„Ludwig Erhard ist heute so wichtig wie vor 75 Jahren“

FondsFibel #vtfds SPEZIAL: Auf einen Besuch in der Ludwig-Erhard-Stiftung mit Prof. Dr. Roland Koch, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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FondsFibel #vtfds SPEZIAL: Prof. Dr. Roland Koch, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.
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Prof. Dr. Roland Koch gilt als streitbarer Geist und klarer Kopf. Als Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung hat er nach seinen Stationen in der Politik und in der Wirtschaft seine Profession im Dritten Sektor gefunden – und ist genau der richtige Mann dafür, das Erbe Ludwig Erhards (‚Wohlstand für alle‘) im Jahr 2023 hochzuhalten. Wir sprachen mit ihm über den Epochenwechsel, über Wohlstandsverluste und darüber, was es braucht, diese hierzulande zu vermeiden.

FondsFibel: Epochenwechsel, Zeitenwende – große Worte. Leben wir heute wirklich in einer anderen Epoche? Was ist so neu am Umfeld im Wirtschaftlichen wie Politischen, wie wir es heute anno 2023 sehen?
Prof. Dr. Roland Koch: Man ist sicherlich immer versucht, die aktuellen Herausforderungen für einen Epochenwechsel zuhalten. Dennoch ist die Tatsache, dass wir aus einer hoch integrierten globalen Wirtschaftswelt jetzt in einzelne, sich oft abschottende Teilregionen zurückfallen, eine epochale Veränderung. Aus Geo-Ökonomie wird Geo-Strategie. Die zwingend notwendige Veränderung mit Verzicht auf fossile Rohstoffe zur Energieproduktion kann man sicher ebenso bewerten.

Prof. Dr. Roland Koch

FondsFibel: Als Ludwig-Erhard-Stiftung halten Sie das „Wohlstand für alle-Manifest“ hoch. Wo sehen Sie denn, wohin es mit dem Wohlstand unseres Landes geht? Versäumt Deutschland gerade, sich auf die neue Epoche zeitgemäß einzustellen? Sind Sorgen zum Geschäftsmodell Deutschland berechtigt/angebracht?
Prof. Dr. Roland Koch: Das sogenannte deutsche Geschäftsmodell basierte neben der
Leistungsfähigkeit gut ausgebildeter Menschen auch auf weltweit offenen Grenzen und billigem Gas zur Unterstützung der Energiewende. Daher haben wir jetzt beachtliche Probleme. Ein Teil der Bürger fürchtet sich vor dem Klimawandel, ein anderer vor Wohlstandsverlust und Altersarmut. Die Probleme sind lösbar, wenn man die Kreativität aller Menschen nutzt. Die Gefahr ist, dass unsere Regierung glaubt, die Zukunft besser planen zu können als die Märkte. Das wird nicht klappen. Wir haben zu viele Verbote, zu viele Technologien werden ausgeschlossen. Man kann nicht erfolgreich sein, wenn man Biotechnologie nicht mag, E-Fuels nicht vertraut, Wasserstoff nur grün sein darf und der Datenschutz nahezu jede Nutzung dieses Rohstoffs unmöglich macht. Wir haben uns zu viele Mühlsteine um den Hals gehängt. Wenn wir die abwerfen, sind wir immer noch verdammt schnell.

FondsFibel: Was würde Ludwig Erhard in der aktuellen Situation unternehmen?
Sie erzählten uns einmal im #FreitagsPodcast, dass er durchs Land reiste, um den
Menschen die Soziale Marktwirtschaft zu erklären. Vielleicht wäre es wieder mal
Zeit dafür?

Prof. Dr. Roland Koch: Ludwig Erhard saß nicht gerne am Schreibtisch. Er war gerne in Diskussionen vor Ort und wollte die Menschen von seinen Ideen überzeugen. So sehen wir auch heute in seiner Stiftung unsere Aufgabe. Gerade haben wir das Ludwig-Erhard-Forum in Berlin gegründet, mit dem wir eine Plattform für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik schaffen, um Erhards Gedanken in unsere Zeit zu tragen. Unsere erste Diskussionsreihe heißt „Zivilisierte Konfrontation“, das sagt genau, worum es geht. Für Wohlstand und Freiheit steht die Soziale Marktwirtschaft, dafür muss man streiten.

vtfds2023 - 4. Virtueller Tag für das Stiftungsvermögen

FondsFibel: Wie gehen nun Stiftungen mit dem aktuellen Umfeld um, sprich: Wie
machen sie sich resilient im Sinne des „Erhalts des wirtschaftlichen Stehvermögens“? Gibt es in diesem Umfeld ein ‚Weiter so‘?

Prof. Dr. Roland Koch: Was die Ludwig-Erhard-Stiftung angeht, wir verändern uns im
Moment sehr. Wir sind neu in Berlin, mit Formaten wie der „Zivilisierten Kontroverse“
wollen wir Widersprüche transparent machen und zugleich in modernem Gewand
für die Gedanken Ludwig Erhards werben, der heute so wichtig ist wie vor 75 Jahren.
Bezogen auf die Stiftungslandschaft gibt es für mich ein ‚Weiter so‘ daher nicht. Auch
Stiftungen müssen sich regelmäßig neu erfinden, hier und da mal einen alten Zopf
abschneiden. Wer sich stetig neu erfindet bzw. hinterfragt, geht mit der Zeit mit, und
das macht Stiftungen schon widerstandsfähiger.

FondsFibel: Zur neuen Zeit gehört aber auch wieder der Zins dazu. Wie nachhaltig
wird dieses Comeback des Zinses in Ihren Augen sein? Wir sehen aber eben auch
Comebacks von Nationalisten, von Kriegen, von Verboten, und, und, und. Wo wird
sich in Ihren Augen ein neuer Status quo einpendeln?

Prof. Dr. Roland Koch: Die Zeit mit sogenannten „negativen Zinsen“ war falsch. Die Notenbanken haben viel zu viel Geld in die Märkte gepumpt und die Sparer haben
einen Teil der Zeche bezahlt. Aber billiges Geld war auch eine schöne Droge und jetzt
sind wir auf Entzug. Auf Dauer geht es uns allen ohne Inflation und mit einem moderaten Zins besser. Also sollten wir uns auf Zinsen zwischen 2 und 4 Prozent einstellen.

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FondsFibel: Wir sind gespannt, wie sich die Dinge hier weiter entwickeln werden.
Herr Professor Koch, wir danken Ihnen, dass Sie sich die Zeit für unser Gespräch
genommen haben