Wichtige Aufgaben harren

Berliner Stiftungswoche: So (!) geht Aufmerksamkeit / Alena Buyx: „Es kommt das Jahrzehnt der Stiftungen“

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Stefan Preuss Stiftungswoche
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Stiftungen sind nicht nur unverzichtbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Gesamtgefüges, ihnen werde in der Zukunft eine noch viel wichtigere Rolle in der Bewältigung wichtiger Aufgaben zukommen. Das prophezeite Alena Buyx in ihrer „Berliner Stiftungsrede“ zum Auftakt der Stiftungswoche in der Hauptstadt.

Sichtbarkeit von Stiftungen verbessern

Die Sichtbarkeit von Stiftungen und derer Projekte und Meilensteine zählt zu den Dauerthemen des Sektors. In Berlin, Sitz des Bundesverbandes, soll die Stiftungswoche Wesen und Wirken der Berliner Stiftungslandschaft sicht- und erlebbar machen. Ein zentrales Tool für dieses Ziel ist die Berliner Stiftungswoche, während der bekannte und auch weniger bekannte Stiftungen ihre Arbeit, Projekte und Ideen vorstellen. Diese – wenn man so will – Präsentationsplattform wird nun im 15. Jahr weiter institutionalisiert: Es wurde der Verein zur Stiftungswoche gegründet, der nach Angabe der Initiatoren „noch offener und partizipativer auftreten kann“

Stiftungswoche institutionalisieren

Der Verein ist zugänglich für alle Stiftungen, die konkret mitmachen und mitgestalten wollen. So erreiche man insgesamt mehr Stiftungen, schaffen mehr Synergieeffekte und stärke Berlin Schritt für Schritt als „Stiftungshauptstadt“, heißt es. Die jährliche Stiftungswoche werde einen zentralen Bestandteil des Vereinskalenders darstellen. Mitglieder erhalten automatischen Zugang zu dieser Veranstaltung, wobei der Mitgliedsbeitrag alle anfallenden Kosten abdeckt. „Ihre Stiftung kann somit ohne zusätzliche Gebühren an der Stiftungswoche teilnehmen“ werben die drei Sprecher Dr. Anna Kraftsoff (Deutsches Stiftungszentrum), Dr. Katja Naie (Schering Stiftung) und Steffen Schröder (Bürgerstiftung Berlin). Durch die Teilnahme an den regelmäßig stattfindenden Vereinstreffen eröffnen sich Möglichkeiten zur fachlichen und persönlichen Vernetzung. Diese Treffen sind gedacht für den Austausch von Erfahrungen und die Entwicklung neuer Ideen. Zudem will sich der Verein eine starke Stimme gegenüber der Berliner Landespolitik erarbeiten: Der Verein kann die Interessen der Stiftungen bündeln und mit einer gewichtigen Stimme im Dialog mit Senat und Abgeordnetenhaus vorbringen.

Aufmerksamkeit  zahlreichen Veranstaltungen

Das wichtige Thema der Sichtbarkeit von Stiftungen und deren Arbeit wird während der Stiftungswoche geradezu vorbildlich adressiert. Angebote wie historische Spaziergänge der Fürst Donnersmarck-Stiftung zu Berlin, Konzerte mit dem Trio Flott des Evangelisches Johannesstift, ein Blick hinter die Kulissen mit der Stiftung Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (siehe Foto) und viele weitere Führungen, Workshops, Diskussionen, Online-Veranstaltungen und vieles mehr lockten zahlreiche Teilnehmer an.

Annette Scholl von der KWG-Stiftung führte hinter die Kulissen der Gebäude, unter anderem in den Turm der Alten Kirche.
Annette Scholl von der KWG-Stiftung führte hinter die Kulissen der Gebäude, unter anderem in den Turm der Alten Kirche. Quelle: Stefan Preuß, Bildarchiv stiftungsmarktplatz.eu

