Stiftungen und die Governance-Frage

Ukraine-Krise AKTUELL: Sind Emerging Markets aktuell eine attraktive Möglichkeit und gehören sie ins Stiftungsportfolio?

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Governance
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Unternehmen und Haushalte in Deutschland ächzen unter hohen Preisen für Rohstoffe. Inflation ist für viele das Unwort dieser Tage. Für viele Unternehmen und Staatshaushalte aus den Emerging Markets ist dies aber gleichbedeutend mit hohen Einnahmen. Davon könnten Stiftungen profitieren. Aber wollen und sollten sie auch? Eine Abwägung zu Governance-Gesichtspunkten aus Stiftungssicht heraus.

Welche Auswirkungen hat der russische Überfall auf die Emerging Markets? Dieser Frage ging die UBS im Rahmen einer Web-Konferenz nach. Urs Antonioli, Head of EM EMEA + Latin America der UBS, schickte voraus, dass zu den vielen Risiken von COVID bis Inflation nun auch noch die Unsicherheit um die ökonomischen Auswirkungen des Krieges stoßen. Damit sei das gesamte Investmentumfeld nochmals schwieriger geworden. Die Analysten bei UBS gehen nicht davon aus, dass der Krieg auf ukrainischem Boden zeitnah beendet wird. Das bedeutet: „Wir werden höhere Energiepreise auf Jahre hinaus sehen“, so Antonioli. Das lässt Otto Normalberufspendler schaudern, sorgt aber für immens erhöhte Einnahmen bei Öl- und Gasunternehmen. Damit rücken unter anderem Länder im Mittleren Osten in den Fokus, aber auch Lateinamerika mit Förderländern wie Brasilien und Venezuela. Selbst Afrika mit den Ölexporteuren Nigeria und Angola erscheint damit auf der Landkarte der Investitionsziele.

Alle Arten von Rohstoffen sind von Verteuerung betroffen

Rohstoffe, das bedeutet natürlich nicht nur Energie. Die UBS erwartet auch dauerhaft spürbar erhöhte Preise für Metalle, insbesondere Palladium, Aluminium und Nickel. Hinzu kommen nachwachsende Rohstoffe etwa für die Nahrungsmittelerzeugung wie Getreide und Ölpflanzen. Antonioli sieht Länder wie Brasilien, Mexico und Saudi-Arabien als Hauptprofiteure dieser Entwicklung, auch Thailand, Malaysia und Indonesien würden profitieren. Grundsätzlich sieht UBS Emerging-Markets-Staaten besser auf die aktuellen Inflationstendenzen vorbereitet als früher.

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Für China zeigen sich Verantwortliche besonders optimistisch

Emerging Markets, dabei handelt es nach Auffassung der Schweizer um 80% Asien, 10% Lateinamerika und 10% Mittlerer Osten und Afrika. Innerhalb der ohnehin dominierenden Region nimmt China die herausragende Stellung ein. Denise Cheung, Lead Analystin für China bei der UBS, zeigte sich während der Web-Konferenz sehr bullish (=optimistisch) für Werte aus China. Der regulative Einfluss im vergangenen Jahr habe sich zwar negativ auf die Wertentwicklung vieler chinesischer Aktien ausgewirkt, die wichtigen Trends seien aber intakt. Cheung nannte als wichtige Ziele für die chinesische Regierung öffentliche Sicherheit, Stabilität des Finanzsektors sowie die allgemeine Steigerung des Wohlstandes. Auch Maßnahmen zur Abfederung der Probleme durch die Auswirkungen der Überalterung der Gesellschaft würden viele Investitionschancen eröffnen.

