Ein Schiff namens Stiftung

Nachlese zum #VTFDS2020: Die finale Diskussionsrunde des Tages widmete sich grundsätzlichen Fragen der Verwaltung des Stiftungsvermögens

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Nachlese zum VTFDS2020 - Lehmann, Meisberger, Becker-Gitschel
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Im Leben scheint es nie den richtigen Zeitpunkt zu geben, um alles zu verändern. Warum also nicht während einer weiter andauernden Pandemie über elementare Aspekte der Vermögensverwaltung sprechen. Dies taten Florian Becker-Gitschel (Förderstiftung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V.), Dieter Lehmann (VolkswagenStiftung) und Hans-Dieter Meisberger (DZ Privatbank). Ihr Fazit: Externe Kompetenz einkaufen, nicht auf Sachwerte verzichten, das Management regelmäßig kontrollieren und sich selbst bei der nachhaltigen Geldanlage den ein oder anderen Fehler verzeihen. Die wichtigsten Aussagen im Überblick.

Oh weh! Auch wenn die Bemühungen zur Eindämmung der Jahrhundertseuche weiter Fortschritte machen, kann niemand einschätzen, was für ein Scherbenhaufen sichtbar wird, wenn die Vorhänge sich wieder heben. Schließlich sind per Dekret Produktionsprozesse, Lieferketten und auch das Konsumverhalten unterbrochen worden, was weitreichende Folgen haben könnte. Dieser Meinung war Dieter Lehmann, Mitglied der Geschäftsleitung der VolkswagenStiftung in einer Diskussionsrunde zu grundlegenden Fragen der Verwaltung von Stiftungsvermögen. „In so einer Situation ist meine Erfahrung, die Füße lieber still zu halten. Mit jeder aktiven Entscheidung kann man auch falsch liegen.“

„Derjenige, der agiert, verliert“, meinte auch Florian Becker-Gitschel, Head of Finance der Zoologische Gesellschaft Frankfurt von 1858. „Wer jetzt verkauft hat, der hatte Verluste, die er so schnell nicht mehr reinholen kann.“

VERMÖGENSVERWALTUNG KOSTET, SIE IST ABER IHR GELD WERT

Dies setzt allerdings voraus, dass eine Stiftung bereits über ein breit diversifiziertes und gut gemanagtes Vermögen verfügt. Was aber, wenn man noch nicht so weit ist?

Hans-Dieter Meisberger, Leiter Stiftungen, Kommunen und NPOs für die Region Süd der DZ Privatbank, verglich die Stiftung mit einem Schiff. „Der Kapitän ist der Stifter oder das Stiftungsgremium. Stiftungsberater sind Lotsen, der Steuermann ist das Portfoliomanagement.“ Entscheidend sei die Frage, ob jener Steuermann innerhalb des Gremiums zu finden sei oder Hilfe von außen eingekauft werden müsse.

STIFTUNGSVRMÖGEN IST KEIN HOBBY

„Es ist nicht nachvollziehbar, dass man versucht, als Hobby Stiftungskapital zu verwalten, am besten noch mit Einzelwerten“, lautete Becker-Gitschels Einschätzung. „Ich empfehle, Experten ranzuholen, die nichts anderes machen als sich darauf zu konzentrieren. Schauen Sie, ob Sie dem Partner vertrauen, das Produkt verstehen und ob Sie Einfluss haben. Am besten ist es, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen oder die Kapitalanlage sogar zu bündeln.“ Dann habe die Stiftung gegenüber manchem Anbieter mehr Mitsprachemöglichkeiten, als wenn sie alleine handelt.


Stiftungen sollten genau überlegen, ob es sich lohnt, eine eigene Abteilung Vermögensverwaltung zu installieren oder es besser ist, diese Dienstleistung von Experten einzukaufen, empfahl Lehmann. „Das einfachste Angebot für externe Hilfe ist der Kauf von Investmentfonds, aber auch das kostet Geld. Es ist nur nicht so gut sichtbar, weil es in der gesamten Ergebnishülle versteckt ist. Personal- oder Beraterkosten werden dagegen offen in den Büchern ausgewiesen.“ Für ihn ist allerdings jede Aufwendung für die Vermögensverwaltung absolut gerechtfertigt. „Wenn man hier an der falschen Stelle spart und keine Erträge zu Verfügung hat, dann ist der ganze Sinn und Zweck der Stiftung infrage gestellt.“

AN AKTIEN UND IMMOBILIEN FÜHRT KEIN WEG VORBEI

Ist ein Experte gefunden, stellt sich die Frage, was das Stiftungsportfolio nun alles enthalten solle.

„Die Märkte werden sich nach Corona ändern“, prognostizierte Becker-Gitschel. „Branchen, die im Vorfeld geboomt haben, werden in Teilen nicht zukunftsfähig sein. Auf diese weiter zu setzen, weil man sie seit 20 Jahren im Portfolio hat, kann ein Fehler sein. Man muss auf zukunftsfähige Technologien setzen und ältere Werte rausnehmen.“

Lehmann empfahl, stärker in Sachwerte, insbesondere Aktien und Immobilien zu gehen, und das Portfolio breit zu streuen. „Solange Unsicherheiten zunehmen und man sich nicht in der Lage fühlt, die Dinge die an den Märkten passieren, einzuschätzen, ist es besser auf eine Gruppe von Rennpferden zu setzen. Die Masse kommt durchs Ziel.“

