Stiftungsfonds als ein Teil einer Burg

Nachlese zum #VTFDS2020: Drei Lehren aus dem ersten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen

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Nachlese zum VTFDS2020 - Peine, Karow
Lesezeit: 4 Minuten

Mit Dr. Elmar Peine hatte ich beim ersten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen das letzte Wort. Eine lässt sich vorwegsagen: Stiftungsvermögen anzulegen wie immer, das kann ein verdammt teures Unterfangen sein. Einmal weil die Strukturen vielerorts nicht mehr in die Zeit passen, vor allem aber weil dieses „Das haben wir immer so gemacht“ ziemlich sicher die ordentlichen Erträge weiter erodieren lässt. An Stiftungsfonds und stiftungsgeeigneten Fonds führt für uns kein Weg vorbei, aber nicht nur das.

Wenn sich eines sagen lässt zum Themenkomplex Stiftungsvermögen, dann ist es wohl, dass die ganze Aufgabe nicht mehr so bewältigt werden kann wie in den vergangenen 20 Jahren. Nullzins, teilweise Negativzins, dazu die Ressentiments gegenüber der Aktie, falsche Infrastruktur zum Kauf von Stiftungsfonds, kaum Controlling, mit diesem Setup können Stiftungen im jetzt anbrechenden Jahrzehnt nicht mehr agieren. Wir stehen vielleicht vor einem Jahrzehnt wie die 80er Jahre, mit einer tiefgreifenden Zäsur nicht am Ende, sondern gleich am Anfang, mit der Corona-Krise. Parallel entspinnt sich ein Wettlauf zwischen den USA und China um die Vormachtstellung in der Welt, flankiert von satten Europäern und erfolgshungrigen Indern. Dazu ist der Nullzins auf Jahre hinaus festgetackert auf dem Boden der harten Realität, dass sich Staaten höhere Zinsen schlicht nicht leisten können.

STIFTUNGSVERMÖGEN DARF KEIN HOBBY SEIN

Diese Gemengelage bedarf eines Umsteuerns im Stiftungsvermögen, vor allem aber bedarf es des Loslassens. Selber machen, also dem Baumarttrieb folgend das Stiftungsvermögen hobbymäßig selber durch alle Untiefen und Wetterkapriolen zu steuern, das kann nicht mehr die Antwort auf die Bedürfnisse einer Stiftung sein. Stattdessen gilt es zu delegieren, an Stiftungsfonds, stiftungsgeeignete Fonds oder auch Vermögensverwalter, die im Stiftungsauftrag das Stiftungsvermögen in enger Abstimmung verwalten. Die Krux mit Stiftungsfonds ist jedoch, dass es relativ viele gibt, und bei zu vielen steht zwar Stiftung drauf, ist aber an verschiedenen Punkten gar nicht drin. Manchmal fehlt es hier an Produktwahrheit, weshalb mit Stiftungsfonds allein kein Staat mehr zu machen ist.

HINWEIS: Die Nachlese zum Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen am 24.6.2020 mit Dr. Elmar Peine finden Sie im Bewegtbild auch auf www.vtfds2020.de.

SCHNELLPRÜFUNG VON STIFTUNGSFONDS

Eine der Lehren aus dem Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen lautet also, schon an Fonds zu delegieren, dabei aber auf einen Mix aus Stiftungsfonds und ganz verschiedenen stiftungsgeeigneten Fonds zu setzen, deren Stiftungseignung eben ganz individuell geprüft werden muss. Eine Drei-Minuten-Prüfung eines Fonds mit möglicher Stiftungseignung könnte so aussehen: 1) Schüttet der Fonds? Ja oder Nein, übrig bleiben nur die Fonds, bei denen man die Frage mit Ja beantworten kann und bei denen ein Ausschüttungsausblick gegeben werden kann. 2) Verstehe ich das Anlagekonzept, kann ich mit einem Satz sagen, in was der Fonds investiert und passt das zu dem, in was ich als Stiftung investieren möchte? Was ich nicht verstehe, fliegt raus. 3) Passt er Chart zu dem, was ich mir von einem Stiftungsfonds erwarte? Sind die Dellen zwischendurch zu tief, fällt der Fonds aus der Liste.