Stiftungsrede 2024 von Alena Buyx

Dass es auch in Zukunft nicht nur genügend Betätigungsfelder für Stiftungen geben wird, sondern dass deren Bearbeitung immer dringlichere Adressierungen benötigt, davon zeigte sich Alena Buyx während ihrer Berliner Stiftungsrede im Roten Rathaus überzeugt. Ihre Botschaft, heutzutage heißt sowas ja „Take Home Message“, lautet: Weil Stiftungen in zahlreichen Handlungsfeldern tätig werden können, sollten sie das auch dringend tun – einfach weil Politik und Verwaltung zu langsam, zu beengt seien. „Wir sind eine ausnehmend belastete Gesellschaft, und das wird so bleiben. Wir haben viele Probleme, und die Lösung sind Sie“ forderte die Medizinethikerin die etwa 400 versammelten Stiftungsvertreter zum Handeln auf: „Wir brauchen Sie als Brückenbauer“ nahm Buyx das Motto der Stiftungswoche auf.

Alena Buyx, Joe Cjhiaro und die Organisatoren der Berliner Stiftungswoche freuten sich über den gelungenen Auftakt im Roten Rathaus.
Alena Buyx, Joe Cjhiaro und die Organisatoren der Berliner Stiftungswoche freuten sich über den gelungenen Auftakt im Roten Rathaus. Quelle: Stefan Preuß, Bildarchiv stiftungsmarktplatz.eu

Schnell handeln – ohne Fußfesseln

Sie machte den Stiftungsvertretern Mut, denn Stiftungen hätten höchste Zielsetzungs- und Gestaltungsfreiheit. Sie berichtete dazu aus ihrer eigenen Stiftungserfahrung in der Bucerius-Stiftung, die ein Programm zur Verteidigung der Wissenschaft und vor allem angegriffener „WissenschaftlerInnen (Wissenschaft unter Druck“) in einer Geschwindigkeit erkannt, adressiert und umgesetzt habe, die im Politik- oder Wissenschaftsbetrieb undenkbar sei. Stiftungen können interdisziplinär arbeiten, Out of the box-Visionen entwickeln und „ohne Fußfesseln handeln“ nannte sie als entscheidende Vorteile.

Stiftungen in zahlreichen Handlungsfeldern gefragt

Die Ethikerin breitete mehrere besonders wichtige Handlungsfelder für Stiftungen aus: Gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern, Einsamkeit zurückdrängen, die sozialökologische Transformation konstruktiv begleiten, Pluralität und Demokratie fördern, Ideen für gute Integration entwickeln und umsetzen sowie einen konstruktiven Umgang mit dysfunktionalen Ereignissen innerhalb der Verwaltung/Bürokratie finden.   Denn in all diesen Bereichen sei die Politik kaum in der Lage, entscheidende Verbesserungen herbeizuführen. Eine Einschätzung, die Joe Chialo, Berliner Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt,“ „fast traumatisierte“, wie er in der Diskussionsrunde meinte.

Dicke Bretter zu bohren

Stiftungen haben dicke Bretter zu bohren, machte Buyx deutlich. Das Thema Einsamkeit zum Beispiel sei nicht auf die ältere Generation beschränkt, sondern betreffe alle Altersklassen. Physische und psychische Auswirkungen seien als individuelle Folgen bekannt, aber die Neigung einsamer Personen, extreme politische Positionen einzunehmen, wirkt auch auf die Gesellschaft. Ob bei der sozial-ökologischen Transformation, der Wiederbelebung des konstruktiven Streits oder in der Migrationsdebatte jenseits des toxischen Bereichs – stets müssen die Stiftungen den Bereich Kommunikation beachten, forderte Buyx. Chialo erinnerte an die „unglaubliche Leistung“ der Zivilgesellschaft bei der Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine. Dies hätte allerdings sehr viel mehr kommuniziert werden müssen, auch auf Social Media, resümierte Buyx, denn: „Zusammenhalt ist ein Gefühl, das man hebeln muss.“ Sie warb dafür, success stories in allen Darstellungsformen zu verbreiten, um so das Wirken von Stiftungen deutlich zu machen.

Zusammengefasst

Die Berliner Stiftungswoche und die Gründung des Vereins zu deren Institutionalisierung sind genau das, was der Stiftungssektor benötigt: Vernetzung, Sichtbarkeit, Kommunikationskanal zur Politik und vielen weiteren Stakeholdern des öffentlichen Lebens.