Bei der Donor Journey, also der Spender-Reise durch die verschiedenen Stadien der Mitteleinwerbung, darf im Stiftungsfundraising eins nicht vergessen werden: die Touchpoints. Große Unternehmen zum Beispiel haben tausende von Touchpoints und manchmal hat man das Gefühl, es geht gar nicht mehr um das Produkt, sondern um Gefühle, eine Erlebniswelt, die Social Media Netzworks oder eine Event-Welt. Unternehmen wissen genau, wie die Menschen sie wahrnehmen, welche Werte sie vermitteln und bauen darauf ihr Marketing auf. Aber wissen das auch Stiftungen und Non-Profit Organisationen? Wissen sie, wie Menschen sie wahrnehmen?
Neulich hatte ich ein nettes Erlebnis. Ich rief eine Behinderteneinrichtung an um ihnen ein Kompliment für ihre gelungene Kampagne auszusprechen. Im Gespräch erklärte ich dem Fundraiser, dass ich, obwohl es diese große Einrichtung schon seit 100 Jahren gibt, bei dem Namen immer gedacht habe, es handelte sich um eine Gebäudereinigungsfirma. Und er bestätigte mir, dass ich da nicht alleine stehe. Leider, denn einer Gebäudereinigungsfirma spende ich natürlich nicht, einer Behinderteneinrichtung schon. Deshalb ist die Touchpoint-Analyse so wichtig.
ERFOLGREICHES STIFTUNGSFUNDRAISING MUSS DIE TOUCHPOINTS KENNEN
Bei der Touchpoint-Analyse geht es zunächst um eine abteilungsübergreifende umfassende Bestandsaufnahme der Spender-relevanten Kontaktpunkte und dann um das Dokumentieren der dortigen Ist-Situation. Dazu werden zunächst alle Online- und Offline-Kontaktpunkte so weit wie möglich chronologisch gelistet, die ein Spender im Zuge eines Spenden-Prozesses beziehungsweise einer Nutzungsbeziehung hat – oder haben könnte. Dies wird aus der Perspektive des Spenders betrachtet, deshalb geht man auch „in den Schuhen des Spenders“. Dabei kann sich die Analyse auch auf einzelne Spendersegmente beziehungsweise Zielgruppen konzentrieren.
DER SPENDER MUSS SICH WIEDERFINDEN
Spender kommen heute an einer Vielzahl von Kontaktpunkten mit den Marken von anderen Stiftungen und sozialen Organisationen in Kontakt. Oft verschwimmt dabei die Markenwahrnehmung der Organisation zwischen den Kontaktpunkten, die Vergleichbarkeit der Organisationen wird schwammig. Kein Wunder bei 600.000 gemeinnützigen Organisationen und 23.230 Stiftungen.
Um Präferenz durch klare Inhalte zu stiften, sind Kontaktpunkte einheitlich zu gestalten – mit dem Ziel einer seamless Experience für den Spender. ER muss sich überall wiederfinden.
STIFTUNGSFUNDRAISING UND TOICHPOINT MANAGEMENT
Hier besteht im Stiftungsfundraising häufig Potential in einer Professionalisierung des Spender Touchpoint Managements. Das Modell sollte den Markt, die Projektgestaltung, die Kommunikation nach innen und außen sowie das Fundraising und Marketing widerspiegeln und eine Einschätzung von Attraktivität und Potenzial der Segmente für die eigene Organisation ermöglichen. So gelingt eine treffende Typencharakterisierung. Am Anfang und am Ende eines jeden Spender-Prozesses sollte also immer öfter eine Empfehlung – sei sie positiver oder negativer Natur stehen. Und all das findet heute in einer gemixten Offline-Online-Welt statt.
DIE FÜNF GRUPPEN VON TOUCHPOINT
So gilt es also nun, sich um fünf Gruppen von Touchpoints zu kümmern und fünf Phasen bei den „Momenten der Wahrheit“ ins Kalkül zu ziehen:
- Influencing Touchpoints: Phase der Informationssuche und der Recherche
- Pre-Donation Touchpoints: Phase der Entscheidungsvorbereitung
- Donar Touchpoints: Phase der Entscheidung und der Spende
- After-Donation Touchpoints: Phase der Nutzung und der wiederholten Spende
- Influencing Touchpoints: Phase der Beeinflussung Dritter (Micro-Macro Influencer, Empfehlungsmarketing)
Je nach Organisationsgröße kann das Gesamt der Touchpoints auch wie folgt unterteilt und gegliedert werden:
- Human Touchpoints – Beziehungsfaktor
- Brand Touchpoints – Brandfaktor
- Project Touchpoints – Projektfaktor
Wenn uns etwa Greenpeace Gerechtigkeit und Menschenrechte verspricht, dann wollen wir das überall erfahren. Von der Webseite, über die off- und online Kommunikation, bei den Projekten und deren Beschreibung, beim Gefühl, das man als Spender hat, wenn man Förderer bei Greenpeace wird, bis hin zu dem Gefühl, etwas für den Klimaschutz in unserer Gesellschaft getan zu haben, wenn ich gespendet habe.
