Neue Technologien erleichtern nicht nur unser alltägliches Leben und ermöglichen Fortschritt in Wissenschaft und Wirtschaft, sondern sind auch eine große Chance für die Arbeit von Stiftungen und NPOs. Handicap International setzt seit 10 Jahren auf den Einsatz neuer Technologien in ihrer Arbeit für Menschen mit Behinderung und in Operationen zur Entminung von betroffenen Gebieten. Für ein modernes Verfahren zur Anfertigung von orthopädischen Hilfsmitteln und dem Einsatz von Drohnen bei der Minenräumung erhielt HI letztes Jahr den „Horizon Prize“ der EU. An den Beispielen einer modernen Minensuchmaschine, den Einsatz einer Drohne und von 3D-Technologie stellen wir vor, wie Organisationen wie HI ihre Arbeit Stück für Stück effizienter, sicherer und präziser machen können.
WELTWEITER EINSATZ FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNG
Als Verein setzt sich HI weltweit für Menschen mit Behinderungen ein. Dies umfasst zum einen Physiotherapie, Maßnahmen zur Inklusion, dem Bereitstellen von Rollstühlen sowie Prothesen bei Verlust von Gliedmaßen und Orthesen für beispielsweise Kinder, welche von den Folgen der Kinderlähmung betroffen sind. Wichtig ist auch die Prävention: Große Flächen Land stellen durch Minen und Streubomben ein gefährliches Terrain für die Menschen in der umliegenden Umgebung dar. Damit dort lebende Menschen sich nicht durch eine Explosion von Kriegsresten verletzen, setzt sich HI präventiv in diesen Gebieten ein, indem diese entfernt und die Menschen über die Gefahren aufgeklärt werden. Mit dem Projekt „Odyssey2025“ verfolgt HI das Ziel, die Welt bis 2025 minenfrei zu machen. Für ihren Einsatz hat Handicap International mit der ICBL (International Campaign to Ban Landmines) bereits im Jahre 1997 den Friedensnobelpreis erhalten.
VERANSTALTUNGSTIPP: Über die hier beschriebenen digitalen Tools berichtet Handicap International auch im Rahmen des digitalen MünchnerStiftungsTages (#MST21) am 1.7.2021 ab 14 Uhr. Mehr zum #MST21 finden Sie unter www.muenchnerstiftungstag.de.
MINENSUCHE IM TSCHAD
Ein Einsatzgebiet von HI ist beispielsweise das afrikanische Land Tschad. Nach der lybischen Invasion in den Aouzou-Streifen und der Beilegung des Gebietsstreits im Jahr 1989 sind Minen und andere Kriegsreste weiterhin eine große Gefahr für die Menschen in der Umgebung. Mithilfe einer ferngesteuerten Minensuchmaschine können in dieser Gegend die gefährlichen Kampfmittelreste zerstört werden und somit zur Sicherheit der Menschen beitragen. Vor dem Einsatz dieses speziellen und explosionsstandhaften Werkzeugs wurde dies durch die Arbeit von EntminerInnen und Suchhunden bewerkstelligt. Mithilfe der Minensuchmaschine können statt durchschnittlich 100 Quadratmeter pro Tag somit 10.000 Quadratmeter Land auf sichere Weise entmint werden. Neben dem Einsatz der Minensuchmaschine ist für eine gesamtheitliche präventive Strategie ein enger Kontakt zu den Menschen vor Ort unabdingbar, um diese über die Risiken von explosiven Kriegsresten aufzuklären.
DROHNEN: AUS DER VOGELPERSPEKTIVE SIEHT MAN BESSER
Auch der Einsatz von Drohnen hat sich in diesem Vorhaben bewährt. Indem sie aus der Luft Fotos vom Gelände anfertigen und Daten sammeln, können genaue Karten erstellt werden, um anschließend das Gebiet in kritische Zonen zu unterteilen. So kann die Entminung später gezielt durchgeführt werden. Auch mithilfe dieser Technologie bleibt ein enger Kontakt zur Bevölkerung, den lokalen Behörden und anderen Entminungsorganisationen unverzichtbar für ihren wirkungsvollen Einsatz. Hier wird die Sinnhaftigkeit neuer Technologien für die karitative Arbeit sichtbar: Sie ersetzt nicht den Menschen, sondern dient als Unterstützung.
MIT 3D-TECHNOLOGIE MENSCHEN ERREICHEN
Zum Zwecke der Rehabilitation kann mithilfe von 3D-Vermessung genaues Maß von Betroffenen genommen werden, um später passgenaue orthopädische Hilfsmittel mittels Modellierungssoftware und 3D-Drucker zu fertigen. Dies ist vor allem bei Kindern wichtig, deren Hilfsmittel regelmäßig an ihre wachsende Körpergröße angepasst werden müssen. Für die Vermessung braucht es keine großen Apparaturen oder Maschinen. Ein kleiner, leichter Scanner erzeugt von betroffenen Körperstellen ein 3D-Bild. Besonders in schwer zugänglichen Regionen ist dieses unkomplizierte, jedoch genaue Verfahren des „Tele-3D-Drucks“ ein großer Gewinn.
