„Denken Sie lieber in Anlageklassen und nicht in Einzelinvestments“

Auf eine Segelboot-Inspektion mit dem begeisterten Segler Arndt Funken, Ansprechpartner für Stiftungen bei Aquila Capital

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Arndt Funken
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Wer in der Jugend einen Weinberg anlegt, der hat im Alter Trauben. Solch charmante Weisheiten teilt Arndt Funken, Ansprechpartner für Stiftungen bei Aquila Capital in Frankfurt Main, im Interview, weiß gleichzeitig aber auch die Parallele zur tagesaktuellen Stiftungspraxis zu ziehen. In dieser dreht sich heute und in Zukunft viel um die Frage, wie hoch der Anteil an Alternativen Anlagen im Stiftungsvermögen sein soll. Denn das „Ob“ hat die Nullzinsphase eigentlich auch hierzulande bereits beantwortet.

FondsFibel: Lassen Sie uns über Private Markets bzw. Alternative Anlagen im Stiftungsvermögen sprechen – brauche ich die als Stiftung überhaupt, wenn es wieder Zins gibt?

Arndt Funken: Erst einmal muss man hier etwas genauer definieren, von welchen Alternativen Anlagen wir sprechen. Sie könnten damit zum Beispiel Immobilien, Infrastrukturanlagen oder Private Equity meinen. Alle Anlagen haben ein unterschiedliches Risiko-/Rendite-Profil. Die Kernkompetenz von Aquila Capital liegt im Bereich defensive Infrastrukturanlagen, von daher kann ich hier mal aus dem Nähkästchen plaudern. Nehmen Sie hier einen operativen Windpark oder Solarpark, der laufend Strom produziert. Die langfristige Renditeerwartung liegt etwa bei 7 bis 8%, wovon jährlich zwischen 4 und 5% an operativem Ertrag ausgeschüttet werden.

In Zeiten der Nullzinspolitik war der Abstand zu Zinspapieren deutlicher. Heutzutage – Stand April 2023 – rentiert eine deutsche Bundesanleihe bei um die 2%, eine Unternehmensanleihe (BBB) bei um die 4%. Manche Anleger würden jetzt wohl gerne erleichtert Friedrich Schiller zitieren: „Kurz ist der Schmerz und ewig währt die Freude.“ Aber ändert diese Marktphase etwas an dem Grundgedanken, alternative Investments in ein breit diversifiziertes Portfolio mit aufzunehmen? Ich würde hier zu bedenken geben, (1) wie sieht es denn mit Inflationsschutz, (2) mit Risiko-Reduzierung – also weniger Korrelation zwischen den Anlageklassen und breitere Diversifizierung und (3) Nachhaltigkeit – gemeint ist ein messbarer Impact – aus? Letzten Endes geht es ja auch darum, das Stiftungskapital in seinem Wert zu erhalten und das wird eben nicht nur mit einer nominalen, sondern realen Rendite erreicht. Das heißt, nach Abzug der Inflation muss mindestens eine Null herauskommen, sonst lügt man sich nur in die Tasche.

Arndt Funken

FondsFibel: Wie hoch sollte nun die Quote sein, wenn sei denn „sein muss“? Laut der bekannten NACUBO-Umfrage liegt der Anteil von Private Market-Anlagen bei den US-Universitätsstiftungen bei zwischen 20 bis 30%. Kann das eine Maßgabe auch
für hiesige Stiftungen sein?

Arndt Funken: Bei deutschen Stiftungen sieht es wohl immer noch so aus, dass der Kapitalstock zu 60 bis 70% in „sichere“ Anleihen und zu 30 bis 40% in Aktien investiert wird. Einen großen Stellenwert in Stiftungsportfolios bilden zudem Immobilien, die entweder direkt gehalten werden oder über Immobilienfonds. Man könnte diese als einzige „alternativen Anlagen“ ansehen, über die eine Stiftung verfügt. In den vergangenen Jahren niedriger Renditen haben Stiftungen die Bereiche Aktien und Immobilien dann weiter ausgebaut, um eine höhere reale Rendite zu erzielen. Doch das aktuelle Marktumfeld offenbart nun, wie unsicher und volatil der Aktienmarkt sein kann und dass man mit defensiven Immobilieninvestments von 2 bis 3% Rendite auch nicht unbedingt die Inflation schlägt. Beide Investmentklassen gehören zwar in ein diversifiziertes Stiftungsportfolio, sind aber nicht der Weisheit letzter Schluss.

