Mit dem Ermessen des Stiftungsvorstands ist das so eine Sache

Wir blicken zurück auf den 18. Stiftungsrechtstag in Bochum

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Rückschau Stiftungsrechtstag Bochum 2024
Lesezeit: 3 Minuten

Der diesjährige Stiftungsrechtstag in Bochum hielt wieder Spannendes bereit. Insbesondere der Diskurs über das Ermessen der Stiftungsorgane bzw. der Stiftungsgremien war doch so intensiv, dass er die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über den Tag hinweg befasste. Die Frage die sich mir als Nicht-Jurist stellt ist, wie ich mich als Stiftungsgremienmitglied auf die Spur des Ermessens begebe. Denn diese Reise ist eine ganz indiviuelle, Ermessen lässt sich nämlich nicht messen. Also braucht es Annäherungen, in den Vorträgen wurden diese Bezugspunkte genannt. Wir schaun zurück auf diesen Pflichttermin für Stiftungsmenschen und Stiftungsjuristen.

Für mich als Nicht-Jurist sind Stiftungsrechtstage keine leichte Kost. Ich verstehe nicht alles, was ich höre, kann manches auch nicht direkt in einen stiftungspraktischen Kontext bringen. Was ich aber auf dem 18. Stiftungsrechtstag in Bochum schon gesehen habe war, dass der stiftungsrechtliche Diskurs grundsätzlicher geworden ist. Das Wort Transparenz fiel in Gesprächen oft, auch in unserer kurzen Video-Umfrage bei einigen Stiftungsrechtsexperten wurde das Wort an mehreren Stellen verwendet. Unsere Frage lautete, welche neue Regelung aus der Stiftungsrechtsreform jene ist, die den Stiftungssektor am ehesten voranbringen wird. Ebenso fiel in mehreren Vorträgen das Stichwort Zusammenlegung und Zulegung, eben jene Verschmelzungsmöglichkeiten von Stiftungen, denen man das Attribut notleidend anheften könnte. Ein Wort jedoch fiel am häufigsten: Es war das Wort Ermessen.


stiftungenstärken ON TOUR:
Wir haben Stiftungsrechtsexperten gefragt, welche neuen Regelungen aus der Stiftungsrechtsreform den Sektor am ehesten voranbringen werden. Die Antworten fielen bunt gemischt aus. Film ab!

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#stiftungenstärken ON TOUR: Wir waren auf dem 18. Stiftungsrechtstag in Bochum.

Unsere „take away“ Nummer 1 vom 18. Stiftungsrechtstag in Bochum: Handlungsspielraum kann Problem der Stiftung sein

Das Wort Ermessen klingt etwas hölzern. In den Vorträgen aber, etwas von Dr. Matthias Uhl von PSP, wurde aber sehr schön erläutert warum sich Stiftungsvorstände mit ihrem Ermessen bzw. dm so genannten Ermessensspielraum befassen müssen. Ermessen ist einfach etwas, was sich nicht messen oder vermessen lässt. Ermessen ist ein fluider Parameter, der je nach Stiftung, Zusammensetzung der Stiftungsgremien und der Fachexpertise der Stiftungsverantwortlichen für bestimmte Themenbereiche abhängt. Das Ermessen kann übersetzt werden, und das nehme ich für mich mit, mit Handlungsspielraum der Stiftungsorgane. Dieser Handlungsspielraum muss den Stiftungsorganen bei der Verwirklichung des Stiftungszwecks zugestanden werden. Was ich für mich hier herauslese und was mir im Nachgang bestätigt wurde: Hat der Stiftungsvorstand keinen Handlungsspielraum, weil ihm dieser qua Stiftungsatzung nicht zugestanden wird und die Zweckverwirklichung darunter leidet, ist das das Problem der Stiftung und nicht des Stiftungsvorstands.

