Mehr Möglichkeiten im Fundraising, entsprechend groß war die Freude im Non-Profit-Sektor, als im Juni 2021 nach sieben Jahren Anlaufzeit die Stiftungsrechtsreform beschlossen wurde. Schnell waren auch namhafte Beratungshäuser zur Stelle, um die Konsequenzen der Gesetzesänderungen für Stiftungsgründung und -management zu erläutern. Deutlich weniger diskutiert wurde bislang die Frage, welche Veränderungen die Reform für das Fundraising bringt. Die Einschätzung eines Fundraisers mit Jura-Abschluss.
Endlich Planungssicherheit
Wer in der zurückliegenden Legislaturperiode Großspenderinnen[1] betreute, die eine Stiftungsgründung ins Auge fassten, wusste nie genau, was er zu diesem Thema raten sollte. Ist es angebracht, jetzt noch zu stiften? Oder ist es sinnvoller, die Entscheidung des Gesetzgebers abzuwarten? Auch blieb es lange spannend, ob das neue Stiftungsrecht überhaupt Gestalt annehmen würde. Zunächst schien die Reform große Fortschritte zu machen. Dann war sie auf einmal weit weg. Schließlich tauchte der Plan Ende 2019 in den Vorhaben für die zweite Halbzeit der Großen Koalition überraschend wieder auf. Nun wissen wir immerhin: Das neue Stiftungsrecht tritt weitgehend zum 1. Juli 2023 in Kraft und hierzu gibt es schon die erste Fachliteratur. Endlich ist klar, auf welcher Basis wir eine Stiftungsgründung empfehlen oder davon abraten können.
Spenden aus dem Grundstockvermögen?
Zu interessanten Gedankenspielen verleitet der künftige § 83c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Hiernach ist es Stiftungen möglich, einen Teil des Grundstockvermögens zeitweise aufzubrauchen, wenn dieses in absehbarer Zeit wieder aufgestockt wird. Im Fall einer humanitären oder auch klimatischen Katastrophe, die schnell große Summen erfordert, könnten Fundraiserinnen dementsprechend auf die Idee kommen, gezielt um einen Anteil des Grundstockvermögens von Stiftungen zu werben. Jedoch wird es auch in den kommenden Jahren nicht einfacher werden, angemessene Renditen mit der Kapitalanlage zu erzielen. Es dürften sich daher nur wenige Stiftungen auf dieses riskante Spiel einlassen.
Option Stiftungsfusion
Notleidenden Stiftungen in Form von Zusammenlegung und Zulegung ein neues Leben zu geben, war schon vorher grundsätzlich möglich. Allerdings sind solche Stiftungsfusionen aktuell lediglich in den Landesstiftungsgesetzen geregelt und dort in nur wenigen Sätzen. Die Reform widmet dem Thema dagegen ganze zehn Paragrafen (die künftigen §§ 86 bis 86i BGB). Dies dürfte für zahlreiche Stiftungen Anlass sein, sich überhaupt einmal mit dieser Option zu beschäftigen. Damit schlägt wiederum die Stunde von Dachstiftungen und größeren Non-Profit-Organisationen mit eigenen Stiftungsverwaltungen. Denn diese haben die Chance, mit den Versprechen von Synergieeffekten, Sparpotenzialen und Verwaltungserleichterungen gezielt Zulegungen kleiner Stiftungen zu akquirieren. Allerdings erfordert so etwas unter anderem eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse nach Stiftungserrichtung oder die Unmöglichkeit der Zweckerfüllung, denen nicht mal durch eine Satzungsänderung begegnet werden kann (künftiger § 86 Nr. 1 BGB). Und ob Stifter bereit sind, ihre Souveränität aufzugeben, was eine Zulegung üblicherweise mit sich bringt, bleibt ebenfalls abzuwarten.
Business Judgment Rule von Relevanz?
Geradezu gefeiert wurde die Einführung der Business Judgment Rule für die Stiftungsgeschäftsführung. Diese befreit Organe der Stiftung von der Haftung, wenn diese unter Beachtung von Gesetz und Satzung annehmen durften, „auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln“ (künftiger § 84a Absatz 2 Satz 2 BGB). Hierfür ist allerdings erforderlich, dass die Stiftungen überhaupt Organe haben. Bei vielen Treuhandstiftungen und insbesondere Stiftungsfonds unter dem Dach fundraisender Organisationen ist das nicht der Fall. Auch legen nur wenige Fundraising-Abteilungen Wert darauf, Mitarbeiterinnen des Hauses in Vorstände, Beiräte oder Kuratorien der betreuten Stiftungen zu entsenden. Diese Klausel mag manchen Vorstand und manche Kuratorin ruhiger schlafen lassen, für das Fundraising ist sie nur von geringer Relevanz.
Was bringt das Stiftungsregister?
Sicher bin ich nicht der einzige Fundraiser, der manchmal auf sorgfältig vorbereitete Nachfragen zu den Förderkriterien einer Stiftung vom Sekretariat nur folgende Antwort erhält: „Ich soll Ihnen von der Chefin sagen, dass Sie Ihren Förderantrag bitte schriftlich stellen!“ Hier könnte mittelfristig das ab 2026 vorgeschriebene bundesweite Stiftungsregister Abhilfe schaffen. Denn dieses muss gemäß dem künftigen § 82b Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 BGB auch die Stiftungssatzung enthalten und ist von jedermann ohne Angabe von Gründen einsehbar.
Je nachdem wie detailliert die Satzung formuliert ist, lassen sich hier schon einige Fragen zu Stiftungszwecken und Förderkriterien klären. Vielen klassischen Fragen aus dem Erstkontakt zu Stiftungen ist damit allerdings nicht abgeholfen. Denn gegenwärtig geben die wenigsten Satzungen potenziellen Antragstellern darüber Auskunft, ob ein Projekt schon begonnen haben darf, ob weltanschauliche Neutralität verlangt wird, ob Personalkosten förderfähig sind oder ob z.B. eine „Förderung in Frankfurt/Main und Umgebung“ noch Darmstadt und Wiesbaden umfasst. Hier werden auch nach 2026 nur persönliche Nachfragen helfen.
Ebenso wenig sind Sie als Förderstiftung künftig vor Blindgängern gefeit. Anfragen, ob eine Umweltstiftung auch eine Delfintherapie mit benachteiligten Jugendlichen in Greifswald fördert oder gar die Bitte, private Schulden zu bezahlen, werden wahrscheinlich auch 2026 nicht aufhören. Denn wer sich nicht die Mühe macht, einen Blick auf Ihre Website zu werfen, wird sicher auch kein Stiftungsregister konsultieren.
Zusammengefasst
Die Reform des Stiftungsrechts mag viele Vorteile für die Errichtung von Stiftungen und deren Management haben. Im Stiftungsfundraising und auch im Fundraising zugunsten von Stiftungen wird sich dagegen wenig ändern. Die Möglichkeit, neben Zustiftungen auch gezielt um die Zulegung kleinerer Stiftungen zu werben, sollten Fundraising-Verantwortliche aber durchaus im Auge behalten.
[1] Dem Autor liegt viel daran, dass das Bemühen um Gendergerechtigkeit unsere Sprache nicht verunstaltet. Er benutzt daher abwechselnd männliche und weibliche Formen.