Mit der Frage, ob eine Stiftung lieber mit Fonds oder Einzeltiteln arbeiten sollte, beschäftigte sich Meisberger. Seine Meinung: „Ein Fonds schüttet ein oder zweimal im Jahr aus, ich habe Planungssicherheit. Bei Einzeltiteln muss auch in der Rechnungslegung jede Einnahme verbucht werden. Dies kann einen riesengroßen Aufwand machen.“

EIN 100% SAUBERES PORTFOLIO IST SCHWIERIG

Ebenfalls lieferten die Diskutanten einen Eindruck, wie weit die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in Stiftungsportfolios mittlerweile fortgeschritten ist. Meisberger berichtete, dass sein Haus mit dem Nachhaltigkeitsfilter der Recherche- und Beratungseinrichtung imug und des ESG-Daten-Anbieters Vigeo Eiris gute Erfahrungen gemacht habe. Eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien hielt er für essentiell. „Es würde sich widersprechen, wenn ich mein Kapital anders anlegen würde als meine Zweckverfolgung.“ Neben Stiftungen hätten sich inzwischen auch viele kommunale Anleger mit der Bitte um die Berücksichtigung von ESG-Kriterien an sein Haus gewandt.

WIE KONSEQUENT LASSEN SICH AUSSCHLUSSKRITERIEN UMSETZEN?

Auch für die Förderstiftung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt sei es als Umweltschutzorganisation sehr wichtig, ESG-Kriterien zu berücksichtigen, berichtete Becker-Gitschel. „Die Verwirklichung der ESG-Filter ist meines Erachtens noch sehr am Anfang, es kann noch viel nachgebessert werden.“ Für den Stiftungs-Finanzchef zählten vor allem Ausschlusskriterien. „Rohstoffe oder Gold sind für uns ein No-Go, das widerspricht unseren Grundsätzen.“ Allerdings sei es schwierig, bei dem Ausschluss von Branchen immer konsequent zu sein. „Banken sind durch Kreditvergabe in vielen Segmenten tätig“, sagte Becker-Gitschel. „Wollen Sie, wenn 1% des Umsatzes aus schwierigen Branchen kommen, schon ausschließen?“ Ein ähnliches Problem stelle sich bei Publikumsfonds. Hier sei es ebenfalls nicht möglich, einen einzelnen Wert aus dem Fonds herauszunehmen.

DEFINIERT EIGENE KRITERIEN – UND STEHT DAZU!

Lehmann sah dies ähnlich: „Großkonzerne sind so verzweigt, dass keiner dafür die Hand ins Feuer legen kann, dass alles, woran man beteiligt ist, nachhaltig oder nach ethisch-ökologisch-moralischen Wertvorstellungen abläuft.“ Oft bleibe keine andere Möglichkeit, als einen kleinen Rest anstößiger Beteiligungen zuzulassen, so Lehmann. Bei international geächteten Waffen sei die VolkswagenStiftung jedoch rigoros und trenne sich schon bei einer Beteiligung im Promillebereich von dem Investment.

Weiter forderte er dazu auf, es anderen und auch sich selbst zu verzeihen, von einem toxischen Investment schlicht nichts gewusst zu haben. Es bleibe dann immer noch die Möglichkeit, sich davon zu trennen. Abschließend riet der Stiftungsgeschäftsführer dazu, unabhängig von Dritten eigene Kriterien für nachhaltige Investments zu definieren und zu seiner Position zu stehen.

ZENTRALE AUFGABE: AKTIENQUOTE DEFINIEREN

Wesentlich leichter wird für jeden Stiftungsvorstand die Investmententscheidung, wenn er sich auf Anlagerichtlinien berufen kann. Entsprechend rieten hierzu auch alle Diskutanten.

Becker-Gitschel empfahl, diese möglichst nicht in die Satzung aufzunehmen, um ausreichend Flexibilität für deren Anpassung zu haben. Lehmann betonte, dass ein solches Dokument den Vorstand vor allem von Haftungsrisiken entlaste. „Eine der wichtigsten Aufgaben in den Richtlinien ist daher, eine Aktienquote zu definieren. Wenn man als Anlageverantwortlicher versucht, diese Quote einzuhalten, ist man auf der sicheren Seite.“ Eine zweite Aufgabe sei, auch Bonitätsgrenzen für Emittenten festzulegen.

BESCHLÜSSE IMMER WIEDER ÜBERPRÜFEN

Meisberger mahnte schließlich an, die Einhaltung der Richtlinien auch nach der Beschlussfassung immer wieder zu überprüfen. „Wenn ich Anlageziele definiere und sie nicht kontrolliere, brauche ich mir auch kein Ziel zu setzen.“ Trotz all dieser Empfehlungen und Markteinschätzungen blieb das Problem, dass es Menschen mit anderen Interessenschwerpunkten einfach Überwindung kostet, sich mit der Vermögensverwaltung zu beschäftigen. Hier wusste schließlich Moderator Tobias Karow Rat. „Vielleicht müssen wir vier beim nächsten Stiftungstag eine kleine Kabarettrunde machen, um auch den Spaß an der Kapitalanlage ein Stück weit zu befördern.“

ZUSAMMENGEFASST

In einem Stiftungsportfolio dürfen aktuell weder Aktien noch Immobilien noch Nachhaltigkeitskriterien fehlen. Wer sich nicht in Vollzeit mit den Marktentwicklungen beschäftigen kann, sollte die Aufgabe Experten überlassen. Anlagerichtlinien geben den Verantwortlichen viel Sicherheit und senken auch die Haftungsrisiken.