Es ist eine spannende Frage, wie Stiftungen eigentlich Erfolg messen. Genau um diese spannende Frage drehten sich zahleiche Gespräche auf dem diesjährigen Schweizer Stiftungssymposium am 1.9.2022. SwissFoundations lud ins schöne Aarau ein, das über Basel und Olten mit dem Zug auch aus Deutschland gut zu erreichen ist. Das Programm hielt wieder eine Mischung aus Impulsen und Workshops bereit, wir rekapitulieren an dieser Stelle einmal das finale Panel mit André Hoffmann, dem Vizepräsidenten der Roche Holding AG, aus dem sich aus unserer Sicht drei Lehren ziehen lassen.
Das Panel mit André Hoffmann war eher ein Gespräch, geführt von Lukas von Orelli, dem Präsidenten von SwissFoundations und Chef der auch hierzulande bekannten Velux-Foundation. Das Gespräch trug den Titel Sternstunde Philanthropie. Spannend an diesem Format war sicher, dass hier ein richtig großer Geldgeber einmal einen Einblick gab, in seine Gedankenwelt rund um Philanthropie. Und je mehr er preisgab, desto intensiver begann ich, meine Notizen ins Handy zu tippen. André Hoffmann teilte seine Gedanken zum Wesen der Philanthropie und zur Zukunft der Philanthropie mit dem Publikum. Er sprach über verschiedene Formen von Kapital und benutzte das Wort System überproportional oft – und traf damit einen wunden Punkt bei so mancher Stiftung.
Lehre Nummer 1: Eine Stiftung kann ein Fehlschlag sein
Denn für André Hoffmann kann eine Stiftung auch ein Fehlschlag sein. Und zwar genau dann, wenn die Stiftung mehr oder weniger aufhört ihre Arbeit richtig zu machen, sobald der Stifter „nicht mehr ist“. Wenn eine Stiftung ein Projekt ist, und dieses Projekt aufhört, sobald die Stiftung ohne ihren Stifter auskommen muss, dann ist diese Stiftung ein Fehlschlag. Hier nahm André Hoffmann kein Blatt vor den Mund. In dieser Offenheit über eine Stiftung als möglichen Fehlschlag zu sprechen, das kennen wir im Stiftungssektor so nicht. Aber damit wird das Brennglas einmal richtig angesetzt. Wir lernen: Irgendwann muss sich eine Stiftung vom Stifter lösen, sie muss sich emanzipieren. Schafft sie das nicht, besteht durchaus die Gefahr, dass sich die Stiftung eines Tages im Nirwana der Bedeutungslosigkeit wiederfindet.
#FreitagsPodcast-Tipp:
Am Rande des Schweizer Stiftungssymposium sprachen wir mit Florin Hasler von Open Data Schweiz über den Wert von Daten und warum Stiftungen diesen für ihre Aktivitäten kennen müssen.
Lehre Nummer 2: Immer auf Spenden zu setzen stellt die Systemfrage
Wider der Bedeutungslosigkeit versuchen auch immer mehr Stiftungen, Spenden zu generieren. Sie versuchen sich bei kleineren Spendern, die Major Donors sind derzeit gesucht wie selten, also die Großspender. Aus Sicht von André Hoffmann stellt sich an dem Punkt die Systemfrage. Denn eine Stiftung kann ja in einen Strudel geraten, dass sie – obwohl ihr ureigenstes Anliegen eines Tages gelöst sein kann – immer noch in der Spendenakquise unterwegs ist. Für André Hoffmann ist das aber der falsche Ansatzpunkt. Spenden und Schenken sind gut, aber sie lösen das Problem nicht. Und so das Problem gelöst ist, gibt es zu den Spenden wieder neuen Argumentationsbedarf. Die etwas freche Frage, ob Spendensammelnde Non Profit-Organisationen eigentlich gar kein Interesse daran habe, eben genau dieses Problem zu lösen, mit der Frage provozierte André Hoffmann natürlich ganz erheblich.
Lehre Nummer 3: Stiftungen müssen in Systemen denken
Für André Hoffmann denken zu viele Stiftungen demgemäß immer noch zu wenig in der Kategorie System. Ein System ist ab einem gewissen Punkt frei davon, von außen immer neue Spenden zu lukrieren, sondern kann aus sich selbst heraus ein Projekt oder eine Idee tragen. Ein System, wie es André Hoffmann idealtypisch im Gespräch skizzierte, schafft es, menschliches, gesellschaftliches und natürliches Kapital zu heben und stellt eben genau nicht nur auf das finanzielle Kapital ab. Ein System optimiert auch immer den Mix an Instrumenten, da ein immergleiches Instrumentarium dem Problem nur in den seltensten Fällen Herr wird. Ein funktionables System setzt zudem ein Impact Accounting ein, und will nicht nur nach dem Erfolg eines Projektes fragen, sondern derlei im Zahlen- und Wirkwerk sehen. Zugegeben, André Hoffmann blieb an der Stelle etwas schwammig, aber letztlich redete er hier einmal der Haltung aber auch der Professionalität das Wort. Für ihn ist aber klar, dass in einem System Stiftungen und Unternehmen enger zusammenfinden werden, und dass DAS große Problem der Welt die Ungleichheit ist. Oder wie er es nennt: Unequalität.
Zusammengefasst
Immer abends nach einer Veranstaltung mache ich selber eine Bestandsaufnahme. Hat sich der Aufwand gelohnt? Waren Impulse dabei, die meinen Blick schärfen oder gar verändern? Nun ja, das Schweizer Stiftungssymposium hielt – ähnlich wie der 11. Baseler Stiftungstag zwei Tage vorher – einige Denkanstöße parat, die vielleicht im Kontext der vergangenen zwei Jahre umso wuchtiger daherkamen. Das, was André Hoffmann in seiner Sternstunde Philanthropie mit Lukas von Orelli diskutierte, war ja letztlich nichts weniger als ein neues Verständnis von Philanthropie. Eine Art Vision davon, woher stifterisches Engagement künftig seine Relevanz bezieht. Natürlich regt das zum Nachdenken an. Aber, das soll es ja auch. Und das sollte es auch.