Wer hat die Pandemie kommen sehen?

Nachlese zum #VTFDS2020: Der Talk zur Mittagszeit über die Verwaltung von Stiftungsvermögen in Zeiten unvorstellbarer Ereignisse

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Nachlese zum VTFDS2020 Stüllenberg, Peine
Lesezeit: 3 Minuten

Spielen Sie mit Kindern fangen, dann ernten Sie auf die Frage „wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ die klare Antwort „niemand“. Allerdings laufen danach alle schreiend davon. Das Gleiche dürfte passieren, wenn die Frage aufkommt, wer sich rechtzeitig auf eine Jahrhundertseuche und ihre Folgen eingestellt hat. Welche Konsequenzen dies für die Verwaltung eines Stiftungsvermögens hat, diskutierten Klaus Stüllenberg, Stifter und Vorstandsvorsitzender der Stüllenberg Stiftung, sowie Dr. Elmar Peine, Geschäftsführer der Informationsplattform RenditeWerk, mit Moderator Tobias Karow. Die wichtigsten Aussagen zusammengefasst.

WAS HABEN WIR AUS DER CORONA-KRISE GELERNT?

Peine: Die Corona-Krise ist ein exogener Schock, der sich von selbst erledigen wird. Leider gibt es aber sich widersprechende Direktiven für Stiftungen. Sie sind auf ewig angelegt, gleichzeitig bemisst sich das Kapitalerhaltungsgebot nach der Bilanz von zwölf Monaten. Dieses Gebot muss neu gedacht werden. Eventuell ist es eine bessere Vorgabe, wie in den USA jedes Jahr 5% des Vermögens für den Stiftungszweck auszugeben.

Stüllenberg: Die Krise war da, das Depot sah weniger gut aus, wir wussten nicht, was wir tun sollten und den Zustand haben wir jetzt auch noch. Glücklicherweise ist rechtlich abgesichert, dass der Stiftungszweck wichtiger ist als der Kapitalerhalt. Einen Titel kann ich solange zum Anschaffungswert in der Bilanz einstellen, bis sicher anzunehmen ist, dass das Papier den Wert nicht mehr erreicht. Wenn Stiftungsaufsicht oder Finanzamt den Kapitalerhalt kritisieren, kommt man mit dem Argument der Delle aus der Klemme.

WAS HEISST DAS FÜR DIE VERWALTUNG DES STIFTUNGSVERMÖGENS?

Peine: Wir müssen uns heute Sicherheit in einem Portfolio zusammenbauen. Das schaffen Stiftungsfonds, die weit genug streuen, die neben Anleihen und Aktien auch Rohstoffe und Immobilien haben. Sicherheit durch eine einzige Vermögensklasse zu basteln, wird immer schwieriger.

Stüllenberg: Der Ansatz, 80% Anleihen und 20% Aktien im Depot zu haben, ist schon seit zehn Jahren nicht mehr zielführend. Wir müssen anders denken.

Wehe dem, der Mischfonds mischt

UND WIE GEHT ES RICHTIG?

Stüllenberg: Jeder Stiftungsfonds ist ein kleiner Vermögensverwalter. Mit mehreren Fonds können Sie die Auffassungen unterschiedlicher Vermögensverwalter im Depot vereinen. Es gibt keine allgemeinverbindlichen Ideen, deshalb habe ich lieber unterschiedliche Konzepte im Depot und am Ende 10 bis 15 Vermögensverwalter, die mein Depot steuern, ohne voneinander zu wissen. Das finde ich toll.

Peine: Wenn ich Mischfonds mische, muss ich mich fragen, warum ich nicht gleich passiv gemanagte Indexfonds kaufe. Denn mehrere aktiv gemanagte Gewichtungen heben sich gegenseitig auf. Dann gucke ich lieber auf die Kosten. Wenn ich mit aktivem Management anfange, muss ich von dem Konzept überzeugt sein.

WIEVIEL SICHERHEIT BLEIBT NOCH?

Peine: Stiftungen müssen sich der Tatsache bewusst werden, dass die meisten Erträge, die man erwirtschaften kann, die Prämie oder die Belohnung für das Eingehen von Risiken sind. Wenn der risikolose Ertrag auf null gesunken ist, bleibt nur, bewusst Risiken einzugehen.

Das RenditeWerk empfiehlt Stiftungen sogar einen Private Equity Fonds, weil hier die Risiken mit großer Rendite entlohnt werden. Die Dosis macht das Gift. Zu viel ist schädlich für das Depot. Haben Sie zu wenig, ist der Effekt nicht groß genug. Unsere Empfehlung: Wenn Sie nicht selbst im Thema sind, reden Sie mit Fondsmanagern, wo die Grenze sein könnte, an die man sich langsam annähert.

Ein Wertverlust, an dem niemand schuld ist

WEM KANN EINE STIFTUNG NOCH TRAUEN?

Stüllenberg: Wir müssen auf Investmentstile achten und verstehen, warum der Manager das so steuern möchte. Heute kann man zum Glück mit Fondsmanagern reden, früher nur mit Vertrieblern. Jetzt nehmen sich die Fondsmanager Zeit zum Erklären. Es kommt entscheidend darauf an, wie ich prokativ informiert werde und von wem. Werde ich ruhig gehalten und höre ich in fünf Webinaren denselben Sermon, warum jemand nicht erfolgreich ist oder kriege ich auf den Punkt mitgeteilt, was passiert ist und was die Idee ist, wie man das in den Griff bekommt. Wir haben in den vergangenen Jahren 80% der Fondsanteile der Stiftung gedreht. Wer seine Versprechen nicht hält, den schießen wir gnadenlos raus.

Peine: Es ist nicht falsch, Fondsmanager und Fonds zu wechseln und auch nicht verkehrt, selbst zu lernen, sein Depot zu vervollkommnen. Ich habe noch keinen Fondsmanager gesehen, der bereitwillig Auskunft über seine Verluste gegeben hat. Daher messe ich der Kommunikation mit Vermögensverwaltern keine große Bedeutung bei, mich interessieren die harten Fakten.

Gegenwärtig rate ich, nicht zu hektisch zu werden. Es ist ein Wertverlust, an dem niemand schuld ist. Ich kann niemandem vorwerfen, dass er nicht an die Möglichkeit einer Pandemie gedacht hat, ich selbst auch nicht. Bleiben Sie alle ruhig.

ZUSAMMENGEFASST

Bei einem langfristig angelegten Stiftungsvermögen sind vorübergehende exogene Schocks kein Grund zur Panik, wohl aber ein Anlass selbst mehr über Fondsmanagement zu lernen. Sei es auch nur, um kluge Fragen stellen und die Qualität der Antworten bewerten zu können. Während ein über mehrere Anlageklassen gestreutes Portfolio immer eine gute Idee ist, kann man es mit der Diversifizierung auch durchaus übertreiben, wenn zu viele Investmentstile gemischt werden.

Übrigens: Ein Mensch, der tatsächlich die Pandemie vorausgesehen haben könnte, ist die Science-Fiction-Autorin Sarah Pinsker. In ihrem September 2019 erschienen Roman A Song for a New Day schildert die US-Amerikanerin eine Welt, in der aufgrund von Seuchen- und Terrorgefahr jegliche Großveranstaltungen und Versammlungen verboten sind. Persönliche Kontakte sind stark reduziert und Livekonzerte finden nur noch im Untergrund statt. Das Buch wurde im Mai mit einem renommierten Literaturpreis ausgezeichnet.