Das Schweigen der Stiftungswebsites

Wie Stiftungen das Schreiben für sich entdecken

5282
Schreiben für die Stiftungswebsite
Lesezeit: 5 Minuten

Wenn wir mit dem Storytelling auf der Stiftungswebsite beschäftigen, dann setzen wir voraus, dass Stiftungen ihre Geschichten kennen und diese einfach nur zu Papier bringen müssen. Was wir dabei ignorieren ist das Scheitern am Schreiben, am Ausarbeiten einer Storyline, am Transportieren von Bildern. Dieses Scheitern am Schreiben für die Stiftungswebsite muss aber nicht sein, es gibt einfach ein paar Regeln, mit denen Stiftungen ihre Geschichte ganz einfach „zu Papier bringen“, wie wir früher gesagt hätten. Denn Schreiben kann die pure Freude sein.

Ein weißes Blatt Papier. Eine Tastatur. Einen Cappuccino. Eine Marzipanpraline. Eine Geschichte. Ein Bildmotiv. Es sind diese sechs Dinge, die ich zum Schreiben brauche. Ein guter Artikel ist jener, den ich schon eine Weile mit mir herumgetragen habe, mit dem ich schwanger gegangen bin, der sich praktisch im Kopf schon zurechtgeformt hat und den ich dann eigentlich nur noch runterschreiben muss. Genau das lässt sich in meinen Augen auch wunderbar auf Stiftungsgeschichten übertragen, denn diese vielen Geschichten, die sie zu erzählen haben, die tragen sie auch schon recht lange mit sich herum. Stiftungen machen Projekte, helfen Menschen, tun Gutes, und das leichteste wäre es, drüber zu reden – bzw. zu schreiben.

STIFTUNGSGESCHICHTEN DÜRFEN NICHT LANG UND WELIG SEIN

Dennoch fällt vielen Stiftungsverantwortlichen das Aufschreiben der Geschichte schwer, ausweislich vieler Stiftungswebsites. Dort finden sich allerlei Angaben zur Stiftung, sachliche Hintergründe, aber die Geschichten die einen vom Hocker reißen oder zu Tränen rühren, die finden sich noch zu selten auf der Stiftungswebsite. Vielleicht sollten Stiftungsverantwortliche mal eine Autozeitschrift zur Hand nehmen, wie dort das Auto dargestellt wird. Es wird die Beschleunigung transportiert, das Gefühl beim Abbremsen, das Kurvenfeeling, wie es einem ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Der Kofferraum, in den 80ern praktisch das Zentrum einer jeden Analyse eine Familienkombis, ist nur mehr Randnotiz. Denn im Netz bzw. im Zeitalter der Geschichten ist der Kofferraum was er ist: langweilig. Aber genau lang und weilig dürfen Geschichten nie sein. Auch nicht die Stiftungsgeschichten.

WENN NACH DER BIKERTOUR GEGRILLT WIRD

Oder haben Sie schon mal ein Outdoor-Magazin durchgeblättert? Hier werden auch gute Texte verfasst, aber ich blättere hier einfach gerne durch und lasse mich durch die Bildsprache inspirieren. Was transportiert diese? Das Ausbrechen aus dem Alltag, das Erleben von Dingen die man aus Büchern kennt, das Erforschen seiner selbst und das Ausklinken aus dem Trott. Die Bilder stehen oftmals für sich, wenn etwa eine Kanufahrerin inmitten eines Flusses auf den Sonnenuntergang zu paddelt und dabei einen Schluck aus der Trinkflasche nimmt. Oder das Feuer, abends nach einer Bikertour, ich rieche dort das, was auf dem Hängerost liegt. Das sind Geschichten die ziehen, und sie ziehen heute erst recht, wo wir nach Abwechslung dürsten, und auch nach Wegen, Menschen zu begeistern.


LESETIPP: Spaltet die Digitalisierung die deutsche Stiftungslandschaft, etwa in jene Stiftungen die Storytelling können und jene die es nicht können?

NICHT AUFZÄHLEN, SONDERN ERZÄHLEN

Einige große NGOs bekommen derlei in ihren Magazinen und Projektwebsiten auch hin, aber ich würde mir solche Geschichten einfach von mehr Stiftungen wünschen. Die Gründe, warum ich solche Geschichten zu selten auf einer Stiftungswebsite finde, sind vielfältig. Es fehlt in vielen Fällen einfach an der Ressource „Schreiberling“, der für mich meine Geschichten mitstenografiert und dann „runterschreibt“. Und schreiben im Sinne von erzählen und eben nicht von aufzählen. Erzählen ist Handwerk, und dieses muss gelernt werden, was wiederum einen Aufwand an Ressourcen bedeutet. Ein Ausweg könnte eine Unternehmenskooperation sein, die den Autor bezahlt, dafür Geschichten rund um das eigene CSR-Engagement bekommt, gleichzeitig aber auch fest das Doing der Stiftung in den Erzählplan mit einbezieht. Kostet eine Stiftung nichts, bringt aber Inhalte.