FondsFibel: Sondern?

Arndt Funken: Schaut man sich zum Beispiel die Portfolio-Zusammensetzung von großen Universitäts-Stiftungen wie Stanford, Harvard oder Princeton an, wird deutlich, dass diese nur etwa ein Viertel bis ein Fünftel in Anleihen investieren. Das übrige Portfolio setzt sich aus anderen Assetklassen zusammen: hier finden sich Anlageklassen wie Aktien, Private Equity, Absolute Return-Strategien und Sachwerte. Nun wäre für Stiftungen ein schneller Umbau des Portfolios ohnehin nicht möglich, aber US-amerikanische Universitätsstiftungen könnten doch eine Inspirationsquelle sein. Denken Sie daher lieber in Anlageklassen und nicht in Einzelinvestmententscheidungen. Wenn Sie das Stiftungsvermögen bisher nur in Kategorien wie Anleihen, Aktien und Immobilien investiert hatten, können Sie durchaus auch über Investitionen im Bereich Infrastruktur oder Erneuerbare Energien nachdenken.

FondsFibel: Private Markets, das heißt auch Korrelation. Was bedeutet Korrelation eigentlich genau? Und was macht ein gering mit den Märkten korreliertes Investment mit meinem Stiftungsvermögen?

Arndt Funken: Korrelation beschreibt erstmal einen mehr oder minder intensiven Zusammenhang zweier Werte. Eine Analogie für eine positive Korrelation wäre: Wenn es viel regnet, dann steigt der Wasserstand. Im Portfolio-Kontext sucht ein Investor für gewöhnlich nach einer negativen Korrelation. Nur so kann sich ein Investor vor hoher Volatilität schützen und sicherstellen durch alle Marktphasen zu segeln. Investiert er zum Beispiel ganz klassisch in Aktien und Anleihen, dann tut er dies in der Hoffnung in guten Zeiten, die von konjunkturellem Aufschwung geprägt sind, positive Renditen am Aktienmarkt zu erzielen. Zeigt der Markt Schwäche und es bestehen Unsicherheit, Rezessionsängste, Inflationserwartungen, soll ihm der Anleihe-Teil des Portfolios Seelenfrieden geben. Das ist aber eine sehr einfache Sicht. Seit der Finanzkrise 2008 wissen wir, dass Aktien und Anleihen auch miteinander korrelieren können. Die Finanzmärkte sind somit zu sehr unruhigen Gewässern geworden, wo man nach einem Felsen in der Brandung Ausschau halten sollte. Und hier sind wir wieder bei dem Gedanken, nach Anlageklassen zu diversifizieren. Das können Immobilien oder eben auch Infrastrukturinvestitionen sein, die nicht an der Börse gelistet sind und somit weniger mit den volatilen Aktien und Anleihemärkten korrelieren. Ein Baustein aus Alternativen Investments bringt somit Ruhe ins Portfolio.

vtfds2023 - 4. Virtueller Tag für das Stiftungsvermögen

FondsFibel: Private Markets bzw. Alternatives werden immer stärker demokratisiert, das heißt auch kleinere und mittelgroße Stiftungen können sich hier veranlagen. Wird dies das Profil dieser Anlagen verändern, wenn der Kreis der Investoren sich vergrößert?