STIFTUNGSFONDS UND DIE FRAGE NACH ESG

Letztlich gilt es zu fragen, ob ein Ansprechpartner für mich als Stiftung existiert, Ja oder nein, und ob stiftungsspezifisch informiert wird, also entlang dessen, was eine Stiftung auf jeden Fall zum Fonds wissen muss. Fünfmal Ja könnte darauf hindeuten, dass der Fonds ein Stiftungsfonds ist, Frage 6 könnte dann das Thema Nachhaltigkeit bzw. ESG sein. Inzwischen haben alle Fonds diesbezüglich „etwas auf der Pfanne“, es gilt anzuschauen, ob das was im Fonds drin ist zu dem passt, was ich für mich mit meinen Stiftungszielen vertreten kann. Wie Investments ausgewählt werden, dazu gibt es tausende Schaubilder, aber die Portfoliowahrheit ist hier das, was zählt.

WEG VON DER KALENDERJAHRESDENKE

Lehre Nummer 2 aus dem Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen lautet, sich von der Kalenderjahresdenke zu lösen. Kaufen Stiftungen einen Stiftungsfonds oder einen stiftungsgeeigneten Fonds, dann bitte nicht mit der Aufgabenstellung, diesen direkt nach einem Jahr ggf. wieder zu verkaufen. Das Agieren auf Ebene des Kalenderjahres produziert keine stiftungs-optimalen Ergebnisse, Stiftungen sollten ihr Stiftungsvermögen eher mit einem Anlagehorizont von 10 oder 15 Jahren anlegen und zwischenzeitliche Schwankungen in diesen zeitlichen Kontext einbetten. Das lässt sich dann auch bei der Stiftungsaufsicht entsprechend verargumentieren. Überwachen und Kontrollieren, darum geht es dann im Wesentlichen.

WAS 70ZU30 BEI STIFTUNGSFONDS HEISST

Lehre Nummer 3 aus unserer Veranstaltung ist, dass die elendige 70zu30-Regel nun wirklich ausgedient hat. Sei es in Stiftungsfonds, sei es in stiftungsgeeigneten Fonds, oder in einem diskretionär bewirtschafteten Stiftungsvermögen. Stiftungsfonds mit 70zu30-Ausrichtung werden ein Problem bekommen, weil sie den Kapitalerhalt höher gewichten als den ordentlichen Ertrag, letzterer ist aber genau der, den es höher zu gewichten gilt in der Zielsystematik einer Stiftung. Schafft das ein Fonds nicht – und einer mit einer 70zu30-Allokation wird sich mit einem höheren Aktienanteil als eben jene 30% ohne Änderung des Konzepts schwertun –, dann ist dieser Stiftungsfonds für eine Stiftung als Basisinvestment auf absehbare Zeit vermutlich kaum mehr investierbar.

ZUSAMMENGEFASST

Weg mit 70 zu 30, locker machen und in der langen Frist denken, Baumarkttrieb über Bord werfen und die Profis machen lassen, das sind in etwa die drei finalen Learnings der Veranstalter aus dem ersten Virtuellen Tag für das Stiftungsfonds. Jeder der Punkte ist für Stiftungen machbar, keiner davon allein mit beispielsweise Stiftungsfonds, für die jetzt beginnende Dekade braucht es dazu den Schwenk hin zu einer Portfoliodenke. Ein Portfolio, bei dem Stiftungsfonds ein Teil sind, ist wie eine Burg, und auch eine Burg bestand aus verschiedenen Systemen, sich gegen Angreifer zu wehren. Ein Portfolio ist demgemäß umso wehrhafter, je diversifiziertes es ist, je breiter es aufgestellt ist, und je eher Experten einzelne Aufgaben übernehmen, bei Aktien, bei Anleihen, bei Immobilien, bei Einkommensstrategien, bei REITs, bei Mikrokrediten. Und für die Stiftungen, die partout nicht umsteuern wollen, die ihre Burg so lassen wollen wie sie ist, haben wir noch ein letztes Zitat parat: „Trost gibt Dir in allen Dingen Ritter Götz von Berlichingen.“ (Gerhard Uhlenbruck)

Sie haben Anregungen zu den Learning oder zum Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen? Dann schreiben Sie mir an t.karow@stiftungsmarktplatz.eu. Der nächste #VTFDS2020 kommt bestimmt…