Es kann aber auch passieren, dass ein guter Fundraiser eine Spende eingeholt hat und sie vom Vorstand nicht in würdevoller Weise beachtet wird. Der Dankmechanismus hat nicht eingehakt, es wird eine automatische Dankes-Antwort verschickt. Das passiert gar nicht so selten! Dann findet meistens keine Wiederholungsspende statt, das Stiftungsfundraising ist dann nicht so erfolgreich wie geplant. Und man fragt sich intern – warum?
DIE REISE DES SPENDERS SICHTBAR MACHEN
Deshalb ist es so wichtig, die Donor-Journey gut darstellen zu können. Stellen Sie die Touchpoints in einem für SIE verwendbaren Rahmen dar. Das kann ein Bild sein, ein 360 Grad Kreis, horizontal-lineare Darstellung oder eine strukturierte Abfolge von Prozessen. Aber beachten Sie eins, dies ist ein individueller und stets sich verändernder Vorgang. Je interessanter der Groß-Spender ist, desto länger und detaillierter sollte diese Darstellung sein. Von der Strategie, der Recherche, über Kontaktaufnahme, über die Spender-Gespräche, die Danksagungen, die Betreuung des Spenders bis hin zum Empfehlungsmarketing, sollte alles genauestens aufgezeigt werden.
DIE VORTEILE DER TOUCHPOINTS
- Identifizierung potenzieller Segmente von bestehenden Spendern und potentiellen Spendern
- Auswahl eines zu Ihrer Organisation/Stiftung passenden Segmentierungsansatzes
- Abschätzung der Marktattraktivität und der Rentabilität der identifizierten Segmente mit Blick auf langfristige Wachstumsmöglichkeiten und Wettbewerbsintensität
- Definition von Kriterien zur Zielgruppen-Segmentierung, die nachhaltig nachvollziehbar sind
- Festlegung auf einige wenige differenzierende und lohnende Segmente
- Herausarbeiten der Kann- und Muss-Touchpoints
- Charakterisierung der einzelnen Spendertypen mit Erkennungsmerkmalen
- Unterstützung bei Fundraising-Vertriebsschulungen in Hinblick auf die unterschiedlichen Segmente zur gezielten Ansprache
Oft sind sich Organisationen und Stiftungen der Anzahl ihrer Kontaktpunkte nicht bewusst. Zudem obliegt die Steuerung der Kontaktpunkte oft nicht nur in einer Abteilung, weshalb Einzelaktionen verschiedener Bereiche im Rahmen des Stiftungsfundraisings eine ganzheitliche Optimierung verhindern. Hier muss man sich die Schnittstellen, besonders zur Kommunikation und zum Marketing, sowie zu den Führungsgremien, genauestens ansehen.
TRANSPARENZ SCHAFFEN, REGELWERKE FESTLEGEN
Soziale Organisationen verfügen heutzutage über eine Vielzahl an Spender Touchpoints. Ein professionalisiertes Fundraising-Management von Spender Touchpoints existiert jedoch in der Regel nicht. Umso wichtiger ist es also, im Vorfeld Transparenz und Vernetzung über Abteilungen und Organisationseinheiten hinweg zu schaffen. Ein Spender-Assessment schafft diese Transparenz und berücksichtigt dabei die interne Vielfalt und organisatorische Rahmenbedingungen für das Spender-Touchpoint Management. Auch Spenderumfragen helfen Transparenz zu schaffen. Was hindert Organisationen daran zu fragen: wie wollt ihr informiert werden? Welche Werte seht ihr von uns vertreten? Wie sollen wir mit euch umgehen. Setze ich mich als Organisation nicht mit dem Spender auseinander und kommuniziere ich an ihm vorbei, dann kann es sein, dass er zur nächsten Organisation geht und dort als wertvoller Förderer wahrgenommen wird.
ZUSAMMENGEFASST
Im Stiftungsfundraising spielt die Spenderreise eine besondere Rolle. Diese hat verschiedene Stationen, auch Touchpoints genannt, entlang derer der potentielle Spender abgeholt wird. Ein Spender entscheidet sich meist nicht ad-hoc zum Geldgeben, darauf muss Stiftungsfundraising heute reagieren, sich einstellen. Ihn aber abzuholen, ist möglich, ja mehr eine Stiftung weiß, wie sie wahrgenommen wird, ist es sogar wahrscheinlich. Gute Reise!