Harte Zeiten für das Volk der Zinsbinder

Unsere drei Lehren vom Platow Eurofinance Stiftungsforum

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3 Lehren Platow Eurofinance Stiftungsforum 2022
Lesezeit: 7 Minuten

Harte Zeiten für das Volk der Zinsbinder. So fasste Andreas Scholz, Moderator und Chef der DFV-Verlagsgruppe, das Einführungsreferat von Kurt Neuwirth mit einem Satz zusammen und brachte die Gemengelage auch aus Stiftungssicht – indirekt – auf den Punkt. Stiftungen halten gerne an Altbewährtem fest, vielleicht aktuell auch ob der steigenden Zinsen wieder ein Stück weit zu sehr an der Anleihe. Hieran zu rütteln, das war Auftrag des diesjährigen Platow Eurofinance Stiftungsforums – und die Veranstaltung hielt Wort.

Das Platow Eurofinance Stiftungsforum öffnete seine Pforten ab 8:30 Uhr im Stadthaus Frankfurt, am zunächst verregneten Morgen des 18. Oktober. Ich selbst kam mit der U-Bahn an, stieg aus an der Station Dom/Römer, und stand praktisch direkt vor dem Stadthaus. Die Gassen in der neuen Altstadt in der Mainmetropole waren noch menschenleer. Diese Ruhe passte zu dem, was das Platow Eurofinance Stiftungsforum dann programmatisch bereithielt. Denn obwohl Stiftungen gerne die Ruhe behalten im Doing rund um das Stiftungsvermögen, so dürften uns doch den Ausführungen der Stiftungsexperten zufolge eher unruhige Zeiten bevorstehen. Allerdings können Stiftungsverantwortliche darauf durchaus reagieren, und sie sollten dies auch in aller Ruhe tun.

Stiftungen wissen, dass die Dinge nicht so bleiben wie sie sind

Platow-Herausgeber Albrecht Schirrmacher, der mit Andreas Scholz gemeinsam sehr launig durch den Tag führte, wusste in seinen einführenden Worten genau darauf auch abzustellen. Denn dass die Dinge nicht so bleiben werden, das wissen Stiftungen ob ihrer in vielen Fällen langen Historie erst recht. Manchmal tun sie sich aber hart damit, tatsächlich die Zeichen der Zeit speziell im Stiftungsvermögen auch in Aktivität umzumünzen, genau diese ist aber heute gefragt. Das wurde auch durch den Vortrag von Kurt Neuwirth von Neuwirth Finance gleich zu Beginn (hier verlinken auf https://www.neuwirth.de/zinskommentar/aktuell) des Platow Eurofinance Stiftungsforums deutlich. Für ihn ist die Frage, ob wir zum Beispiel auf dem Weg in eine Rezession sind, bereits beantwortet. Mit Ja. Grund ist die Zinspolitik, die sowohl in den USA als in Europa auf restriktiv geschaltet wurde, und die nun nachholen muss, was „ein wenig“ verschlafen wurde. Die inverse Zinsstruktur weist den Weg, wie übrigens früher auch schon immer.

TV-Tipp:
Andreas Scholz war auch beim 3. Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen als Stiftungsexperte mit an Bord. Die komplette #vtfds-Mediathek finden Sie auf www.vtfds.de.

Die EZB muss die Zinsen weiter erhöhen

Gleichzeitig machte Neuwirth Mut. Denn die Inflation wird im kommenden Jahr – zugegebenermaßen und ein paar Nebenbedingungen – zurückgehen, nicht zuletzt weil einige Rohstoffpreise bereits angefangen haben zu fallen und die Basiseffekte ab kommendem Jahr zu wirken beginnen. Zudem wächst die Geldmenge sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks nicht mehr so rasch, was den Weg der Teuerung bereits wieder vorzeichnet. Das Aber schob er sogleich hinterher. Wie weit die Zinsen steigen, das vermochte er nicht zu sagen, weshalb sich für das Stiftungsvermögen Unsicherheiten ableiten lassen. „Die EZB muss die Zinsen weiter erhöhen, sie kommt daran nicht vorbei.“ So fasste Kurt Neuwirth den Rahmen zusammen, in dem sich Stiftungen mit ihren Vermögensentscheidungen bewegen in den kommenden Monaten. Es gab schon mal bessere Zeiten für Anleger, so ließe es sich auch formulieren.

Platow Stiftungsforum 2022 - Geht los
Am 18.10.2022 stieg ab 9 Uhr das Platow Eurofinance Stiftungsforum im Stadthaus in Frankfurt am Main.

Lehre Nummer 1: Der Zins feiert ein Comeback, aber ein kleines.

