Stiftungsvermögen und der Yale-Style

Wie deutsche Stiftungen in vier Schritten einen Einstieg in die Endowment-Strategie schaffen

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Harvard Style
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Stiftungsvermögen hierzulande kann von den Universitätsstiftungen amerikanischer Prägung viel lernen, vor allem hinsichtlich des Anlagekonzepts. Dieses ist letztlich die Basis dafür, dass die Endowments seit Jahrzehnten außergewöhnlich hohe Erträge erwirtschaften konnten. Ausschlaggebend dafür, von den Endowments und ihrer Strategie etwas zu lernen, ist das Verstehen des Erfolgsrezepts. Kern ist sicherlich eine langfristige und unkonventionelle Vermögensallokation. Was langfristig und unkonventionell bedeutet, zeigt sich dann nicht nur anhand der Anlageergebnisse, sondern vor allem bei der Vorgehensweise. Viele hiesige Stiftungsvermögen dürften hier Inspiration finden.

Das Aufstellen einer strategischen Anlageallokation ist eine komplexe Aufgabe und muss mehrere Blickwinkel berücksichtigen. Am Ende soll der Kapitalmarkt dem Stiftungszweck dienen, Stiftungsvermögen muss das Steuerprivileg verdienen. Nicht nur einmal, sondern dauerhaft. Womit wir bei der Frage nach dem Wie wären. Deutsche Stiftungsvermögen „kranken“ ein wenig unter einem Bias, sich eher klassisch denn auf der Höhe der Zeit aufzustellen. Das beobachten wir, und das macht Stiftungsvermögen verletzlich, wenn Konstellationen wie 2022 eintreten. Die jüngsten Zinssenkungen deuten zudem darauf hin, dass genau das „Zurück zur Anleihe“ ein Reflex war, der aus der Zeit gefallen ist. Aber wie gehe ich als Stiftung nun vor, wenn ich mir die Harvards und Yales dieser Welt zum Vorbild nehme? Wir nähern uns dem einmal an. Vier Aspekte müssen vom Stiftungsvorstand in der Formulierung einer nachhaltigen Anlagestrategie berücksichtigt und koordiniert werden: 1) Das Ziel der Kapitalanlage, 2) die Auswahl der Assetklassen, 3) das Einschätzen der Risiko- und Ertragsparameter sowie 4) die Restriktionen. Aber, der Reihe nach.

Stiftungsvermögen und das Ziel der Kapitalanlage

Am Beginn sollte eine realistische Beurteilung der Ein- und Ausgänge stehen: Wieviel soll den Begünstigten, dem Stiftungszweck zur Verfügung gestellt werden? Welche Einkünfte werden erwartet? Wie lange soll die Stiftung leben? Usw. Aus der Beantwortung der vorgenannten Fragen sollte dann möglichst konkret eine langfristige Zielrendite formuliert werden. Liegt diese einmal vor, kann beurteilt werden, ob eine nachhaltige Finanzplanung möglich ist und wenn ja, mit welchen Risiken sie umgesetzt werden kann.

Lese-Tipp:
Was macht die großen Endowments, die Harvards, Yales und Pricentons dieser Welt eigentlich so erfolgreich im Managen ihres Stiftungsvermögens? Wir haben uns den Erfolgsprinzipien einmal genähert.

Stiftungsvermögen und die Auswahl der Assetklassen

Die zweite Dimension der strategischen Kapitalplanung besteht in der Wahl der Mittel, derer die Stiftung sich zur Erreichung seiner Anlageziele bedienen will. Der Kapitalmarkt bietet ein fast unendliches Universum an Möglichkeiten zur Geldanlage. Hier ist nun fachliche Expertise gefragt, um eine sinnvolle Auswahl von Assetklassen zu treffen und die richtigen ‚Bausteine‘ der finanziellen Absicherung zusammenzustellen. Wir können an dieser Stelle nur einige Prinzipien anbieten:

