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Dass Menschen beim Bitten Berührungsängste haben, ist nur – sie ahnen es – menschlich. Wer einem anderen Menschen seine Gefühle offenbart, ihn bittet ihn zu lieben, der riskiert eigentlich nur eine Abfuhr. Das fühlt sich schlimm an, man möchte sich regelecht einsargen, aber bezogen auf das Verweilen auf der Erde ist solch eine Abfuhr nicht mal eine Sprenkelung auf einem Stein. Diese Erkenntnis gehört auch zur Kunst des Bittens, der sich Sabine Hess in ihrem neuen Buch „Die Kunst des Bittens“ ausgiebig genähert hat. Wir haben reingelesen, und für Stiftungen beziehungsweise Spenden sammelnde Organisationen relevante Hinweise für die Spendensammelpraxis gefunden.
Wer Spenden oder Unterstützung einwerben will, tut sich oftmals schwer damit. Das mag viele Gründe haben. Sabine Hess nimmt gleich zu Beginn einmal Maß und benennt direkt weitaus mehr als die bekannten Gründe. Wer bittet, spürt eine Abhängigkeit, wer bitten muss, möchte nicht belästigen, hat Angst vor einer Blamage. Der Persönlichkeitstyp verstellt den Weg zur Bitte, manchmal ist sogar Scham im Spiel. Beim Überfliegen dieser Worte lässt sich eine gewisse eigene Erfahrung von Sabine Hess herauslesen, sie hat einst als neugierige Freelancerin bei einer Hamburger Stiftung den Einstieg ins Fundraising gefunden. Das macht das Buch auf den ersten Blick zu einer sympathischen Wochenendelektüre. Hier hat sich jemand seine eigenen Sporen verdient, hat von vorne Fundraisingerfahrungen und -erfolge gesammelt und gibt diese nun weiter an eine Zielgruppe, die sich in vielen Fällen mit dem Erwerben von Spenden, also dem Bitten um Geld, einfach schwertut.
Als Stiftung musst Du wissen was dir wichtig ist
Das ist, so die Anamnese von Sabine Hess, der Fall, weil Stiftungen, Vereine, die Non Profit Welt eben, oftmals nicht so ganz genau sagen kann, was ihr wichtig ist. Es steht in einer Art Kapitelzwischenüberschrift zu lesen, dass nur nach einem Match suchen kann, wenn man weiß was einem wichtig ist. Das klingt nach Dating, und das tönt abgedroschen, aber es steckt hier die Wertebotschaft drinnen. Und die ist Sabine Hess ein Anliegen: Kenne Deine Werte (wir ergänzen hier: als Organisation), dann ist der erste Schritt, eine Verbindung zum Gegenüber zu ermöglichen, bereits gemacht. Diese erste Verbindung wiederum passiert oft erst, wenn sich eine Organisation aus der Komfortzone herausbewegt. Schon der erste Schritt raus aus der Komfortzone bedeutet, zu gewinnen. Aus der Komfortzone herauszukommen bedeutet aber auch, eine Veränderung in Gang zu bringen. Sabine Hess leitet dies aus dem Privaten ab, übersetzen lässt es sich aber direkt auf den Stiftungs- oder Non Profit-Sektor.
Die Angst vor der Abfuhr leitet fehl
Denn ist es nicht so, dass genau vor diesem Prozess der Veränderung viele Stiftungen und Vereine Angst haben, weil es einen Schritt ins Ungewisse bedeutet? Sabine Hess zitiert an dieser Stelle den Unternehmer und engagierten Gutmenschen Fritjof Nelting, der es so formulierte: „Wenn wir wissen was wir wollen, trauen wir uns mehr zu.“. Kennen wir das nicht aus dem eigenen Beritt? Der Frau, der Sie lieben, genau dieses Gefühl zu gestehen, das bedeutet nicht nur raus aus der Komfortzone, sondern wie der Bootmannsmaat in den Mast aufzuentern, ganz nach oben, das Auge des Sturms direkt Achtern voraus. Viel zu oft lässt man es dann doch bleiben, weil die Angst vor der Abfuhr alves überlagert. So geht es vielen Stiftungsverantwortlichen auch, wenn sie sich dem Bitten beschäftigen, vor allem aber wissen viele eben genau nicht, was genau sie wollen, sie müssen den Helting-Satz umdrehen: Wir trauen uns das nicht zu, weil wir nicht soo ganz genau wissen, was wir eigentlich wollen. Der Gedanke an Fundraising kann den Puls einer Organisation (bzw. der handelnden Personen) eben schon mal hochtreiben.
