Braucht es Anlagerichtlinien für das Stiftungsvermögen?

Nachlese zum #VTFDS2020: Dr. Christoph Mecking und die Pflicht, das Stiftungsvermögen zeitgemäß zu verwalten

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Nachlese zum #VTFDS2020
Lesezeit: 4 Minuten

Wenn sich Stiftungen mit der Verwaltung ihres Stiftungsvermögens befassen, dann braucht es bestimmte Rahmenparameter, um die Aufgabe, die Pflicht, zeitgemäß und professionell erledigen zu können. Mit Dr. Christoph Mecking, Geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Stiftungsberatung, sprachen wir im Rahmen des Virtuellen Tages für das Stiftungsvermögens am 24.6.2020 genau darüber, diskutierten aber auch, welche Rolle Stifterwille und Anlagerichtlinie dabei spielen. Die wichtigsten Aussagen aus dem Gespräch finden Sie nachfolgend exzerpiert.

DR. CHRISTOPH MECKING ZUM STIFTERWILLEN…

Der Stifterwille enthält oftmals auch Regelungen zur Vermögensverwaltung – ob diese zeitgemäß sind, gilt im Einzelfall zu prüfen. Wenn eine Satzung beispielsweise den Begriff der Mündelsicherheit enthält, muss eigentlich sofort an der Satzung gearbeitet werden, um die Stiftung in die Lage zu versetzen, ihr Vermögen zeitgemäß verwalten zu können. Oftmals wurden von Stiftern für die Verwaltung des Stiftungsvermögens aber lediglich die Parameter Kapitalerhalt und Ertragserzielung festgelegt – mit diesem Spannungsfeld müssen die Verantwortlichen umgehen und es in eine zeitgemäße Anlagepolitik übersetzen.“

DR. CHRISTOPH MECKING ZUR ANLAGERICHTLINIE, BRAUCHT ES DIE?

„Die Anlagerichtlinie ist dafür da, die konkreten Entscheidungen zur Vermögensanlage zu strukturieren und Partnern Leitlinien an die Hand zu geben. Die Anlagerichtlinie kann immer nur im Rahmen dessen funktionieren, was die Satzung hergibt. Ist der Rahmen zu eng, muss zuerst hier angesetzt werden.“

DR. CHRISTOPH MECKING UND DIE ERSTEN SCHRITTE, EINE ANLAGERICHTLINIE AUSZUARBEITEN…

„Die Anlagerichtlinie muss an der Balance zwischen Zweckverwirklichung und Kapitalerhalt ansetzen, aber auch bei der Frage, wie viele Mittel die Stiftung wann braucht, um zum Beispiel konkrete Projekte zu verwirklichen. Hier gibt es Stiftungen, die offen agieren und nur die Mittel ausreichen müssen, die sie erwirtschaftet. Andere Stiftungen wiederum brauchen eine fixe Summe – hier muss in der Kapitalanlage dann anders – risikoorientierter – agiert werden. Auch daran muss sich die Anlagerichtlinie orientieren.“

DR. CHRISTOPH MECKING ÜBER DIE GRÜNDE, WARUM VIELE STIFTUNGEN KEINE ANLAGERICHTLINIE HABEN…

„Das hat in vielen Stiftungen damit zu tun, dass die Verwaltung des Stiftungsvermögens etwas stiefmütterlich behandelt wird. Die handelnden Personen sind sehr engagiert den Stiftungszweck betreffend, verfügen oft aber über zu wenige Kenntnisse und Entscheidungskraft in Bezug auf die Vermögensverwaltung. Genau diese Verantwortlichen sollten aber ermutigt werden, sich stärker mit der Vermögensverwaltung auseinanderzusetzen, indem sie sich Grundsätze über die Anlagerichtlinie geben und dann auf dieser Basis – etwa über einen beauty contest – einen geeigneten Vermögensverwalter finden. Gerade in der heutigen Zeit versuchen noch zu viele Stiftungsverantwortliche, zwar Negativzinsen zu vermeiden, aber ansonsten liegt das Stiftungskapital unverzinst auf dem Girokonto. Nur genau das reicht heute nicht mehr aus.“

DR. CHRISTOPH MECKING ÜBER MÜNDELSICHERHEIT, AKTIENQUOTE & CO…

„Die Vorgabe, dass es eine Obergrenze für die Aktienanlage von 30% gibt, wurde den Stiftungen von den Stiftungsaufsichten lange praktisch ins Stammbuch geschrieben. Die Aktienquote festzulegen, aber ist eine ureigene Aufgabe der Stiftungsorgane selbst. Die Mär von der 30%-Quote stammt aus einer Zeit, als mit Anleihen, die auch heute oft noch als ‚sichere Anlagen‘ bezeichnet werden, noch auskömmliche Zinsen erwirtschaftet werden konnten. Dass das alles nicht mehr stimmt, wissen wir nicht erst seit der Finanzkrise. Hinzu kommt, dass die Stiftungsvorstände sowohl den Erhalt des Kapitals als auch das Erzielen von ordentlichen Erträgen hinbekommen müssen – genau das ist aber mit Investments in Anleihen allein nicht mehr zu gewährleisten. Deshalb sind solche Vorgaben zur Mündelsicherheit und Aktienquote problematisch, lassen sich aber überwinden.“