  1. Der oder die Investmentverantwortliche sollte über ein ausreichendes Verständnis der Wirkungsmechanismen in den jeweiligen Assetklassen verfügen, um Risiken und Chancen korrekt einschätzen zu können. Denn: Ohne entsprechende Erfahrung ist es schwierig, unweigerlich eintretende Korrekturphasen durchzuhalten, ohne gleich in Panik zu verfallen.
  2. Der Erfolg eines jeden Investmentprogramms basiert auf einer realistischen Einschätzung der zukünftigen Erträge, welche die gewählten Assetklassen langfristig liefern. Hier möge sich der geneigte Leser möglichst wenig von der Vergangenheit leiten lassen. Die vielerorts beobachtete Praxis, seine Erwartungen aus der jüngeren Vergangenheit abzuleiten, führt in der Praxis zu pro-zyklischen Entscheidungen, oftmals mit unliebsamen Konsequenzen. Wesentlich besser ist es, zukunftsgerichtete, aus Bewertungsparametern abgeleitete Kapitalmarktprojektionen als Grundlage zu wählen. Lansdowne Partners Austria berechnet solche Schätzungen selbst; es gibt aber mittlerweile auch frei zugängliche Publikationen namhafter Asset Manager zu diesem Thema. In keinem Fall sollte man sich bei der Analyse zukünftiger Erträge von Produktanbietern beraten lassen.
  3. Drittens muss eine Einschätzung hinsichtlich der Liquiditäts-Anforderungen der Stiftung getroffen werden. Illiquide Anlageklassen werden vielerorts gesucht und auch vermehrt angeboten, sie bergen aber auch hohe Risiken, welche oft nicht ausreichend verstanden werden. Zugangsbeschränkungen, eine extreme Streuung zwischen guten und schlechten Angeboten sowie Schwierigkeiten, die Allokationsquote aktiv zu steuern, müssen Berücksichtigung finden. Am Ende ist auch hier auf unsere obige Forderung hinzuweisen, dass der Sachverstand bei der Auswahl der Assetklassen wie auch der Vehikel gegeben sein muss. Auch die rechtliche und finanzielle Situation der Stiftung sollte berücksichtigt werden, bevor die endgültige Höhe der angestrebten Illiquiditäts-Quote festgelegt wird.

Stiftungsvermögen und die Risiko- bzw. Ertragsparameter

Sofern man sich auf eine Anzahl von Assetklassen festgelegt hat, müssen die Historie ebenso wie die Erwartungen entsprechend dokumentiert werden. Lansdowne Partners Austria erhebt die historischen Ertragsmuster seiner Assetklassen über möglichst lange Perioden, wobei wir in manchen Fällen über hundert und mehr Jahre zurückgehen. Anschließend werden Risikoparameter wie Schwankungsneigung, Maximalverlust und Korrelationen über Perioden von 15-20 Jahren erhoben. Die entsprechenden Zahlen werden erstens für die folgenden Berechnungsschritte zwingend benötigt; zweitens festigen sie das Verständnis der Vermögenswerte und helfen, die Position der Assetklassen im Kontext ihrer idiosynkratischen Zyklen einzuordnen.

Stiftungsvermögen und die Restriktionen

Im vierten und letzten vorbereitenden Schritt werden investmentrelevante Einschränkungen festgelegt, welche im Rahmen der Optimierung zu beachten sind. Diese „Leitplanken“ ergeben sich aus den bereits erhobenen Rahmenbedingungen des Mandats. Beispielsweise könnte hier eine Obergrenze für illiquide Assetklassen stehen; ein Mindestmaß an kurzfristig verfügbaren liquiden Mitteln; oder ein Ausschluss bestimmter Anlagen, welche im Konflikt mit dem Zweck der Stiftung oder der Philosophie des Stifters/der Stifterin stehen.

Stiftungsvermögen braucht a bisserl Finanzmathematik

Sobald die vorgenannten Schritte durchlaufen sind, liegen die für die Berechnung einer optimierten Vermögensallokation erforderlichen Informationen vor. Hierfür sind nun Grundkenntnisse in der Finanzmathematik und Statistik gefragt. Es ist selbst für Spezialisten nicht immer leicht, sich für eine der vielen Methoden zu entscheiden. Ein gutes Handlungsprinzip lautet „So einfach wie möglich, aber so komplex wie nötig“. Unser eigener Zugang zu dieser Herausforderung ist es, ein vor allem prognosefehlerverzeihendes System in Anwendung zu bringen.

