50 shades of green

Wie Stiftungsverantwortliche den Überblick bei nachhaltigen Fonds behalten

2420
50 Shades of Green
Lesezeit: 5 Minuten

50 shades of green könnte eine Beschreibung dessen sein, wie Nachhaltigkeit, ESG, SRI, Impact und Co. derzeit als Attribute für Fonds ventiliert werden. Stiftungen haben eine Auswahl wie nie bei grünen Fonds. Doch wie grün ist grün im Zweifelsfall? Ist grün manchmal auch ein wenig braun und was heißt eigentlich ein stetig wachsendes Universum von den Regularien nach nachhaltigen Fonds? Wie Stiftungsverantwortliche den Überblick behalten.

Nachhaltige Investmentfonds sind weiterhin auf Erfolgskurs. Jedenfalls wenn man das Angebot und die Wachstumsrate als Maßstab nimmt. Das Angebot der Fonds, die als nachhaltig im Sinne der EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation SFDR) gelten, ist nach Analysen der Ratingagentur Scope in zwei Monaten um satte 742 Fonds gestiegen. Bei der vorangegangenen Untersuchung zum Stichtag 28. Februar lag die Zahl der nachhaltigen Portfolios noch bei 4.113, am 30. April 2022 betrug sie 4.855. Berücksichtigt wurden alle in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Fonds. Bereits 40% aller in Deutschland angebotenen Fonds sind damit nach Artikel 8 oder 9 der EU-Taxonomie klassifiziert.

Marktausweitung klares Indiz für hohe Nachfrage

Das kann eindeutig als Bestätigung gewertet werden, dass die Offenlegungsverordnung wirkt und hohe Nachfrage von Investoren existiert, ihr liquides Vermögen in Nachhaltigkeitsfonds anzulegen. Allerdings nähren diese immensen Wachstumszahlen auch Zweifel: Ist diese Steigerung des Angebots wirklich vollumfänglich seriös umsetzbar? Oder mischen sich viele nur vordergründig grüne Angebote, die in Wahrheit eher dem Bereich Greenwashing zuzuordnen sind, in die Statistik? Für große Aufmerksamkeit sorgen in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Vorgänge bei der Deutschen Gesellschaft für Wertpapiersparen, eher unter der Abkürzung DWS als Tochterunternehmen der Deutschen Bank bekannt: Nach internen Greenwashing-Vorwürfen und staatsanwaltlichen Durchsuchungen kam es sogar zum Wechsel an der Unternehmensspitze: Asoka Wöhrmann wurde durch einen neuen CEO ersetzt. Die DWS erklärte dazu, sie stehe weiterhin hinter ihrer Erklärung, in der entsprechende Vorwürfe entschieden zurückgewiesen worden waren.

Artikel 9-Fonds noch geringer verbreitet

Der Löwenanteil der nachhaltigen Produkte fällt unter Artikel 8. In Fonds dieser Kategorie werden mittlerweile knapp drei Billionen Euro verwaltet. Das Vermögen der in Deutschland vertriebenen Artikel-9-Fonds liegt bei knapp 340 Milliarden Euro. Dieses Verhältnis ist nicht überraschend, denn für einen Artikel 8-Fonds genügen letztlich eine hinreichende Anzahl an Ausschlüssen sowie ein best-in-class-Ansatz, der neben den Nachhaltigkeitszahlen auch Ratings für Governance und soziale Standards einbezieht. Natürlich gibt es auch im Artikel 8-Bereich dunkelgrüne Fonds, etwa bei Green Bonds. Ein Beispiel einer Umsetzung hier: Viel Impact, wenig Risiko – und 2%-Ausschüttungsziel

Deutlich anspruchsvoller ist es, ein Artikel 9-Angebot zusammenzustellen, da hierfür überwiegend Investitionen in direkt nachhaltige Unternehmen notwendig sind um ein klar definiertes Umweltziel zu verfolgen. Dazu zählt auch, so genannte Key Perormance Indicators (KPI) zu benennen und zu quantifizieren, zum Beispiel die konkrete Summe an C02-Einsparungen.

