Steiner, Stiftungsexperte bei der GLS Bank Freiburg.

Stiftungen können ausprobieren, anstoßen

Sicherlich, das ist keine Frage, die sich pauschal beantworten lässt. Aber allein, dass auf einem Stiftungstag derlei als Gedanke formuliert wurde, fand ich spannend und ermutigend. Denn wenn es Akteure gibt, die Dinge ausprobieren oder anstoßen können, um ggf. den Diskurs zu motivieren oder zu aktivieren, dann sind das Stiftungen. Sie können sich Dinge trauen, die der Einzelne sich nicht trauen kann und die sich die Politik vielleicht nicht trauen darf. Umso wichtiger ist es – Stichwort Shrinking Spaces – der Stiftungslandschaft bzw. dem Stiftungssektor genug Luft zum Atmen zu lassen. Ideen und Lösungen entstehen nicht, wenn aus der Käseglocke immer mehr Luft abgesaugt wird, sondern wenn derlei ohne Käseglocke stattfinden kann. Was uns zu Lehre Nummer 2 bringt.

Lehre Nummer 2: Es braucht Räume für Kommunikation

Damit genau das stattfinden kann, braucht es Räume. Weniger die Labore, in denen unter Idealbedingungen ausprobiert werden, sondern Räume zum Austausch. Exakt diese Räume können Stiftungen schaffen, und dessen sind sich Stiftungen auch immer stärker bewusst. Dies sind dann Räume für Themen, aber eben auch für die Generationen, das kam im Biozentrum zu Basel deutlich heraus. In diesen Räumen bringen sich die Menschen ein und erarbeiten dann „am gesellschaftlichen Morgen“. Da Stiftungen selbst permanent über ihre Projekte am Bild des zukünftigen Zusammenlebens arbeiten, wären sie prädestiniert, diese Räume zu bauen, zu öffnen und kommunikativ zu bespielen. Übrigens sind diese auch Räume, in denen Kommunikation zwischen Menschen und Politik stattfinden kann, die so kaum mehr möglich wäre. Das war spannend zu hören.


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Warum sind Stiftungen eigentlich eine geschlossene Gesellschaft?

Genau der Aspekt Kommunikation aber bringt uns zu Lehre Nummer 3, und diese ist für Stiftungen nicht unbedingt ein Ruhmesblatt. Lehre Nummer 3 vom 11. Baseler Stiftungstag lautet: Stiftungen brauchen die Jungen, nicht umgekehrt. Doch dafür muss es Voraussetzungen geben, an denen es derzeit noch vielerorts mangelt. Warum gibt es keine Amtszeitbeschränkung in den Gremien vieler Stiftungen? Warum werden junge Menschen nicht in Gremien berufen mit der Begründung „Jetzt noch nicht“? Warum sind Stiftungen eigentlich so männlich durchformt? Diese Fragen warf das Abschlusspanel des Stiftungstags auf, und warf damit ein Schlaglicht auf das „hüftsteife“ Agieren im Stiftungssektor. Denn damit Gemeinwesen künftig gelingt, dafür braucht es auch die Jungen, nur wenn der maßgebliche Akteur dafür (=Stiftung) das nicht abbildet, fällt er für dieses Gestalten praktisch direkt aus.

Zusammengefasst

Bei allen lockeren Gesprächen im Rahmend des 11. Baseler Stiftungstags nehme ich für mich die Erkenntnis mit, dass auch die harten Themen sich ihren Weg bahnen. Warum der Stiftungssektor so eine geschlossene Gesellschaft ist, dass Stiftungen die Pflicht haben, das Generationengespräch zu fordern, solche Impulse zeigen die Flughöhe der Diskussion. Auch die Forderung, dass Stiftungshandeln das Partizipieren der Jüngeren ermöglichen müsse, löste sofort etwas aus, das war zu spüren. Ein Diskutant meinte, man müsse den Jüngeren den Weg in die Instanzen von Stiftungen bauen, diese Formulierung war in ihrer Klarheit etwas Besonderes – und bedeutet letztlich für den Stiftungssektor an sich viel Arbeit. Aber davor, und das nehme ich aus Basel mit, haben immer mehr Stiftungen keine Angst. Im Gegenteil. Sie freuen sich drauf. Sie wo wir auf den 12. Baseler Stiftungstag im kommenden Jahr.