DR. CHRISTOPH MECKING ÜBER DIE FRAGE, WIE SICH MÜNDELSICHERHEIT ÜBERWINDEN LÄSST…

Wenn eine Stiftung mündelsicher anlegen soll, dann muss die Frage beantwortet werden, wo diese Vorgabe eigentlich herkommt. Wenn Mündelsicherheit in der Satzung verankert ist, dann sollte man versuchen, diese Vorgabe herauszubekommen, denn dafür gibt es eben gute Gründe. Hauptzweck einer jeden Stiftung ist die Verwirklichung ihres Zwecks. Der Erhalt des Vermögens ist lediglich Mittel zu diesem Zweck. Auch dem Stifter wird es vor allem darum gegangen sein, die Zweckverwirklichung zu sichern, und weniger darum, lediglich das Kapital zu erhalten, ohne aber letztlich ausreichend Erträge zu erwirtschaften. Mit dieser Begründung lässt sich bei einer notwendigen Satzungsänderung ansetzen. Es gibt eben keine Selbstzweckstiftung – der Stiftungszweck und dessen Verwirklichung hat immer Priorität vor dem Kapitalerhalt.“

DR. CHRISTOPH MECKING ÜBER DIE GUTE ORGANISATION DER VERMÖGENSANLAGE…

Wenn eine Stiftung einen höheren Mittelbedarf hat, dann muss ich auch in der Lage sein, ein höheres Risiko in der Kapitalanlage einzugehen. Wenn sie dies tut, sollte sie besonders auf eine gute Streuung, eine gute Diversifikation des Stiftungsvermögens achten. Jedoch funktioniert das nicht bei allen Stiftungen in gleichem Maße, was insbesondere mit der Größe der Stiftungen zu tun hat. Wer mehr hat, kann breiter diversifizieren. Die Auswahl der konkreten Anlageinstrumente sollte von den Stiftungsgremien ausreichend dokumentiert werden. Hierzu gehört, auch die Grundlagen der Entscheidung und die möglichst rationalen Beweggründe sichtbar zu machen. So können die Entscheider im Zweifelsfall nachweisen, dass sie die Anlageentscheidung zum Wohle der Stiftung, auf Grundlage angemessener Informationen und mit größtmöglicher Sorgfalt getroffen haben. Angemessene Information heißt hier, dass man sich am Markt erkundigt und verschiedene Anlageprodukte entsprechend ihrer Passung auf die Anforderungen der Stiftung verglichen hat.“

HINWEIS: Hier geht’s zum Video mit dem Gespräch mit Dr. Christoph Mecking vom Institut für Stiftungsberatung.

DR. CHRISTOPH MECKING UND DIE ANGST VOR HAFTUNGSRISIKEN…

„Die Haftung ist dafür da, ein Pendant zu bieten für den großen Handlungsspielraum, den die Stiftungsverantwortlichen haben. Bei sorgfältiger Handhabung der Parameter rund um die Kapitalanlage sind Haftungsrisiken letztlich aber sehr eingeschränkt. Daher ist Angst unberechtigt. In Extremfällen werden Stiftungsvorstände zwar durchaus in die Haftung genommen, doch dort hat sich dies in der Entwicklung dann meist schon angedeutet. Mit einer Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung oder D&O-Versicherung sollten sich Stiftungen aber schon beschäftigen. Diese sind von den Policen her zwar nicht ganz billig, aber dort, wo Vorstände ehrenamtlich tätig sind, gleichzeitig aber mit ihrem Privatvermögen haften, ist es eine Frage der Fairness, ihnen hier den Rücken zu stärken.“

DR. CHRISTOPH MECKING ZUR BUSINESS JUDGEMENT RULE…

„Die sogenannte Business Judgement Rule besagt im Grunde, dass Vorstände ihre Entscheidungen stets zum Wohle der Stiftung und auf Basis angemessener Informationen und Sorgfalt zu treffen haben. Diese zunächst nur für Entscheider in Aktiengesellschaften handlungsleitende Vorgabe soll auch ausdrücklich ins Stiftungsrecht überführt werden. Im Moment stecken wir noch sehr stark in den Haftungsnormen des BGB. Ein Kollege hat in diesem Zusammenhang einmal die PASD-Form formuliert: Problembewusstsein, Aufklärung, Sorgfalt, Dokumentation – und dann passt’s in der Stiftungspraxis.“

ZUSAMMENGEFASST

Die Herausforderungen, um Stiftungsvermögen künftig professionell und zeitgemäß zu verwalten, sind vielfältig. Angefangen bei der Anlagerichtlinie über eine ausgewogene und lieferfähige Anlagepolitik bis hin zu Elementen des Haftungsmanagements etwa in Form einer D&O-Versicherung – all das sind Bausteine, die Stiftungen künftig brauchen werden. Für Dr. Christoph Mecking bedeutet zeitgemäß aber auch, kritisch zu reflektieren, ob das, was die Stiftung bisher gemacht hat, um ordentliche Erträge zu erwirtschaften, noch reicht. Erkennen ist relativ oft der Anfang von etwas Neuem, und manchmal sogar der Anfang von etwas Besserem.

Christoph Mecking
ist Rechtsanwalt, Geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Stiftungsberatung (www.stiftungsberatung.de) und Herausgeber des Fachmagazins Stiftung&Sponsoring. Er ist seit über 25 Jahren in der Beratung, Vertretung und Begleitung von Stiftern und Stiftungen aktiv, darunter als Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Mit seinen Gestaltungsansätzen, Vorträgen und Publikationen setzt er Impulse für die Weiterentwicklung des Stiftungswesens. Er ist Verfasser des Ratgebers „Vermögensverwaltung für Bürgerstiftungen“ (2018).