Diversifikationsgebot, das erste Gebot

#vtfds2021 aktuell: Ein Stiftungsfonds macht noch lange keinen Renditesommer

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Diversifikation das erste Gebot
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#vtfds2021 aktuell: Diversifikation, ihr müsst diversifizieren. Diese Handlungsanweisung wird Stiftungsverantwortlichen schnell ins Pflichtenheft geschrieben. Aber so einfach ist das eben nicht, denn in vielen Fällen wir ‚diversifizieren‘ mit einem oder ein paar Stiftungsfonds übersetzt, oder mit drei vier Fonds eines Fondsanbieters, aber genau an diesem Punkt wird die Fondsanlage von Stiftungen zur Sollbruchstelle. Denn Diversifikation im Stiftungsvermögen findet auf mehr als einer Ebene statt.

Wenn unsere Oma früher erzählt haben, wie sie ihr Geld anlegen, dann war das eine langweilige aber auch eine schnell erzählte Geschichte. Ein Drittel Steine, eine Drittel Anleihen, ein Drittel Aktien. Und mit Steinen sind Immobilien gemeint, klar. Dieser Drittelmix aber würde heute als gekonnte und zielgerichtete Diversifikation verkauft, als Strategie, als virtuoses Spiel mit den Anlageklassen. Dabei war es das gar nicht, unsere Omas sind einfach ihrem gesunden Menschenverstand gefolgt und haben eben genau nicht alles auf eine Karte gesetzt. Sie haben drei Dinge zur Auswahl gehabt, und weil dies bei ihren Eltern schon so gut funktionierte, haben sie es ihnen schlicht nachgemacht.

FÜRS STIFTUNGSVERMÖGEN ÜBERN TELLERRAND SCHAUEN

Stiftungen könnten für ihr Stiftungsvermögen derlei auch einfach nachmachen, denn Beispiele, wie Stiftungen im Stiftungsvermögen diversifizieren, gibt es zuhauf. Die ältesten unter den alten Stiftungen in Deutschland sind so alt geworden, weil sie ihr Stiftungsvermögen über Jahrhunderte hinweg diversifiziert haben, vor allem haben sie keine Anleiheunwucht zugelassen. Viele Stiftungsvermögen in den Ländern um Deutschland herum wurden und werden breit gestreut angelegt, weil dies den Anlagewunsch vieler Stiftungen am nächsten kommt, eben nicht nur auf Einnahmen aus einer einzigen Quelle zu setzen. Viele in den Niederlanden oder Großbritannien aufgelegte Income-Fonds-Strategien fußen auf genau diesen speziellen Erfordernissen.



VERANSTALTUNGSTIPP: Zum Thema Asset Allocation im Stiftungsvermögen bzw. den Parametern für Stiftungsvermögen 2030 diskutieren beim 2ten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen am 12.5.2021 ab 10 Uhr Matthias Kopp vom WWF, Andreas Fiedler (EB-SIM), Arndt Funken (Aquila Capital) und Hans-Dieter Meisberger von der DZ Privatbank – live auf www.vtfds2021.de.

YALE-MODELL ALS ‚ROLE MODEL‘

In den USA ist das Yale-Modell (Hinweis an der Stelle: David Swensen, der „Vater“ des Yales-Modells, verstarb vor Kurzem nach schwerer Krankheit, sein Buch „Erfolgreich investieren“ ist jedem Stiftungsvorstand nur wärmstens ans Herz zu legen) für das Veranlagen von Stiftungsvermögen heute das so genannte ‚Role Model‘ für Asset Allocation im Stiftungsvermögen. Es gibt sogar Fonds die versucht haben oder versuchen, diese breite Diversifikation nachzubauen, mit überschaubarem Erfolg. Diese Grundphilosophie, nicht nur auf eine Anlageklasse zu setzen und eben über einen Mix aus Anlagen den Stifterwillen ins Hier und Jetzt zu übersetzen, wird hierzulande bedauerlicherweise in zu wenigen Stiftungen aktiv umgesetzt.