Was in den Artikeln 8 und 9 drinsteht – und was nicht

In den Artikeln 6, 8 und 9 der EU-Offenlegungsverordnung geht es um die Transparenz bei der Bewerbung ökologischer oder sozialer Merkmale in so genannten vorvertraglichen Informationen. Während in Artikel 6 die Grundlagen geregelt werden und Informationen zum Risikoprofil vorgeschrieben werden, fordert Artikel 8 weitergehende Informationen für den Fall, dass „mit einem Finanzprodukt unter anderem ökologische oder soziale Merkmale oder eine Kombination aus diesen Merkmalen beworben“ werden. Offen zu legen sei dann, wie diese Merkmale erfüllt werden. Wenn ein Index als Referenzwert bestimmt wurde, müssen Angaben dazu gegeben werden, ob und wie dieser Index mit den nachhaltigen und sozialen Merkmalen vereinbar ist.

Hier wird’s wichtig zu Artikel 9-Fonds

Zu Fonds nach Artikel 9 heißt es: „Wird mit einem Finanzprodukt eine Reduzierung der CO2-Emissionen angestrebt, so enthalten die offenzulegenden Informationen eine ausführliche Erklärung dazu, wie die Ziele geringer CO2-Emissionen zur Verwirklichung der langfristigen Erderwärmungsziele des Übereinkommens von Paris gewährleistet werden.“ Sollte es keinen EU-Referenzwert für Investitionen in eine klimafreundlichere Wirtschaft oder keinen EU-Referenzwert für auf das Übereinkommen von Paris abgestimmte Investitionen geben, so müssen detaillierte Erläuterungen dazu gegeben werden, wie zur Verwirklichung der langfristigen Erderwärmungsziele des Übereinkommens von Paris sichergestellt wird, „dass kontinuierliche Anstrengungen zur Verwirklichung des Ziels einer Reduzierung der CO2-Emissionen unternommen werden.“

TV-TIPP:
Kennen Sie schon #fondsfibel AKTUELL, den TV-TALK rund um Stiftungsfonds & Co.? Wir laden hier Stiftungsmanager und Stiftungsexperten zum Gespräch über stiftungsgeeignete Fonds und die Fondsanlage von Stiftungen

Arbeit zu den genauen Festlegungen noch nicht abgeschlossen

Die Formulierungen der Verordnung rammen also einige Grenzpfosten ein, exakte so genannte „technischer Regulierungsstandards“ sind aber noch nicht verbindlich vorgegeben. Dies sollte bereits umgesetzt sein, hat sich aber verzögert. Die European Securities and Markets Authority ESMA hingegen hat bereits klare Vorgaben für Artikel 9-Fonds veröffentlicht. Demnach müssen diese Angebote ein klar formuliertes nachhaltiges Ziel verfolgen und die Investitionsentscheidungen im Sinne dieses Ziels begründen. Verlangt werden namentlich Daten zur Energieeffizienz wie Energieverbrauch, Anteil erneuerbarer Energie, Einsatz Rohstoffe, Auswirkungen auf Boden und Wasser, Abfallmenge und Auswirkungen auf die Kreislaufwirtschaft, Treibhausgas (GHG) Emissionen sowie der Einfluss der Investitionen auf die Biodiversität. Möglich sind auch Fokussierungen auf soziale Ziele. Dann muss erläutert werden, wie z.B. sozialer Ausgleich, Zusammenhalt in der Gesellschaft, soziale Integration, Arbeitsrechte und -schutz oder die Förderung benachteiligter Gruppen durch Investitionen vorangebracht wird.