Wie Harvard und Yale anzulegen bedeutet Durchhalten

Einen abschließender Gedanke gilt es noch zu formulieren. Damit der soeben dargelegte stringente und logische Ansatz funktionieren kann, ist neben klaren Gedanken, Urteilsvermögen, qualitativ hochwertigen Daten und Statistik auch Geduld vonnöten. Die Grundlage einer erfolgreichen Optimierung sind korrekte Annahmen über zukünftige Erträge. Allerdings: Auch noch so sorgfältig erhobene Kapitalmarktprojektionen sind über Zeiträume unterhalb von ca. 5 Jahren praktisch wertlos. Zu groß ist der Einfluss vielfältiger Unwägbarkeiten. Rezessionen, Wahlen, Kriege, Pandemien und Spekulationsblasen dominieren das Resultat bei zu kurzem Betrachtungshorizont. Die Vorhersagbarkeit derartiger Entwicklungen ist weder durch menschliche noch künstliche Intelligenz erreichbar.

Wer langfristig anlegt, muss in der langen Frist denken

Lässt man den Prognose-Blick weiter in die Zukunft schweifen, wendet sich das Blatt zugunsten des Investors. Weil Wertpapiere im Grunde auf abgezinsten Zahlungsströmen beruhen, ist die Bewertung das Äquivalent der Schwerkraft für Anleger. Sie spielt über kurze Perioden keine große Rolle, setzt sich langfristig aber mit großer Sicherheit durch. Bewertungsrelationen besitzen deshalb nachweisliche Aussagekraft für die Langfrist-Erträge von Kapitalmärkten. Für Stiftungen bzw. Stiftungsverantwortliche bedeutet dies, dass langfristig eben wirklich langfristig bedeutet, und dass eine Hinwendung zum Yale-Modell keinen Sinn macht, wenn man die Disziplin Durchhalten nicht mitbringt (verweisen auf https://stiftungsmarktplatz.eu/blog/1985-2/) . Es werden nicht die Ergebnisse erzielt werden, wenn eine Strategie à la Harvards nicht auch tatsächlich so durchgehalten wird, selbst wenn das Anlageergebnis in Jahr 3 oder 5 nicht dem entspricht, was die Erwartungshaltung verlangt hat. Stiftungen müssen sich lösen von einer Kurzfristdenke, sonst wird es nix mit dem Anlageerfolg à la Harvard & Co.

Zusammengefasst

Benjamin Graham wird mit einem Ausspruch zitiert: „In the short run, the market is a voting machine; but in the long run, it is a weighing machine.” Dies bedeutet nichts anders, als dass wer erfolgreich anlegen möchte, sich von kurzfristigen Treiben an den Märkten lossagen und in langfristigen Kontexten bewegen muss. Stiftungen kommt das entgegen, sie sind für die Ewigkeit errichtete Kapitalstöcke. Das bedeutet, sie haben Zeit, Zeit, sich Gedanken über das passende Anlagekonzept zu machen, und Zeit, sich dieses auch entwickeln zu lassen. Schwierig wird es, wenn kurzfristige Hibbeligkeit der Stiftungsakteure dies durchkreuzt. Davon müssen sich Stiftungsgremien freimachen, so wie das Harvard, Yale & Co. auch gemacht haben (was auch nicht ohne Wiederstände passierte). Aber die Ergebnisse gaben ihnen Recht, und es gibt wenig Anlass, dies für die Zukunft anders zu sehen. Stiftungsvermögen sind Kapitalkörper, die erst recht von einem langfristigen Anlagekonzept profitieren können. David Swensen würde das so unterschreiben.

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Martin Friedrich
Martin Friedrich ist Portfoliomanager des Lansdowne Endowment Fonds. Er kam im Januar 2019 zu Lansdowne Partners Austria von HQ Trust, einem der größten unabhängigen Multi-Family Offices in Deutschland. Herr Friedrich war dort seit 2009 beschäftigt, zuletzt als Leiter der Kapitalmarktanalyse und Co-Chief Investment Officer. Zusätzlich betreute er Kundenportfolios und war zuständig für den Investmentprozess von LIQID, einem Fintech Unternehmen in Berlin. Ebenso war er in der Wigmore Association aktiv. Wigmore ist eine innovative globale Kooperation acht verschiedener Single-und Multi Family Offices.