PODCAST-TIPP: Mit Thomas Schiffelmann, Leiter Marketing bei Handicap International, sprachen wir in Folge 50 des FreitagsPodcasts auch über ganz aktuelle Entwicklungen, etwa in Ägypten.
NEUE TECHNOLOGIEN SOLLTEN EINEN MEHRWERT SCHAFFEN

Bevor diese Technologien zum Einsatz kommen, werden diese in langwierigen Prozessen und umfassenden Analysen in Kooperation mit Universitäten und Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft. Somit hat sich jede neue Investition der HI in eine Technologie auch als eine sich lohnende Investition bewiesen. Da neue Technologien wie beispielsweise eine Minensuchmaschine mit hohen Anschaffungskosten einhergehen, bedarf es einer genauen Abwägung zwischen ihrem Nutzen und etwaigen Hürden sowie einer umfangreichen Evaluierung. Aber auch der Einsatz von weniger kostspieligen Mitteln wie Drohnen zur Landvermessung will gut überlegt sein: Schließlich muss ihr Einsatz den Zielen von HI dienen. So sind es zunächst Working Groups, die Ideen für einen effizientere Ressourceneinsatz anstoßen, da sie bereits mit den Problemstellungen vor Ort vertraut sind. Danach schließt sich ein intensiver Beratungs- Recherche- und Evaluierungsprozess an.
KOSTENEFFIZIENZ IST NUR EIN NEBENEFFEKT
Natürlich können neue Technologien auch zu einer besseren Kosteneffizienz beitragen. Dies ist aber nur ein Teilaspekt für den Einsatz neuer Technologien: Das primäre Augenmerk liegt auf der effizienten und sicheren Entminung von betroffenen Gebieten und der schnellen Versorgung von Menschen mit den benötigten Hilfsmitteln. Denn in der Arbeit von HI steht stets der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund, nicht eine Kosten-Nutzen-Abwägung. Um dieses Vorhaben zu unterstützen, können sich Stiftungen in jeder Phase an der Arbeit von HI beteiligen. Beispielsweise ist eine Förderung von Studien zu neuen Technologien oder ihrer Evaluierung möglich.
ENTMINUNG UND REHABILITATION BETRIFFT UNS ALLE
Der Einsatz für Entminung und Rehabilitation betroffener Menschen steht in einem gesamtheitlichen Zusammenhang zu humanitären, ökologischen oder sonstigen karitativ tätigen Einrichtungen wie Stiftungen, die im ersten Blick kaum eine Überschneidung mit der Arbeit von Handicap International zu haben scheinen. Denn unsere Denkweise und unser Handeln im 21. Jahrhundert wird nicht nur von neuen Technologien beeinflusst, sondern bestimmt sich auch durch die vielfältigen globalen Zusammenhänge unserer Zeit: Mit der Renaturierung von Landstrichen kann dort wieder Landwirtschaft betrieben und die Infrastruktur ausgebaut werden. Somit können Menschen sich eine Existenzgrundlage schaffen, was zur Stabilisation ihrer Lebensgrundlage, darüber hinaus auch einen ökologischen Mehrwert mit sich bringt. Neue Investitionen in moderne Technologien haben deshalb einen allgemein positiven Einfluss auf die Ressourcenallokation von Nahrung, Wasser und Luft und tragen zur Lebensqualität vieler Menschen bei.
ZUSAMMENGEFASST
Der technische Fortschritt lässt keinen Lebensbereich unberührt. Auch für Stiftungen, die auf dem ersten Blick wenig Berührungspunkte mit neuen Technologien oder z.B. dem Ziel der Entminung von Gebieten haben, ist eine Beteiligung an der Arbeit der HI im gesamtheitlichen Kontext eine besondere Möglichkeit, um zu den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten neuer Technologien beizutragen. Die Minensuchmaschine, der Einsatz von Drohnen und der „Tele-3D-Druck“ sind drei herausragende Beispiele, in denen modernste Technologien den Zwecken eines Vereins wie HI dienen. Aber Fortschritt braucht auch stetige Entwicklung und Investition, damit Ziele wie eine minenfreie Welt bis zum Jahre 2025 verwirklicht werden können. Die Zukunft moderner Technologien lässt vielfältige Lösungsmöglichkeiten für die Arbeit von Stiftungen und NPOs erhoffen, soweit dem Willen zur Investition nachgegangen wird.
P.S.: Wir bedanken uns herzlich bei Thomas Schiffelmann für die wertvollen Informationen für diesen Beitrag. Kooperationsanfragen an HI richten Sie bitte per E-Mail an t.schiffelmann@hi.org.