Der jährliche Kapitalmarktausblick von Morgan Stanley steht unter der hoffnungsfrohen Namensgebung „Ideas“. Experten der Bank aus den einzelnen Investment-Teams berichteten in einer globalen Übertragung über ihre Analysen und Erwartungen für 2022 und darüber hinaus. Ideen, die für die Vermögensanlage von Stiftungen kompatibel sind, gab es natürlich auch dieses Jahr. Gleichzeitig erfreute sich das Wort „bumpy“ großer Beliebtheit: Holprig werde es. Und was die Inflation angeht: 2% sei nicht mehr die Decke, sondern der Boden des Erwartbaren. Für die Rendite nach Inflation gab es daher auch ein klares Statement: From bad to worse…
Fangen wir mit den Aktien an. Hier sehen die Experten von Morgan Stanley erhöhtes Rückschlagpotenzial vor allem bei US-Titeln, denn deren Bewertung sei überaus ambitioniert. Es seien sehr hohe Erwartungen im Markt, und es sei sehr gefährlich, diese hohen Erwartungen zu enttäuschen, meinte William Lock, Head des in London beheimateten International Equity Teams. Die KGVs der US-Unternehmen lägen im Schnitt 70% oberhalb des langfristigen Mittels. Was er meint konnten Anleger unlängst erfahren, als Meta (vormals Facebook) die Erwartungen eher knapp als deutlich verfehlte – der Kurs rauschte dennoch sehr deutlich ab.
Bumper bei Growth und Value – gleichzeitig
Sehr unüblich sei es, dass man in der jüngeren Vergangenheit „Bumper“ gleichzeitig bei Value- als auch Growth-Aktien gesehen habe. Ein hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis lässt sich durch hohes Gewinnwachstum gewissermaßen reparieren, aber dafür sieht Lock schrumpfenden Spielraum. Morgan Stanley sieht starkes Anziehen der Preise bei Rohstoffen und jedweder Art von Vorprodukten, zudem sei ein erheblicher Mangel an Arbeitskräften auf allen Ebenen absehbar. Das deute auf „wage pressure“ als Risiko hin, also steigende Löhne, die die Margen der Unternehmen unter Druck bringen könnten.
Der Ausblick: Eher verhalten
Dass die Unternehmen mehrheitlich sehr schnell in ihre jetzige, sehr ambitionierte Bewertung quasi hineinwachsen könnten ist bei diesen Rahmenbedingungen eher unwahrscheinlich. Und wenn dann noch eine restriktivere Geldmengenpolitik der Zentralbanken hinzu komme erleichtere das die Dinge keineswegs. Die genannte Alternative zu den bislang so beliebten Techwerten kommt dem Beuteschema von Stitungen sehr entgegen: Quality biete in der aktuellen Phase die besten Aussichten, meint Morgan Stanley. Damit sind jene Werte gemeint, die mit starker Marktposition Preissetzungsmacht besitzen, deren Wachstum zwar relativ gering erwartet wird, deren Cashflows dafür aber umso stabiler sind. Und deren Geschäftsmodell nach Lage der Dinge nicht durch disruptive Technologien bedroht sind.
Die Alternative: Quality
In der #fondsfibel finden sich entsprechende Beispiele, wie Stiftungen dies über Fonds umsetzen können: Der Comgest Growth Europe setzt auf Qualität in diesem Sinne, der Morgan Stanley Global Brands Equity Income sowieso. Und auch beim neuen Fonds in der Liste, dem Hansen&Heinrich-Stiftungsfonds, steht im Aktienanteil Qualität derzeit an erster Stelle. Das gilt auch bei neuen Fondsideen: Der Metzler European Dividend bildet genau diesen Qualitätsgedanken in Reinkultur ab.Die Übergewichtung von Quality macht nach Auffassung der Experten von Morgan Stanley auch aus einem weiteren Grund Sinn: ESG-Kriterien würden im Selektions- und Investitionsprozess immer wichtiger – bei den Fortschritten in diesem Bereich seien die Qualitätsunternehmen führend.
PODCAST-TIPP: Für den #fondsfibel-Ratgeber haben wir mit dem Stiftungsexperten von Morgan Stanley, Andreas Wenk, einen ErklärPodcast zur Rolle der Aktie im Stiftungsvermögen realisiert, mit einigen praktischen Tipps hinsichtlich Aktienquote & Co im Stiftungsvermögen.