ES GIBT MEHRERE ROTE LINIEN FÜR DIE DIVERSIFIKATION

Aber Diversifikation über Anlageklassen hinweg ist auch nur eine rote Linie, entlang der Stiftungsverantwortliche agieren sollten. Diversifikation über Anbieter hinweg ist eine zweite, es entspricht nicht dem Diversifikationsgebot sich nur auf Fonds oder das Knowhow eines einzelnen Anbieters oder Vermögensprofis zu verlassen. Das ist in gewisser Weise auch eine Portion Spekulation, die Stiftungsverantwortliche sich aber nicht auf den Tisch holen sollten. Denn die Frage ist ja, ob Sie glauben bzw. beurteilen können, dass der eine Fondsanbieter für die einzelnen Fondsstrategien immer die richtigen Entscheidungen trifft. Erfahrungsgemäß tut er das nicht, er liegt nicht immer richtig, sondern auch mal daneben, hat eine Stiftung nur Fonds eines Anbieters, ist sie dem dann ausgeliefert – und eben von der Strategie her nicht diversifiziert.

STIFTUNGSVERMÖGEN MUSS RESILIENT SEIN

Denn über Fondsanbieter hinweg zu diversifizieren bedeutet auch, über Anlagestile bzw. Anlagestrategien hinweg zu diversifizieren. Keine Anlagestil ist die Garantie für immer sprudelnde ordentliche Erträge, und eine Anlagestrategie allein macht ein Stiftungsvermögen auch hochgradig anfällig für den Moment, wenn diese eine Strategie eines Stiftungsfonds oder eines stiftungsgeeigneten Fonds nicht funktioniert. Das Stiftungsvermögen ist dann genau nicht resilient, womit auch das nachgeordnete Ziel des Kapitalerhalts des Stiftungsvermögens kaum mehr wird erreicht werden können. Resilienz speist sich aus verschiedenen Strategien, aber auch verschiedenen Stilen, die optimalerweise auch wenig bis gering miteinander korreliert sind.

BEIM DIVERSIFIZIEREN DEN STIFTERWILLEN IM KOPF HABEN

Stiftungen sollten bei der Diversifikation immer den Stifterwillen im Ohr oder vor dem geistigen Auge haben. Dieser sieht die Zweckverwirklichung vor, aber auch den Kapitalerhalt. Zweckverwirklichung braucht ordentliche Erträge, und die Ertragsbasis wird langfristig umso stabiler, je mehr unterschiedliche Quellen hier auf das Ertragsziel einzahlen. Sind es eben nur Stiftungsfonds mit 80% Anleiheanteil, wird das Ziel für den ordentlichen Ertrag kaum mehr erreicht werden können, steigen dann eines Tages zudem die Zinsen wieder einmal, fallen Kursverluste an, die kaum mehr wieder aufgeholt werden dürften. Es entstehen ggf. Abschreibungsbedarfe. Eine Mischung aus verschiedenen Fonds verschiedener Anbieter mit verschiedenen Strategien und Stilen beugt dem vor und macht das Stiftungsvermögen signifikant weniger verletzlich für Verwerfungen.

ZUSAMMENGEFASST

Stiftungsvermögen hat dem Diversifikationsgebot zu folgen, genauso wie es dem Spekulationsverbot Folge zu leisten hat. Diversifizieren heißt, auf verschiedene Anlageklassen zu setzen, gleichzeitig aber auch auf verschiedene Anlagestrategien und verschiedene Anlagestile. Diversifikation zu interpretieren als Investition in fünf Fonds eines Anbieters, das dürfte aus Stiftungssicht nicht mehr zeitgemäß sein und muss mehr denn je hinterfragt werden. Vielleicht werden ja die Überlegungen unserer Omas wieder en vogue, bzw. dienen als kleine Blaupause. Blaupause für das Aufteilen von Stiftungsvermögen und vor allem auch für den langen Atem. Denn den haben viele unserer Großeltern gehabt, und den haben Stiftungen auch.