Das MacGuffin in der Stiftungskommunikation

Was Stiftungen für die Stiftungskommunikation aus dem Handy-Eiscreme-Dilemma der jungen Generation ableiten können

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MacGuffin in der Stiftungskommunikation
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Stiftungen stecken hier und da in einem Dilemma die digitale Welt betreffend. Es ist die Frage nach dem wieviel. Wieviel alte Welt, und wieviel neue Welt darf es sein, im Täglichen, in der Stiftungskommunikation, im Fundraising, im Datenverwalten, in der Zielgruppenansprache, und und und. Wir haben mal drei Gedanken zu Papier gebracht, warum am Ende des Tages die neue, digitale Welt des Öfteren die Oberhand haben dürfte. Ausschlaggebend dafür war eine S-Bahn-Fahrt.

Es war um die Mittagszeit herum, ich fuhr mit der S-Bahn stadtauswärts. Viele Schülerinnen und Schüler waren zu diesem Zeitpunkt unterwegs. Mir gegenüber saßen zwei Zehntklässler, die beide in der einen Hand ein Handy und in der anderen Hand einen Becher mit Eiscreme hatten. Die alte Welt hielt aber die Gemeinheit bereit, dass der Eisbecher nur mit einem Eislöffel zu essen war. Beide Zehntklässler begannen mit sich zu kämpfen, mit der Entscheidung, was sie zur Hand nehmen – Eisbecher und Eislöffel oder Handy. Es war der Kampf der alten gegen die neue Welt, den ich dort beobachten durfte. Denn das Handy zu bedienen und sofort auf Posts und Pings zu reagieren, das bedarf zweier Hände. Einen Eisbecher zu essen aber auch.

Eisbecher oder Handy, beides geht nicht

In der Folge wiederholte sich ein schönes Schauspiel. Beide legten Handy und Eisbecher auf den linken bzw. rechten Oberschenkel, nahmen abwechselnd Handy und Eisbecher in die Hände. Während sie am Handy kommunizierten, was sich deutlich von der Art der Kommunikation, wie ich sie führe, unterscheidet, schmolz das Eis im Eisbecher dahin. Aßen die beiden jedoch ihr Eis, kamen sie mit dem Beantworten ihrer zahlreich einflutenden Nachrichten, News nicht hinterher. Die Entscheidungshektik, die die beiden erfasste, war deutlich zu spüren. Beide fragten sich, was sie bevorzugen sollten, das Handy oder den Eisbecher, beide kämpften mit sich. Am Ende war der Gewinner klar: Es war das Handy. Der Eisbecher wurde mitsamt der glibberigen Soße in den Abfallbehälter entsorgt.

Digitale gehen vor reale Präferenzen

Die Begründung war in beiden Fällen, dass sie sich das Eis ja später oder morgen noch besorgen könnten, aber bei dieser oder jener Konversation außen vor zu sein, nicht am Puls der Zeit zu sein, nicht geliked zu werden für eine Antwort, das kam nicht in Frage. Das Eis war austauschbar, der sofortige Post im Hier und Jetzt war es nicht, das Nicht-Dabeisein im digitalen Chat war keine Option. Hier haben zwei Teens den digitalen Präferenzen ihres virtuellen Ichs den Vorzug gegeben vor den Genusspräferenzen ihres realen Ichs. Ein Eis, so lecker das ist, ist keine Pause im Virtuellen wert, das reale Ich hat hier zurückzustehen, die Kommunikationsfrequenz muss hoch bleiben, ich muss dabeibleiben, sonst kann ich schon morgen nicht mehr mitreden und werde im digitalen Raum ignoriert.  Was bei mir ein „is doch wurscht“ emporkriechen lässt, manifestierte sich bei den beiden Teens als ein „is wichtiger als alles andere“.

Keine Stiftungskommunikation ist keine Option

Hier prallen also Welten aufeinander, weil hier Generationen aufeinanderprallen. Dort die Teens, hier der Mittvierziger, der sich einst noch das Handelsblatt bei der Bank schnorrte, um früher an Börseninfos zu kommen. Was Stiftungen hier lernen können in der Stiftungskommunikation bzw. in der Ansprache dieser heutigen Teens, die in kaum zehn Jahren eine relevante Spendergeneration anführen werden, sind die folgenden drei Dinge:
1) Bevor diese heute junge Generation nicht kommuniziert, gefriert im Sommer das Amazonas. Diese Generation wird immer und überall mit jedem kommunizieren wollen, wird lapidare Konversationen zuhauf führen und virtuelle Services und Welten nutzen wie wir heute noch Kochrezepte aus Oma Kochbuch am Samstagabend nachkochen. Heißt für Stiftungen: Keine (Stiftungs)kommunikation ist keine Option.

Der MacGuffin für die Stiftungskommunikation

Zum 2) wird die Stiftungskommunikation ohne eine gewisse Frequenz nicht auskommen. Das kurze und schnelle Konsumieren von News, das permanente Angetickert-werden, das ist etwas, das die junge Generation zu schätzen weiß. Sie mögen es, quick and dirty mit Menschen in Kontakt zu kommen, um diesen Kontakt auch rasch wieder zu beenden bzw. völlig unlinear an anderer Stelle zu einem anderen Thema wieder aufzunehmen. Bedeutet für Stiftungen, dass sie ohne eine Redaktion oder einen redaktionellen Apparat, an den sie sich „anklemmen“, künftig kaum mehr auskommen werden.

Schließlich wird Stiftungskommunikation 3) viel stärker auf Bilder, ob still oder bewegt, setzen müssen. Eyecatcher haben wir diese früher genannt, sie haben aber eher die Funktion eines MacGuffins, der Handlungen auslöst oder vorantreibt – in diesem Sinne eben das Kommunizieren mit der Stiftung, das Aufmerksam-werden auf Stiftungsinhalte oder das Binden an Stiftungsaktivitäten.

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Zusammengefasst

Wer die junge Generation heute beobachtet, der weiß schon heute relativ genau, was er kommunikativ in 10 Jahren leisten muss, um diese Generation für sich zu begeistern. Wir können Vieles von dem, was da als Kommunikation bezeichnet wird, nicht verstehen, aber es hat Relevanz, denn so tauschen sich die jungen Menschen nun einmal aus – heute und erst recht in Zukunft. Da können wir die schönste Strategieleitfäden für Stiftungskommunikation schreiben, die Rhythmus gibt uns diese Generation.

Stiftungskommunikation muss daher frequent, relevant und vielfältig sein – und immer einen MacGuffin in petto haben. Ist sie das bzw. hat sie das nicht, greift das knallhafte Internetprinzip, das die Plattformökonomie gnadenlos prägt: Null und eins. Wer nicht kommuniziert, wird nicht nur wenig oder ein bisschen wahrgenommen, sondern gar nicht. Stiftungskommunikation ist dem Inhalt verpflichtet, aber sie muss sich auch diesem Prinzip verpflichten. Die Weichen dafür werden heute gestellt, gerne bei einem Eis auf der Hand, vor allem aber mit Handy in der Hand.