Auch das Produkt Gemeinnützigkeit muss verkauft werden

Bettina Model spricht mit Frank Fleschenberg, Gründer des Eagles-Netzwerk, über Millionen Euro eingesammelter Spenden, sein Geheimrezept im Fundraising und warum er immer offen für Neues war.

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Bettina Model im Gespräch mit Frank Fleschenberg
Lesezeit: 5 Minuten

Er hat seit 1993 rund 40 Millionen Euro an Spendengeldern eingesammelt, mehr als 600 Golfturniere für den guten Zweck organisiert und ein Netzwerk aufgebaut, zu dem Barak Obama, Claudia Schiffer, Samuel L. Jackson, Anastasia und der Papst gehören. Zudem bekam er das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen und engagiert sich seit vielen Jahren für Menschen. Die Rede ist von Frank Fleschenberg, den ich seit 30 Jahren kenne und der für mich der erste richtige Fundraiser ist, den es hierzulande gab. Ich sprach mit ihm über seine Erfahrungen im Fundraising und stellte ihm Fragen, die ich in der Stiftungslandschaft immer wieder zu hören bekomme.

Bettina Model: Ein immer wiederkehrendes Thema in der Stiftungswelt ist „Fundraising“. Niemand würde dich als Fundraiser bezeichnen, aber im Grunde warst Du es der damit begonnen hat, oder?
Frank Fleschenberg: Das ist richtig, die erste Veranstaltung war damals für die SOS Kinderdörfer, das ist jetzt fast 30 Jahre her.

Kannst Du mit dem Begriff „Fundraising“ überhaupt etwas anfangen?
Ich kenne den Begriff natürlich in der Zwischenzeit, es wurde sozusagen das, was wir vorher schon gemacht haben, umgetauft worden in das Wort Fundraising. Richtig viel kann ich mit dem Ausdruck nicht anfangen, aber ich weiß, warum und worum es geht (lacht).

Du bist seit über 30 Jahren im Spendengeschäft. Was ist für dich die wichtigste Eigenschaft, die ein Fundraiser haben sollte?
Die wichtigste Eigenschaft ist sicher helfen zu wollen. Ich habe in dieser Zeit so unglaublich viele Bereiche gesehen, wo Hilfe fehlt. Mir fällt da eine der ersten Geschichten von 30 Jahren ein. Es ging um die Glasknochenkrankheit und wir haben einen Scheck auf der Bühne an einen Mann im Rollstuhl überreicht. Ich habe mich hinter der Bühne entschuldigt, dass ich den Mann so „vorgeführt“ habe. Der Mann sagte zu mir „Ja Gott sei Dank führen Sie uns vor, damit wir in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Ich habe 63 Anträge geschrieben, um Geld für eine wichtige Infobroschüre zu bekommen, aber niemand hat uns unterstützt. Wenn ich sehe, wie viele Krankheiten es gibt, die wenig Unterstützung bekommen, da sie keine repräsentative Zahl für die Pharmaindustrie bedeuten, dann muss man helfen. Einerseits verstehe ich den wirtschaftlichen Gedanken, aber dahinter stehen Schicksale.



„Man muss begeistern können.“

(Frank Fleschenberg)

Es gibt manchmal eine Streitfrage in der Stiftungsszene, ist Fundraising Vertrieb für Dich?
Letztlich ist es doch so. Du musst das Produkt genauso verkaufen, wie jedes andere, letztendlich auch das Produkt der Gemeinnützigkeit. Anderen zu helfen, das ist auch ein Produkt was ich mit Begeisterung verkaufen muss. Es ist egal ob ich einen Kühlschrank verkaufe, eine Immobilie, oder Hilfe für Menschen benötige, es ist Vertrieb. Man muss begeistern können. Je mehr Herzblut im Verkauf ist, desto erfolgreicher ist man. Das ist auch der Grund des Erfolges der Eagles. Da steckt sehr viel Herzblut drinnen.

Herzblut ist aber nur das eine, das andere ist sicherlich das Netzwerk. Eine Frage, die ich oft gestellt bekomme ist die, wie ich als Stiftung eigentlich an ein Netzwerk komme. Also reiche ich die Frage an den Meister des Netzwerkens weiter. Wie baue ich mir ein Netzwerk auf?
Das Wesentliche ist, dass man die Fähigkeit besitzt auf Meschen zuzugehen und Empathie besitzt. Wer die Fähigkeit hat, auf Menschen zuzugehen, wird im Netzwerken erfolgreich sein. Da liegen wir zwei auch nicht sehr weit auseinander. Auch Du hast die Fähigkeit auf Menschen zuzugehen. Am Ende ist die Person der wichtigste Punkt, um Menschen um sich zu sammeln. Das ist ja das, was ein Netzwerk ausmacht, dass man es schafft, Menschen um sich zu versammeln.



