Die Nacht von Dienstag auf Freitag

Unsere 3 Lehren vom Deutschen Stiftungstag 2022 in Leipzig

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DST22 in Leipzig
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Es waren drei intensive Tage, es war die Nacht von Dienstag auf Freitag. Für uns, meinen Redaktionsleiter Stefan Preuss und mich, ging es bereits am 27.9. nach Leipzig, bepackt mit #fondsfibel-Booklets und Visitenkarten fuhren wir in die sächsische Metropole. Abends dann ging es direkt ins Kartoffelhaus, mit ein paar Gästen. Wenn man so will, begann der vom Bundesverband Deutscher Stiftungen ausgerichtete Deutsche Stiftungstag 2022 für uns bei Ragout fin und Bratkartoffeln. Denn irgendwie waren wir sofort in den Stiftungsthemen drin. Vor allem landeten wir rasch bei der Frage des WIE.

Deutscher Stiftungstag des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, das ist immer Branchentreff. Es trifft sich die deutsche Stiftungslandschaft, sie diskutiert über das Wohl und Wehe des Stiftungssektor, immer unter einem Motto. Diesmal war es das Thema Nachhaltigkeit, das in wirklich jeden Vortrag reingepresst wurde, so sinnig das auch sein mag. Mit zeitgemäß hat das manchmal wenig zu tun, mehr mit Zeitgeist. Dennoch ist so ein Oberthema für die Vortragsthemen oft eine gute Richtlinie, Stiftungsmenschen bekommen auf diese Weise zu diesem Thema mal einen Querschnitt, wo sich Diskurs und Lösungen zum aktuellen Zeitpunkt bewegen. Ich selbst setzte mich am ersten Tag, also am Mittwoch, erst einmal neben den Eingang, twitterte n‘ bisschen, und traf so in den ersten Stunden etliche Bekannte direkt beim Begrüßen wieder. Sofort war Eines klar: Gut, dass der Stiftungstag wieder ist, gut dass wir wieder reden können, tete-à-tete, das hat doch gefehlt.

#FreitagsPodcast-Tipp:
Wir sprachen rund um den Deutschen Stiftungstag in Leipzig mit Leipziger Stiftungen, über das was sie tun und über das was sie antreibt. Mit dem früheren Vorstandsvorsitzenden der Ilse-Schwarz-Stiftung, Hans-Christoph Runne, sprachen wir zudem über die Geschichte der Stifterin Ilse Schwarz. Ein Podcast-Kleinod.

Lehre Nummer 1: Ukraine ist allgegenwärtig

Was wir aus den Gesprächen zuerst lernten war, dass die Ukraine bzw. der Ukraine-Krieg allgegenwärtig ist. Viele Stiftungen unterhalten direkte Kontakte in die Ukraine, realisieren bis heute Projektarbeit vor Ort. Manche Stiftungen hatten mal Kontakte, kennen Menschen, ein Stiftungsvorstand erzählte mir, er hätte jahrelang vor Ort gelebt, hätte noch Freunde dort. Andere Stiftungen wiederum sind in Osteuropa aktiv und erkennen alte Ängste, die sich wieder ins Bewusstsein arbeiten. Etwa jene, die man mit dem Fall des Eisernen Vorhangs eigentlich als abgelegt angesehen hatte. Eine andere Stiftung erzählte mir, dass er der Politik weniger vor dem nächsten als dem übernächsten Winter graust. Sei die Situation dann eine wie heute, würde es wirklich ungemütlich, fielen uns unsere Unkoordiniertheiten der letzten 10 Jahre auf die Füße. Was ich lernte: Viele Stiftungen haben direkte Bezüge in die Ukraine, die Krise dort geht viel mehr Stiftungen an als gedacht.

Lehre Nummer 2: Nachhaltigkeit funktioniert vor allem als Haltung

Wir haben es am zweiten Tag in unserer Diskussion mit den Stiftungsexperten von Warburg Invest am eigenen Leib erfahren: Nachhaltigkeit ist ein Themenkreis, über den sich trefflich streiten lässt, bei dem sich etliche Perspektiven einnehmen lassen. Letztlich, und hier bezogen die beiden Protagonisten Dr. Dirk Rogowski „Nachhaltigkeit braucht Haltung“) und Daniel Hupfer („Nachhaltigkeit braucht Handwerk“) klar Position. Unsere Diskussion am Donnerstagvormittag versuchten wir wie einst das Streitformat „Hauser und Kienzle“ aufzuziehen, arbeitete sich an diesen beiden Polen ab. Was wir lernten war, dass es für Stiftungen nicht den einen perfekten und sofort funktionierenden Weg in die nachhaltige Kapitalanlage gibt, dass die Schritt-für-Schritt-Strategie aber ein ziemlich guter Weg sein kann. Einfach weil er die Stiftung als Ganzes mitnimmt, weil er auch Fehler zulässt und eher auf das langfristige Gelingen ausgelegt ist.