Spannungen ja – aber keine Alternative zu China

Am wichtigsten war es Cheung aber herauszustellen, dass in China der Umweltschutz eine große Rolle spiele. Entsprechend werden hier hohe Investitionen getätigt. In Europa werde die Stromerzeugung mit Kohlekraftwerken wahrgenommen und weniger die ambitionierten Ausbauziele der Erneuerbaren Energien, die konkret umgesetzt würden. Bleibt noch der Streit zwischen den USA und China in vielen Fragen, von Taiwan bis zu Produktpiraterie, von Handelshemmnissen bis hin zu Einmischungsversuchen. „Wir sehen die Spannungen zwischen den USA und China, wir sehen aber auch, dass die USA weiterhin stark in China einkaufen.“ Alternative Lieferketten zu China seien nur sehr schwer umzusetzen, und sie wären deutlich teurer als der status quo. Von daher sieht Cheung weiterhin sehr gute Investmentchancen in China.


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Grüne Energie, Healthcare, Finanzsektor

Neben grüner Energieerzeugung sieht Cheung insbesondere im Bereich Healthcare und Pharmazie-Dienstleistung sehr gute Aussichten. Gerade in der Pharma-lieferkette seien chinesische Dienstleister absolut unverzichtbar. Und auch der Finanzsektor, durch einige Immobilienunternehmen in Verruf geraten, biete eine Fülle an aussichtsreichen Investments in eine gute Bilanz. China zähle zu den aktivsten IPO-Märkten weltweit, gerade durch Neuemissionen würden sich eine Vielzahl von Möglichkeiten ergeben. Vor allem die Auswahl der Hersteller von Elektroautomobilen sei stark gestiegen und biete bei seriöser Selektion Chancen.

Was nutzen gute Basisdaten, wenn die große Linie zusammenbricht?

Bei aller Begeisterung der Emerging Markets-Spezialisten der UBS für Emerging Markets Investments – etwas anderes war ja nicht zu erwarten – werden die Grenzen des gepflegten Bottom-up-Ansatzes eingeräumt. Es sei wichtig, nicht nur auf die üblichen Kennzahlen der Zielunternehmen zu schauen, sondern auch die Top-Down-Faktoren für Länder, Branchen und Geschäftsmodelle zu betrachten. Gleichzeitig müsse auf die Governance-Qualität der Zielunternehmen geachtet werden. „Im Moment hinkt die Governance-Qualität der meisten EM-Unternehmen denen in westlichen Ländern hinterher.“, räumt Antonioli ein. Umso wichtiger sei es, über direkte Kontakte und das Abstimmungsverhalten Einfluss auszuüben.

Einschätzung

Emerging Markets zählen zu den Satelliten-Investments, die ohne Zweifel in ein gut ausbalanciertes Stiftungs-Portfolio gehören. Denn künftige Prosperität gehört heute ins Stiftungsvermögen. Das kann durchaus durch spezialisierte EM-Fonds im Stiftungsportfolio abgebildet werden. Natürlich sind die ökonomischen Argumente durch die hohen Preise verlockend. Zumindest bei nicht-nachhaltigen EM-Fonds droht Stiftungen allerdings ein Batzen fossiler Energie und/oder industrieller Landwirtschaft ins Portfolio zu drängen. Es ist anzunehmen, dass das nicht in allen Gremien goutiert würde. Und schließlich stehen die politischen Risiken über solchen Engagements: Wer mag schon abschätzen, wie sich Brasiliens Demokratie entwickelt, wer die politischen Gemetzel im Nahen Osten? Bottom-up mag es derzeit für sehr viele Unternehmen aus den Emerging Markets gut aussehen. Aber Top-Down hilft bei Unruhen oder Sanktionen auch eine gute Bilanz nicht wirklich weiter.

Zusammengefasst

Aktuell drängt sich ein Neu-Engagement in Emerging Markets angesichts der Unwägbarkeiten nicht eben alternativlos auf. Wenn, sollte es unbedingt ein ESG-ausgerichteter EM-Fonds sein, gerne mit Fokus auf die Governance. Ein gutes Beispiel haben wir dazu in der Rubrik „Die Neuen“. Stiftungen, die aktuell besondere Chancen in Emerging Markets sehen sollten vor allem jene stiftungsgeeigneten Fons selektieren, die einen höheren Anteil an EM-Engagements pflegen. Hier unterscheiden sich die global anlegenden Fonds doch spürbar.