Morgan Stanley sicher: ESG-Trend weiter bestimmend…
Denn sie verfügen über die notwendige Kapitalausstattung und Cashflows, um die mit dem Transformationsprozess einhergehenden Kosten gut zu bewältigen. Beeinträchtigt würden hingegen Unternehmen, die ohnehin mit geringeren Margen zu kämpfen haben und deren Geschäftsmodell keine Alleinstellung zulässt: Diese Unternehmen hätten schon heute einen vergleichsweise höheren CO2-Ausstoß – und würden bei der Reduzierung nicht mit Qualitätsunternehmen mithalten können. Die Dekarbonisierung der Wirtschaft ist unstrittig, auf dem Weg dorthin seien aber seitherige Rohstoffe unverzichtbar. Deshalb zeigten sich Vertreter der Bank sehr bullish, wenn es aktuell um Öl- und Gasförderer sowie die damit korrespondierenden Dienstleister geht. Durch die Diskussion rund um die Dekarbonisierung und die Pandemie seien zuletzt nur wenige Investitionen in den Ausbau der Förderung geflossen. Dies würde einerseits zu Nachholeffekten führen – und für zunächst eher steigende Öl- und Gaspreise, auf jeden Fall aber für auskömmliche Preisniveaus.
…aber für eine Übergangsfrist auch die Potenziale der Transitioner nutzen
An dieser Stelle seien die Transitioner besonders aussichtsreich, also jene Unternehmen, die heute noch Teil des Problems sind, die sich aber auf den Weg gemacht haben, Teil der Lösung zu werden. Das gelte im Übrigen auch für Metals&Mining-Unternehmen (Stichwort: Rohstoffe): Bevor ein Windrad oder ein Elektroauto gebaut werden können, müssen sehr viele Rohstoffe aus der Erde gefördert werden. Daher müssen sich Stiftungen die Frage stellen, ob sie angesichts geringer Renditen in vielen Bereichen für eine Übergangszeit doch wieder kohlenstoff-intensive Branchen ins Portfolio aufnehmen wollen. Wichtig: In diesem Fall dürfte ein best-in-class-Ansatz zielführend sein.
Einige Ideen im Fixed-Income-Bereich
Für die Experten von Morgan Stanley stellen Anleihen weiterhin eine attraktive Assetklasse dar. In diesem Bereich lasse sich Nachhaltigkeit besonders gut umsetzen, plauderte ein Referent aus dem Nähkästchen. Denn man sei mit Emittenten in direkten Gesprächen, und zwar dann, wenn sie Geld benötigten, um Unternehmensziele umzusetzen. Entsprechend gut könne man auf ESG-Vorgaben hinwirken. Morgan Stanley erwartet weiterhin eine Zunahme von Green Bonds und vor allem von Social Bonds. Hier sei zu beobachten, dass sie viele eher kleinere Anbieter zu einer Anleiheemission zusammenschließen würden. Das eröffnet Investoren wie Stiftungen die Möglichkeit, in vielen Bereichen zu wirken – und es fördert gewissermaßen die Binnendiversifikation einer Anleihe. Wichtig sei es, für jede Branche eigene, passende ESG-Kriterien zu definieren. Auch im High Yield-Segment gewinne das Nachhaltigkeitsthema an Fahrt, hieß es, denn dort seien eher kleine bis mittlere Unternehmen als Emittenten unterwegs, und die seien für ESG-Vorschläge sehr offen.
Zwei konkrete Bereiche benannt
Konkret benannte Morgan Stanley einige Bereiche, in denen man 2022 Chancen im Anleihe-Bereich sehe. Dies seien zunächst im Investment Grade-Bereich Anleihen von Finanzinstituten. Grund ist die Erwartung steigender Zinsen. Außerhalb des Finanzbereichs sieht Morgan Stanley die größten Chancen im BBB-Bereich. Das allerdings haben bereits viele Stiftungsfonds umgesetzt. Praktisch alle Fonds unserer Liste haben sich, soweit Anleihen im Portfolio sind, aus dem A-Bereich weitgehend verabschiedet. High-Yield Bonds finden die MS-Experten in spezifischen Sektoren interessant, so lange sie relativ kurze Laufzeiten aufweisen. Als Branchen seien Energie, Cable/Media/Broadcasting sowie Baumaterialien aussichtsreich.
Zusammengefasst
Stiftungen werden sich auf anhaltende Inflation oberhalb von 2% einstellen müssen – jedenfalls erwartet auch Morgan Stanley weiterhin spürbare Preissteigerungen. Um überhaupt eine Rendite nach Inflation zu erzielen werden Stiftungen eher früher als später ihre Komfortzone verlassen und in bislang von ihnen vernachlässigte Sektoren investieren müssen. Die gute Nachricht: Das muss nicht zwingend mehr Risiko bedeuten, wohl aber mehr Aufwand. Viel mehr Aufwand.