Dennoch: Greifen wir aus Stiftungssicht die Hoffnungsschimmer heraus, dann wird es wieder ganz ordentlich Kupon in Zukunft geben, dazu recht günstige Aktien, und auf den Immobilienmarkt und dessen Renditen werden steigende Zinsen auch einen positiven Effekt haben. So destruktiv das Umfeld derzeit also scheint, so konstruktiv lassen sich für den nächsten Zyklus Entscheidungen für das Stiftungsvermögen auf dieser Basis treffen. Es gilt hier auch, mit dem richtigen Sparringspartner ins Sparring zu gehen, vielleicht um die Dinge mal aus stiftungsspezifischer Sicht zu sortieren. Womit wir beim fast schon traditionellen Elevator Pitch im Rahmen des Platow Eurofinance Stiftungsforums wären. Diesmal begrüßte ich wieder vier Vermögensprofis, die ihrerseits vier spezielle Expertisen in den Pitch mitbrachten.

Absolute Return kann absolut was für Stiftungen sein

Wie etwa Thomas Böckelmann von Euroswitch, den Euroswitch Absolute Return. Natürlich sprachen wir im Pitch sogleich über diese beiden Worte, die gerade in schwierigen Börsenphasen gerne wieder hervorgekramt werden. Thomas Böckelmann konnte aber sehr schön zeigen, dass hier ein gewachsenes Dachfondskonzept zur Diskussion steht, das auf einen breiten Strategienmix setzt und dessen Leistungsparameter offensichtlich erste Stiftungen überzeugt haben. Eingesetzt wird der Fonds dort als konservativer Basisbaustein, der in der Lage ist, große Drawdowns zu vermeiden und der eben regelmäßig Performance liefert, die dann entsprechend über Umschichtungen für die Zwecksphäre nutzbar gemacht werden kann. Stiftungen müssen hier sicherlich prüfen, ob die Einzelstrategien zu ihren Anlageregularien passen, aber das versteht sich von selbst.

FondsFibel

Lehre Nummer 2: Es gibt sie noch, die Ausschüttungsspezialitäten

Zu prüfen, das heißt es auch beim von Michael Legnaro von Agora Invest vorgestellten Agora Invest REM 2 Social & Care Fonds. Hier handelt es sich um einen Fonds, der im Bereich der nachrangingen Finanzierungen von Sozialimmobilien seinen Investitionsschwerpunkt hat. Die Anlegergelder werden also eingesammelt, um sie als Nachrangfinanzierung bei der Erstellung von Sozialimmobilien weiterzureichen. Betrieben werden die Immobilien jedoch nicht. Dieser Markt ist speziell, er ist nicht endlos groß, aber Michael Legnaro und sein Team können, bezogen auf die Ausschüttungshistorie des Fonds, eine überzeugende Vorstellung abliefern. Die Ausschüttung lag in den letzten Jahren bei um die 6% pro Jahr, das kann sich sehen lassen, der Fonds weist mittlerweile auch ein Volumen von knapp 200 Mio. EUR auf. Michael Legnaro erläuterte zudem die Parameter, die dafür sprechen, das dieses Finanzierungssegment sogar zu den Profiteuren von steigenden Zinsen gehört.

Sparringspartner rund um die Immobilienfinanzierung

Expertise Nummer 3 im Elevator Pitch drehte sich ebenfalls um Immobilien. Christoph Jacob von Neuwirth Finance brachte Immobilien- und Zinsexpertise mit in den Elevator Pitch mit vier Vermögensprofis. Für Stiftungen ist derlei interessant, können sie sich doch beim Kauf von Immobilien einen externen Spezialisten als Sparringspartner zu Rate ziehen. Denn bei Immobilien ist häufig eine Finanzierung vonnöten, und hierbei müssen die Parameter einfach passen. Bei 4% Zins ist so eine Immobilienfinanzierung auch etwas gänzlich anderes als bei 0%, wie Christoph Jacob betonte. Genau diese Zeitenwende sehen wir aber gerade, weshalb das Austarieren der Parameter einer Immobilienfinanzierung umso wichtiger ist. Wichtiger Hinweis am Rande: Neuwirth Finance veröffentlicht einen lesenswerten Zinskommentar, und zwar zweiwöchentlich, hier wird dem Zinsmarkt also regelmäßig der Puls gemessen.

Platow Stiftungsforum 2022
Im Elevator Pitch beim Platow Eurofinance Stiftungsforum „stellten“ sich Thomas Graf von Hedemann (Fidelity of Georgetown), Christoph Jacob (Neuwirth Finance), Michael Legnaro (Agora Invest) und Thomas Böckelmann (Euroswitch) mit ihren Konzepten dem Publikum (v.l.n.r., mit stiftungsmarktplatz.eu-Gründer Tobias Karow, ganz rechts). Quelle: dfv EFG

US-Zweitmarkt-Lebensversicherungen als stiftungsgeeignetes Investment?