Do no significant harm – Ansatz mit verwandten Zielen

Wie schwierig es ist, die zahlreichen Aspekte in eine einheitliche ESG-Taxonomie zu gießen zeigt sich an der Vielzahl der Ansätze. So gibt es zwar noch keine detaillierten technischen Regulierungsstandards zur Offenlegungsverordnung, wohl aber einen DNSH-Ansatz. Dieser ist als „Commission Notice“ mit technischer Leitlinie zur Anwendung der DNSH- Richtlinie unter der „Recovery and Resilience Facility Regulation“ bereits 2021 veröffentlicht worden. Dabei geht es um die in der ESMA-Guidance genannten Umweltbereiche. Hinzu kommen soziale Normen wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, englisch UN Guiding Principles on Business and Human Rights. Diese wurden 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedet. Sie stellen ein globales Instrument zur Behebung und Verhütung von Menschenrechtsverletzungen in Wirtschaftszusammenhängen dar. Zum DNSH-Kosmos gehören auch die Vorgaben der International Labor Organisation ILO.

Banner Absolut Report

Tatsächliches Nachhaltigkeitslevel unbedingt überprüfen

Für Stiftungen bedeutet die aktuelle Situation: Das beworbene Nachhaltigkeitslevel des jeweiligen Fonds kann nicht in jedem Fall als tatsächlich gegeben angesehen werden, vielmehr sollte es überprüft werden. Hilfreich dabei ist das valide Siegel des Forums Nachhaltige Geldanlage. Das gibt es in drei Stufen, die durch Sterne gekennzeichnet sind. Auch die Ratings seriöser Anbieter wie MSCI ESG, Sustainalytics oder Vigeo Eiris geben gute Hilfestellung. Das Österreichische Umweltzeichen für Nachhaltige Finanzprodukte verschafft Investoren ebenfalls gute Einblicke. Besonders vertrauenserweckend ist es, wenn diese Berichte auf der jeweiligen Internetseite des Fondsanbieters veröffentlicht sind. Auf der Homepage des FNG findet sich eine Liste aller Fonds, die das Siegel erhalten haben. Spezialisierte Anbieter wie right.based on science, die tiefgehende Analysen zum Schadstoff-Ausstoß anbieten sowie Organisationen wie Freedom House oder Transparency International bieten mit ihren Ranglisten ebenfalls eine gute Möglichkeit zur Recherche. Ein schönes Beispiel zur Umsetzung hier: Keine großen Wetten, sondern viele kleine Einkommensbausteine

TV-TIPP II:
Im Rahmen des Virtuellen Tags für das Stiftungsvermögen war Nachhaltigkeit als Instrument im Risikomanagement für das Stiftungsvermögen Teil des Programms. In der #vtfds-Mediathek finden Sie die zugehörigen Videos.

Vorab-Selektion über ESG-Historie des Anbieters hilfreich

Es darf Stiftungen schon schwindelig werden angesichts der rasanten Zunahme an ESG-Fonds. Eine gute Möglichkeit zur Vorselektion möglicher Fonds ist das ESG-Commitment der Anbieter in der Vergangenheit. In der Fondsfibel finden sich auch deshalb überwiegend Nachhaltigkeitsfonds von Gesellschaften, die dem Nachhaltigkeitstrend nicht hinterherhecheln, sondern früh aufgegriffen und ihn sogar gestaltet haben.

Sehr schöne Beispiele sind hier:

Das heißt nicht, dass andere Gesellschaften nicht auch durchdachte Nachhaltigkeitsfonds anbieten können – der Vorteil der bereits absolvierten Erfahrungskurve liegt aber allemal bei den Pionieren.

Zusammengefasst

Es ist derzeit noch ungeheuer viel in Bewegung in der exakten Ausgestaltung dessen, was als nachhaltiger Fonds anzusehen ist, wie berichtet werden muss und welche Ausschlüsse zu beachten sind (siehe Diskussion um Atomkraft). Das alles ist natürlich kein Grund, nicht in Nachhaltigkeitsfonds zu investieren. Wollen Stiftungen auf Nummer sicher gehen, kommen sie derzeit aber – noch – um einen gewissen Anteil eigener Recherche nicht herum.