Überhaupt das Thema Stiftungsvermögen. Wir lernen vom Deutschen Stiftungstag, dass es nach wie vor viel Gesprächsbedarf gibt – und dass das Sprechen ins Machen führt. Wir hörten, dass die Anlagerichtlinie nach wie vor eine Übung ist, an der sich viele Stiftungen versuchen – denn diese erklärt das WIE im Stiftungsvermögen. Wir hörten, dass die Angebote für Immobilien recht gefragt waren, aber auch hier muss die Anlagerichtlinie mitspielen. Wir hörten auch, dass das näher rückende Jahresende die Frage nach der Verbuchung von Kapitalverlusten auf die Agenden rücken lässt, dass diese Frage aber noch recht entspannt gesehen wird. Zu Recht. Und wir sprachen mit Stiftungsverantwortlichen, die ihren Kollegen ins Pflichtenheft diktierten, die jetzt steigenden Zinsen nicht zum Anlass zu nehmen, ihre Pläne zum Verbreitern des Diversifikationsmixes wieder einzumotten. Eine Randnotiz: Sie diktierten dies mit Nachdruck.

Lehre Nummer 3: Ohne Stiftungen ist in der Kunst Vieles Nichts

Wir waren am Mittwochabend im Grassi-Museum, diesem beliebten und bekannten Museum unweit der Leipziger Innenstadt. Wer erfuhren dort Hintergründe zum Museum selbst, trafen andere Kulturstiftungen, die erzählten, mit welchem Eifer sie ihre Projekte weiter verfolgen, trotz Pandemie oder gerade deshalb. Würde es Stiftungen mit einem kulturellen Auftrag nicht geben, viele kulturelle Angebote würde es hierzulande nicht mehr geben, Deutschland wäre kulturell ausgetrocknet und vielleicht nicht mehr weit weg von einer kulturelle Wüste, der die kulturelle Vielfalt abhanden gekommen ist. Umso mehr gilt es, die Kräfte dieser Stiftungen im Einzelnen zu stärken und ggf. auch zu bündeln. Wir hörten im Grassi-Museum die Frage, wie tut ihr Euch eigentlich zusammen, nicht nur einmal.

Danke Leipzig

Die Verfasstheit des Staates kommt Stiftungen zugute

Dass genau das passieren könnte, also letzteres, das könnte auch ein Ergebnis der aktuellen Verfasstheit unseres Staates sein. Der Staat wird immer weniger handlungsfähig, er baut Kanzlerämter für noch mehr Verwaltungspersonal, vergisst dabei aber das Gestaltungspersonal. Genau dieses könnte sich in Stiftungen sammeln, und damit so viel gestalterische Kompetenz versammeln, dass der Staat an Stiftungen noch einmal weniger als Akteur vorbeikommt. Auch unterschätzt der Staat die Fliehkräfte, die sich gesellschaftlich gerade herausbilden, und die Generationen prägen könnten (und werden). Näher dran an gesellschaftlichen Prozessen sind oftmals Stiftungen, weil sie nahe der Oberfläche an den Problemen mit Menschen arbeiten, anders als die Politik, die sich abgehoben in Sphären bewegt, die dem Irdischen längst entsagt haben.

So gesehen könnte es mit der Relevanz des Sektors deutlich nach vorne gehen, weil er das Vertrauen der Menschen gewinnt. Genau das nehme ich als positives Gefühl vom Deutschen Stiftungstag 2022 mit nach Hause, wir sagen danke an den Bundesverbands Deutscher Stiftungen, dass er wieder solch ein intensives Forum aufs Gleis geschoben hat.

Apropos Politik. Am Donnerstagabend, beim Dialog der Stiftungen, saßen wir zufällig beim Bier zusammen mit der Stiftung Klima und Umweltschutz MV, DER Stiftung, die ob der aus Russland stammenden Stiftungsmittel ganz erheblich unter Druck steht. Das Gespräch nahm einen angenehmen, ja konstruktiven Verlauf, denn unser Gesprächspartner konnte Fragen mit verständlichem Kontext füllen. Inwiefern es diese Stiftung trotzdem noch braucht, wie es mit ihr weitergeht, diese Frage ließen wir offen und stießen mit einem Bier an. Auch ein Stiftungstag kann nicht alle stiftungsspezifischen Fragen beantworten.

Das Prinzip Apfelbaum

Zusammengefasst

Drei Tage lang nur reden und austauschen, zuhören, das schlaucht. Aber es bringt einen auch voran. Wir hörten viel über Sorgen, aber gefühlt noch mehr über Sachen, Dinge und Projekte, die vorangehen. Weil Stiftungen sie voranbringen. Weil Stiftungsmenschen sie leben. Dort wo uns also draußen in der Welt der Pessimismus in die Krise quatscht, gibt es ein Korrektiv, das positive Assoziationen weckt – für das künftige Gelingen dieses unseres Gemeinwesens. Umso wichtiger ist es, dass Stiftungen hierfür präpariert werden. Dass sie sich vermögensseitig professionell organisieren, das ist nun mal die Basis für die Stiftungsarbeit. Dass sie sich untereinander vernetzen, denn kurze kommunikative Wege sind stets Gold wert. Dass sie sich jetzt mit ihren Kapazitäten befassen, was bspw. das Fundraising oder auch das Verwalten an sich anbelangt. Kommt der Bedeutungszuwachs des Stiftungssektor in Schwung, muss er darauf vorbereitet sein. Und manchmal hilft der Blick von außen eben doch, ist jeden Euro wert. Als uns ein Stiftungsexperte seine nagelneue und extra für den Stiftungstag gedruckte Visitenkarte in die Hand gab, fanden wir mit unserem redigierenden Blick ein ‚t‘, bzw. fehlt stellten fest, dass ein solches fehlt. Statt des Stiftungsexperten stellte sich uns ein Siftungsexperte vor. Wie konnte das passieren, fragte er mich. Da waren wir wieder, bei der Frage des WIE.