Arndt Funken: Die Herausforderungen unserer Zeit beinhalten, unsere Energiesysteme nachhaltiger auszurichten, die Digitalisierung voranzutreiben und unsere marode Infrastruktur zu erneuern. All diese Megatrends benötigen Kapital. Stiftungen wollen Gutes tun, ihr Kapital besser und nachhaltiger allokieren, einen Impact schaffen. Viele setzen dies auch bereits im Stiftungsportfolio um. Allerdings bietet der Markt neben einer Vielzahl von liquiden, börsennotieren Anlagelösungen bisher kleinen bis mittelgroßen Stiftungen mit einem Stammkapital von – sagen wir – bis zu 20 Mio. EUR kaum Investmentalternativen im Bereich nicht-börsennotierte Sachwertanlagen. Durch eine Novellierung von europäischen langfristigen Investmentfonds sog. ELTIFs könnte sich dies aber Anfang 2024 ändern. Das bedeutet, dass es mit dem ELTIF ein reguliertes Anlageinstrument gibt, das es auch kleinen Stiftungen ermöglicht, direkt in Sachwerte wie Erneuerbare Energien, Batterien oder Energieeffizienz zu investieren.

FondsFibel: Aus der Historie wissen wir, was früher der Weinberg war, das ist heute das Windrad. Kann man diesen Zirkelschluss ziehen, dass solche Investments Stiftungen solide über die Zeit und vor allem über Zeitenwenden hinweg „tragen“?

Arndt Funken: „Wer in der Jugend einen Weinberg anlegt, hat im Alter Trauben.“ Besagt ein altes Sprichwort. (lacht) Aber Sie können hier durchaus eine Parallele zum langfristigen Anlagehorizont ziehen. Der Kapitalstock von Stiftungen ist auf Ewigkeit ausgerichtet. Infrastrukturinvestitionen verhalten sich ganz ähnlich. Die Konzessionen für Infrastrukturanlagen laufen sehr lang 10 Jahre und mehr, der Anlagehorizont ist bei z.B. offenen Alternativen Investmentfonds (AIFs) sog. „Evergreens“ unendlich. Nichtdestotrotz können schon im ersten Jahr Ausschüttungen fließen. Zudem wissen wir, wie notwendig der Ausbau unserer Infrastruktur in Deutschland und Europa ist, das wird uns nicht nur von der Politik gesagt. Wir sehen es jeden Tag, wenn wir Infrastruktur benutzen, sei es mit der Bahn, dem Auto oder dem Licht in unserer Wohnung.

FondsFibel: Eine Frage an den früheren Stiftungsmanager. Wann ist Stiftungsvermögen für Sie zeitgemäß UND pflichtgemäß investiert? Müssen wir weg vom Verwalten hin zum Management? Und ist zeitgemäß und pflichtgemäß vielleicht das neue „ertragreich und sicher“?

Arndt Funken: Auch wenn Stiftungen nicht jedem Trend in der Finanzwelt hinterherrennen müssen, so agieren sie dennoch nicht im luftleeren Raum. Gerade am Stiftungsrecht erkennen wir, dass Anpassungen an die moderne Zeit notwendig sind bzw. waren. Die letzte Reform war 2002. Es geht also sehr langsam, wie wir es bei Stiftungen eben gewöhnt sind. Am 01.07.2023 tritt nun endlich eine Reform in Kraft, die das Potenzial hat, einiges zu verändern. Bezogen auf die Kapitalanlage wurde eine sog. Business Judgement Rule (BJR) definiert. Hierdurch wird letztendlich der Vorstand einer Stiftung geschützt. Solange er bei der Kapitalanlage sorgfältig vorgeht, zum Wohle der Stiftung handelt, kann ihm keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden. Eine Pflichtverletzung würde ich sogar schon annehmen, wenn ein Vorstand nur auf den nominalen Werterhalt des Vermögens schielt, aber nicht auf den realen Werterhalt. In Zeiten hoher Inflation muss sich jeder Stiftungsverantwortliche diese Frage stellen. Und hier möchte ich nochmals darauf hinweisen, wie es die großen Stiftungen vormachen. Sie investieren zu gleichen Teilen in mehrere Assetklassen Aktien, Anleihen, Immobilien, Infrastruktur, Land etc. Ob das am Ende der Weinberg ist oder das Windrad. Das entscheiden Sie, aber diversifizieren Sie!

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FondsFibel: Am Diversifikationsgebot kommen Stiftungen einfach nicht vorbei, danke an dieser Stelle für diesen Appell – und auch für das ausführliche Gespräch.