Unsere „take away“ Nummer 2 vom 18. Stiftungsrechtstag in Bochum: Im Stiftungsvermögen ist der Bezugspunkt für das Ermessen das Gesamtportfoli

In der Vermögensverwaltung ist der Bezugspunkt für das Ermessen das Gesamtportfolio – und das Bewusstsein, dass ich als Stiftungsvorstand auch Ermessen bzw. Ermessensspielraum habe, den Stifterwillen auszulegen. Natürlich müssen dabei die Satzungsvorgaben eingehalten werden, wobei im Stiftungsvermögen die zentrale Maßgabe gilt, dass eine Investition (bzw. ein Investment) schon wirtschaftlich sinnvoll sein soll. Das bedeutet, dass Einzelinvestments zu prüfen sind, dass eine Entscheidung auf Basis von Informationen und Argumenten abgewogen und dokumentiert werden muss. Passt es jedoch nicht in den Kontext des Gesamtportfolios, kann dem Ermessen eine Grenze gesetzt werden. Der Diskurs der sich dann entlang dessen entspann, war spannend. Ist damit gesagt, dass das Investment mit dem höchsten Ertrag damit automatisch auch stiftungsgeeignet ist? Weil es wirtschaftlich sinnvoll ist? Denn der Ertrag spaltet sich ja auf in Performance und Ausschüttung (also Wertzuwachs und ordentlicher Ertrag), womit sich die gestellte Frage nicht eindeutig beantworten, wohl aber diskutieren lässt. Wir nehmen mit: There is more to come…

Unsere „take away“ Nummer 3 vom 18. Stiftungsrechtstag in Bochum: Das Spannungsverhältnis zwischen Ertragspflicht und Erhaltungspflicht kann ausgelöst werden…

…durch ein diversifiziertes Portfolio. Statt im Garantie- oder Wertsicherungskonzepten zu denken, so unsere Übersetzung des Gehörten, kann es für Stiftungen sehr zielführend sein, im Portfoliokontext zu denken. Erlaubt ist hierbei alles, es gibt keine Verbote für Stiftungen, in irgendeine Anlageklasse zu investieren. Voraussetzung ist, dass die Entscheidung eine gut abgewogene zum Wohle der Stiftung ist. Hat der Stiftungsvorstand sachgerecht entschieden, hat er zum Wohle der Stiftung entschieden, dann muss er nicht befürchten, in die Vermutung einer Pflichtverletzung zu geraten. Ein Hinweis der dann kam, hatte es mir besonders angetan: Die Mischung macht es. Das ist letztlich das, was wir seit Jahren in Bezug auf das Fondsportfolio einer Stiftung postulieren. Auf nur zwei Beinen steht es sich nicht gut genug speziell hinsichtlich des Aspekts der Resilienz des Stiftungsvermögens. Das zeigen die Endowments in den USA seit Jahrzehnten, und deutsche Stiftungen sollten es ihnen nachmachen. Einerseits. Andererseits müssen hiesige Stiftungen ihren eigenen Weg finden, wie sie „diversifiziertes Portfolio“ für sich interpretieren. Stiftungsrechtlich spricht aber nichts dagegen, diesen Weg auch zu finden.

Zusammengefasst

Der 18te Stiftungsrechtstag mit seinen gut 200 Teilnehmern, die zu guten Teilen auch online der Tagung folgten, war wieder wie der Besuch in einem Bienenstock. Überall wuselten Stiftungsrechtlerinnen und -rechtler umher, tauschten sich aus, wogen Standpunkte ab. Für uns ist die zentrale Erkenntnis aus der Veranstaltung jene, dass die Zukunftsfähigkeit des Stiftungsstandorts Deutschland viel eingehender diskutiert wird – entlang dieser einen Frage, die in den Gesprächen immer wieder durchschimmerte: Wie „kriegen“ wir mehr Schlagkraft in den deutschen Stiftungssektor? Die Antwort war klar, und hier wir auch Prof. Katharina Uffmann dankbar für ihre tägliche Arbeit, zum deutschen Stiftungsrecht zu forschen. Das Stiftungsrecht muss näher an die Stiftungspraxis heranrücken. Genau hierzu herrschte große Einigkeit bei den Stiftungsprofis. So gesehen ist das Gefühl ein Gutes, und die Vorfreude auf den 19. Stiftungsrechtstag am 14.2.2025 schwingt unsererseits bereits mit.