„Wer die Fähigkeit hat, auf Menschen zuzugehen, wird im Netzwerken erfolgreich sein.“

Frank Fleschenberg



Die bereits erwähnten Eagles sind eine gelungene Kombination aus Marketing, Kommunikation und auch PR. Der ganz wesentliche Bereich waren Deine Veranstaltungen. Weißt Du wie viele es sind?
Bei den Golfturnieren sind wir sicher bei mittlerweile weit über 600 Turnieren. Wir hatten angesichts dessen auch schon einmal eine Liste zusammengestellt, was wir im Rahmen dieser Veranstaltungen schon alles ermöglicht haben, an Operationen, Projekten und Vielem mehr. Wichtig ist auf jeden Fall die Pressearbeit, das kann ich Stiftungen nur ans Herz legen, auch wenn man dafür nicht immer gelobt wird. Wer eine aktive Pressearbeit macht, muss auch viel Kritik einstecken. Schnell wird einem der „Promi-Stempel“ aufgedrückt , wodurch von außen ein etwas verzerrtes Bild entsteht. Wir haben Reisen unternommen, Veranstaltung und Empfänge organisiert, was gesehen wurde war genau das Event, aber nicht die enorme Arbeit im Hintergrund. Wichtig war mir immer, mit allen Menschen in Kontakt zu stehen, nicht nur mit der Presse oder dem Prominenten. Das ist ja genau die Kunst, auf alle Menschen gleich zuzugehen und freundlich zu sein. Mein Ziel war immer Menschen zu integrieren und gemeinsam zu helfen. Ich habe mich nie als etwas Besonderes gesehen, und wenn Du mir den Satz gestattest, diese Demut sollten Stiftungen in meinen Augen auch mitbringen.

Frank Fleschenberg mit Barack Obama
Gehört zum Netzwerk von Frank Fleschenberg: der ehemalige US-Präsident Barack Obama

In Deinem Club wird oft gesagt, der Frank Fleschenberg, der ist unersetzbar. Was macht Dich so unersetzbar?
Sollte es so sein, was ich mir nicht vorstellen kann, dann vielleicht dass ich normal geblieben bin. Ich bin kein Moralapostel und habe ausreichend Fehler. Ich bin etwas verrückt und ich lebe das was ich tue. Für mich ist es ganz großartig zu helfen. Ich glaub auch nicht, dass jemand unersetzbar ist. Ich glaube aber auch, dass normale Menschen die Welt nicht verändern. Man muss leicht verrückt sein und darf nicht immer an seine eigenen Vorteile denken – und dabei Beziehungen und Freundschaften immer pflegen. Vielleicht ist das das Besondere, dass man mehr Gedanken an Andere investiert.

Nun gibt es viele kleine Stiftungen und Vereine, die gerade in Corona Zeiten große Schwierigkeiten haben Spendengelder generieren zu können. Meinst Du, dass Prominente und Testimonials eine Hilfe sein können?
Ja, das glaube ich. Wenn Du als Stiftung keine bekannten Unterstützer hast, ist es schwierig die Aufmerksamkeit zu erhalten, die du benötigst. Ich bewundere alle Vereine und Stiftungen sehr, die ohne prominente Unterstützung etwas aufbauen, daran arbeiten und aktiv sind. Ich weiß, wie schwer das ist ohne Öffentlichkeit und ohne Unterstützung. Ich verdanke den Erfolg vielen Prominenten, Freunden und Unterstützer, ohne sie wäre das alles nicht möglich.



„Wenn Du als Stiftung keine bekannten Unterstützer hast, ist es schwierig die Aufmerksamkeit zu erhalten die du benötigst.“

Frank Fleschenberg



Es gibt viele junge Menschen und eine neue Generation, die die Welt besser machen möchten und helfen wollen. Es gibt viele die etwas aufbauen möchten, sich engagieren möchten. Es gibt auch das Thema des Social Impact Investing und noch ganz andere neue Möglichkeiten. Im digitalen Bereich muss man den jungen Menschen keine Tipps geben, das ist kein Thema. Dafür fallen diesen jungen Menschen oft die persönliche Kommunikation schwer und sie finden nicht so recht in analogen Systemen zurecht. Hast Du einen Tipp für eine gelungene Kombination zwischen digitalen Systemen und Welten und einer persönlichen Kommunikation? Was kann man aus Deiner Welt mitnehmen in die digitale Kommunikation und Spendenwerbung?
Das Wichtigste ist in meinen Augen sicher Kritikfähigkeit und Offenheit für Neues. Empathie ist selbstverständlich. Offenheit für kritische Stimmen ist ein ganz wichtiges Thema. Besser einmal eine Niederlage erleben, als sich dauerhaft zu verbiegen. Niederlagen machen stärker. Keine Angst vor Fehlern, man wächst daran.

Wie viel Kritik hast Du einstecken müssen?
Ich habe eine Menge Kritik erfahren, allerdings habe ich die Fehler auch nicht automatisch bei den anderen gesucht. Die Kritik hat mich aber oft auch nachdenken und mich das annehmen lassen, was sinnvoll war. Ehrlich zu sich selber sein, den Tipp kann ich jungen Menschen nur geben. Kritiker sind oft die besten Freunde.

Würdest Du alles wieder genauso machen?
Im Großen und Ganzen ja, auch wenn ich diese Frage nicht richtig beantworten kann. In der Rückschau sieht die Realität immer anders aus und mit dem heutigen Wissen hätte ich vielleicht einige Dinge anders entschieden. Andererseits habe ich so gelebt wie ich es wollte, vor allem wollte ich helfen, und genau das habe ich getan. Das war mir wichtig.

Und das wird es auch in Zukunft noch bleiben, hab‘ vielen Dank für diesen sehr spannenden Einblick in Dein Tun und auf Dein Lebenswerk, für mich nehme ich mit, dass Fundraising vor allem harte Arbeit ist, die sich aber letzten Endes lohnt.