Die vierte Spezialität im Elevator Pitch war dann abschließend ein Investment in US-Zweitmarkt-Lebensversicherungen. Thomas Graf von Hedemann von Fidelity of Georgetown wusste die Details dieses sehr speziellen Investments sehr pointiert darzulegen. Aus Stiftungssicht ist derlei mit ein paar Aspekten versehen, die eine genaue Prüfung verlangen. Erst einmal ist solch ein Investment eines ohne Ausschüttung, die Rendite resultiert daraus, dass Risikolebensversicherungen aus den USA deutlich unterhalb des Rückzahlungsbetrags erworben werden. Ebenfalls erwirbt eine Stiftung keinen Fonds oder Ähnliches, sie erwirbt ein Bezugsrechts auf eben diese oder jene Lebensversicherung, für die Thomas von Hedemann und sein Team vorab per Auktion geboten haben. Bezugsrechte sind buchhalterisch zu prüfen, hier muss die Anlagerichtlinie auf jeden Fall mitspielen. Aber, und darauf hob von Hedemann ab, dies dürfte von Stiftung zu Stiftung unterschiedlich gesehen werden. Letztlich ist eine Stiftung hier im Bereich der Alternativen Anlagen „unterwegs“, sie braucht einen gewissen Atem, und sie muss die resultierenden Erträge dann auch für ihre Zwecke verwenden dürfen. Spannend war es auf jeden Fall, eine solche Idee im Stiftungskontext zu diskutieren.

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Lehre Nummer 3: Stiftungen werden Plattformen brauchen

Neben diesen Anregungen für die Vermögenssphäre einer Stiftung förderte das Platow Eurofinance Stiftungsforum noch ein paar andere Erkenntnisse zutage. Für uns am wichtigsten war jene, dass Stiftungen sich stärker mit den Plattform-Realitäten vertraut machen sollten. Sonja Peichl von der Caritas Gemeinschaftsstiftung im Bistum Limburg brachte zum Beispiel die Frage auf, warum es noch kein Parship für Stiftungsprojekte gibt, also ein Matching-Werkzeug, bei dem Geldgeber und Projekte sich einfacher finden. Dies regte natürlich Diskussionen an. Gibt es so etwas nicht schon? Braucht es so was wirklich? Kann der Sektor das überhaupt leisten? Fragen über Fragen, die solch ein Plattform-Angebot aber vom Anfang her denken, von der Machbarkeit her.

Stiftungsmittel müssen in Bewegung kommen

Vom Ergebnis her gedacht würden diese Fragen so nicht gestellt werden. Wenn Fördermittel bzw. Stiftungsmittel in Bewegung gebracht werden können, wenn Klein- und Kleinststiftungen konkrete Anregungen finden, wie sie ihre Zweckausgaben zielgerichteter einsetzen können, dann würde dies auf die Relevanz des Sektors einzahlen. Denn die Frage, was eigentlich die vielen kleinen Stiftungen mit ihren paar Euro machen, die würde es so nicht mehr geben. Auch würden Mittelvergaben in einen Prozess eingekleidet, den jeder nachvollziehen kann. Für die Vergabe von Projektgeldern wird die Plattform xy genutzt, das wirkt „draußen“ ganz anders als „Wir entscheiden das im Einzelfall“. Fakt ist, und das nehmen wir als Lehre aus diesem Impuls mit, dass derlei gut platziert war auf dem Platow Eurofinance Stiftungsforum, denn es regte an zum Über-den-Tellerrand-blicken.

Zusammengefasst

Mit dem Platow Eurofinance Stiftungsforum hat auch die Stiftungsstadt Frankfurt am Main ihr Stiftungsevent von Rang. So bewerten wir die Veranstaltung ob des Programms und der Gespräche, die wir am Rande des Programms führen durften. Für das Stiftungsvermögen spannte sich ein Diskussionsfeld zwischen Zinswende und Zeitenwende auf, was in der aktuellen Verfasstheit der Märkte durchaus seine Berechtigung hat. Stiftungsvermögen muss den neuen Parametern Rechnung tragen, es wird das aber auch können, unter anderem der im kommenden Jahr in Kraft tretenden Stiftungsrechtsreform sei Dank. Gleichzeitig, und dieser Gedanke gefiel mir gut, können sich Stiftungen immer auch auf das besinnen, was gerade die älteren unter ihnen schon früher wussten. Aktionismus bringt Stiftungen nicht voran, eher der Blick für das große Ganze und die lange Frist. Und Zeitenwenden gehören hier einfach dazu.