STIFTUNGSWEBSITE ERZÄHLTSTIFTUNGSGESCHICHTEN

Nur sind solche Ansätze nicht immer perfekt geeignet, eine Stiftungsgeschichte zu erzählen. Denn das was die Stiftung tut, darf nicht mitgemacht werden, sondern sollte originär und individuell erzählt werden. Also müssen eigene Ressourcen aufgebaut werden – oder der gute Draht zu Leuten, die beispielsweise einen Blog betreiben, auf dem Stiftungsgeschichten stattfinden. Das schreibe ich als Blogger, der weiß, wie schwer sich Stiftungen damit tun, eine Vertrauensbasis zu Medien zu finden. Medien wollen in den Augen vieler Stiftungen nichts Gutes, sie wollen schnelle Storys, die sie verblasen können. Sie wollen Reichweite, heute, hier, jetzt, sofort. Solche Medien gibt es, aber es gibt eben auch stiftungsspezifische Blogs, die Stiftungsgeschichten erzählen wollen, auf die aus der Stiftungswebsite heraus verlinkt werden kann.

HAT IHRE STIFTUNG KONTAKT ZU PODCASTERN UND BLOGGERN?

Es gilt aus Stiftungssicht eine Vertrauensbasis zu Medien und Multiplikatoren aufzubauen, speziell solchen die in den neuen Medien unterwegs sind. Das haben zu wenige Stiftungen, zu wenige Stiftungen senden proaktiv ihre News an die Stiftungsblogs, zu wenige Stiftungen kennen die Macher dahinter, zu wenige Stiftungen senden ein Manuskript und bieten ein Gespräch dazu an. Warum ist das so? Ist das Ressourcenknappheit? Zum Teil. Es ist eher so, dass Medien eben gemieden werden, Umfragen zufolge wird Verbänden und Interessenvertretern einfach strukturell mehr vertraut als Medien, als Blogs, als Podcastern – zumindest in der Ebene, selbst mit Inhalten in diesen Blogs und Podcasts aufzutauchen. Mittelbar werden Blog und Podcasts schon genutzt, sonst würden die Nutzerzahlen hier nicht förmlich explodieren.

STIFTUNGEN SOLLTEN FÜR IHRE STORY MIT DER SPRACHE SPIELEN

Zum Schreiben gehört aber auch das Spielen mit der Sprache, und die Fähigkeit, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Aber Stiftungen nehmen sich – zu Recht – in der Regel sehr ernst. Aber ohne Distanz kein guter Text, manchmal muss man sich beim Schreiben über die Schulter blicken und sich fragen, für wen der Text jetzt eigentlich geschrieben wird. Für sich selbst oder für einen Kreis von Adressaten, einer Zielgruppe. Das fehlt vielen Stiftungsgeschichten, und damit findet dieses Spiel mit Texten und Formaten auch auf den Stiftungswebsites nicht statt, wodurch sich eine gewisse Monotonalität auf der Stiftungswebsite einstellt. Das wiederum schreckt Nutzer eher ab, das ist so n bisschen der Modern Talking-Effekt: Das gleiche Lied elfmal in die Charts gebracht, nur mit jeweils anderem Text. Hier müssen sich Stiftungswebsites bzw. die geschriebenen Texte abheben, ganz klar.

STIFTUNGSWEBSITES LEBEN VON GUTEN BILDERN

Was Stiftungen auch selten haben ist gutes Bildmaterial. Bilder sind aber eminent wichtig um eine Geschichte zu transportieren, denn Bilder erzeugen etwas im Kopf, und wenn es nur die Lust ist, schnell mal den Ort, an dem das Foto aufgenommen wurden, zu googeln. Zum Schreiben für die Stiftungswebsite gehören gute Bilder wie selbstverständlich dazu, und das ist in Zeiten von mobile device keine Hürde mehr. Kamera an, Portraitmodus wählen, Foto schießen, den Wärmegrad wählen und das Bild noch in Richtung Sättigung, Brillanz und Helligkeit bearbeiten, das dauert keine fünf Minuten. Das Bild per Mail verschickt, auf die Stiftungswebsite geschossen, fertig, das ist kein Aufwand mehr, umso mehr irritiert es, dass auf vielen Stiftungswebsites so wenig mit Bildern gearbeitet wird.

ZUSAMMENGEFASST

Auf zu vielen Stiftungswebsites wird geschwiegen. Dort wird aufgezählt was die Stiftung alles macht statt zu erzählen, was die Stiftung alles macht. Das ist ein Unterschied, speziell wenn wir wissen, dass wir im Zeitalter der Kommunikation leben. Das Schreiben für die Stiftungswebsite gehört in diesem Umfeld zum Handwerk wie früher das souveräne Ausfüllen der Karteikarte, Schreiben ist Sprechen, Schreiben ist Erzählen, und Erzählen ist das, was eine Stiftungswebsite künftig können muss. Eine Stiftungswebsite darf nicht schweigen, sie darf am Erzählen nicht scheitern. Das Schreiben selbst bedarf einiger Ressourcen, ja, aber diese Hürde ist zu überspringen, manchmal auch mit dem Kniff, das andere, etwa Blogger oder Podcaster, die eigene Stiftungsgeschichte erzählen. Dafür braucht es dann nur das Material, wie beim guten Handwerker. Um den bemühen sich Stiftungsmenschen ja auch.