Die Quick Facts zum Buch
Titel: Die Kunst des Bittens – Wie Du Unterstützung für Dein Herzensprojekt findest
Autorin: Sabine Hess
Seitenzahl: 206
Verlag: Murmann Publishers GmbH, Hamburg
Erscheinungsjahr: 2024
ISBN: 978-3-86774-784-4
Internet: www.murmann-verlag.de
Die Geschichte mit der Komfortzone
Sabine Hess beschreibt dann schön nachvollziehbar, was ich als Person machen kann, um meine Nervosität, meine Angst vor dem Bitten, zu überwinden. Sie malt Szenarien wie etwa jenes eines Blackout, bei dem mitten im Gespräch der Faden einfach reißt. Für Sabine Hess ist selbst das kein Beinbruch – und man glaubt es ihr. Es ist eine Stärke von „Die Kunst des Bittens“, das die Grundbotschaft eine positive ist, eine, die motiviert anstatt belehrt. Nehmen wir als Beispiel die bereits zitierte Komfortzone. Die Autorin lässt der Komfortzone als Begriff aber auch als Maßgabe richtigerweise den ihr gebührenden Raum einnehmen. Anders aber als gedacht entwickelt sie in Bild davon, die Komfortzone für das Bitten größer zu machen, indem Ängste und Überforderung überwunden werden. Komfortzone erweitern heißt bei Sabine Hess aber eben auch, Feuer und Flamme zu sein für die Mission, auf der sich „meine“ Stiftung befindet.
Wer kein Feuer hat, kann es nicht weitergeben
Wer ohne Feuer eine Geschichte erzählt, der wir niemanden auf der anderen Seite entflammen. So entnehmen wir es dem Buch und sind vollends überein mit der Autorin. Aber richtig Feuer und Flamme zu sein, andere richtig für das eigene Tun zu begeistern, das schaffen nur die, die sich überwinden, die Ängste in der Ansprache Anderer überwinden. Sabine Hess ist hier sehr klar in der Ansprache, nimmt die Verantwortlichen in der Non Profit Welt, in dieser Welt der guten Tag, schon auch in die Pflicht. Wer nämlich andere begeistern will (Es fällt das Stichwort Story Telling, was in unseren Augen aber noch ausführliche hätte behandelt werden müssen 😊), muss wissen wer er ist und es schaffen, dass das Gegenüber ihn genau so sieht. Da steckt schon auch Kritik am Tun vieler gemeinnütziger Organisationen drin, dass sie genau diese Brücke ihrem potentiellen Spender nicht bauen. Nicht zuletzt gehört hier auch das Dankesagen dazu, auch das eine Disziplin, die Sabine Hess nur allzu gut aus der Praxis kennt und einzuordnen weiß, wenn Stiftung und Co. auf das Dankesagen verzichten.
Zusammengefasst
Das neue Buch „Die Kunst des Bittens“ von Sabine Hess ist eine gelungene Symbiose aus Beziehungsarbeit-Handbuch und Roter Faden für das Anstoßen eines Diskurses rund um den Aufbau einer Fundraising-Aktivität in einer Stiftung, in einem Verein oder eben einfach einer Spenden sammelden Organisation. Wie beim Themenkreis Story Telling bereits erwähnt, wünschte man sich hier und da noch mehr eine gewisse Tiefe, andererseits stimmen die Gewichte zwischen den Themenomplexen, die 6 Kapitel haben jedes für sich viele Denkanstöße in sich, und das ist für uns die große Stärke des Buches. Denkanstöße rund um das Bitten um Unterstützung bzw. in einer Ausprägung auch um Spenden, das schaffen die gut 200 Seiten spielend. Dass diese Denanstöße wiederum Veränderungen in vielen Stiftungen oder Vereinen anstoßen können und werden, dafür haben wir viel Phantasie. Das Glücklichmachen nämlich, durch das Bitten, dieses „Geschäftsfeld“ hat noch ordentlich Luft nach oben.