Wenn die Stiftungswebsite schweigt

Warum der Internetauftritt einer Stiftung beim Fundraising Gold wert ist

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Wenn die Stiftungswebsite schweigt
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Wenn die Stiftungswebsite schweigt, ist das nicht gut. Wir haben in Deutschland gut 24.000 gemeinnützige Stiftungen. Jede dieser Stiftungen verfolgt einen Stiftungszweck. Jede dieser Stiftungen trägt mir ihrem Tun also dazu bei, zur Lösung gesellschaftlicher Probleme einen Beitrag zu leisten. Jede dieser Stiftungen hat also eine richtig positive, begeisternde, emotionale Geschichte zu erzählen. Allerdings stellt sich die Frage, warum immer noch so wenige Stiftungen ihre Geschichten erzählen und in die Breite tragen. Eine Spurensuche.

Wenn Stiftungen fundraisen wollen, dann wollen sie Spenden einsammeln. Hierzu müssen sie Beziehungen zu Menschen aufbauen. Und da Menschen am liebsten bei Menschen kaufen (spenden), empfiehlt es sich, auch einen Menschen das Fundraising aufsetzen zu lassen. Genau dann, wenn also Mensch auf Mensch trifft, entstehen jene Beziehungen, die dann in einer finanziellen Zuwendung münden. In den USA heißt es immer, it’s a peoples business, und sie haben Recht damit. Es sind die Menschen, die für eine Stiftung stehen und deren Geschichten erzählen, aber diese Geschichten brauchen auch eine Heimat, und das wiederum ist in 2022 die Stiftungswebsite.

Zu viele Stiftungen erzählen ihre Geschichte nicht

Immer noch verzichten zu viele Stiftungen darauf, ihre Geschichte auf ihrer Stiftungswebsite zu erzählen. Dort finden sich häufig allgemeine Darstellung der Stiftung, die Satzung wird eingebettet, der Vorstand wird benannt, manchmal sogar mit Bild, aber das war es auch schon. Dass an die Stiftung gespendet werden kann, das erfährt der Nutzer wenn dann über Umwege. Der Spendenbutton ist versteckt, so als würde sich die Stiftung etwas vergeben, wenn sie um Spenden bittet. Ist da was dran? Es mag so ein bisschen eine deutsche Einstellung zum Thema Spende sein, dass man sich nicht in die Rolle des Bittstellers fügen möchte.

Um eine Spende bitte heißt nicht betteln

Aber tun das Stiftungen, wenn sie um Spenden bitten? In meinen Augen sollte das Gegenteil der Fall sein. Erst recht, wenn ich um Spenden bitte kann ich dies mit Stolz geschwellter Brust tun. Denn was passiert durch die Spende? Ich kann das gesellschaftliche Problem, das ich ohnehin schon löse, in größerem Umfang lösen. Oder aber ich kann mehr Probleme durch eine breitere Mittelbasis angehen. So perspektiert ist die Spende keine Bettelei sondern ein Werkzeug, die Stiftung weiter zu befähigen, das zu tun, wofür es sie gibt. Sie muss sich nicht klein machen, nur weil sie eine Spende machen. Stattdessen sollte sich ihr Anliegen im großen Maßstab denken und danach handeln. Eine Spende ist keine Schande, denn diese Sichtweise ignoriert auch den Wunsch des Spenders.

Stiftungswebsite als Hort der Begeisterung

Will der Spender seine Spende an eine Organisation geben, die diese Spende eigentlich gar nicht so richtig will? Oder will die Spende auf eine Stiftung oder einen Verein treffen, die mit klarem Plan genau wissen, was sie mit den frischen Mitteln anschieben wollen. Letzteres dürfte der Fall sein, eine Spenderin bzw. ein Spender wollen begeistert, mitgerissen werden, dann spenden sie mit Spaß und dann wird die Spende auch kontinuierlich „kommen“. Die Stiftungswebsite spielt bei diesem Begeistern eine zunehmend wichtige Rolle. Die Zeit des erweiterten Impressums sind vorbei, die Zeit der Stiftungswebsite als ‚story-hub‘ ist dagegen angebrochen.

Gibt dem Stiftungshandeln ruhig eine große Idee

Was muss eine Stiftungswebsite dann leisten? Sie muss die Geschichte der Stiftung erzählen, und sie muss die Geschichten der Projekte erzählen. Vor allem aber muss sie das Gefühl suggerieren, dass hier eine Stiftung am werkeln ist, die eine große Vision für die Lösung des von ihr adressierten gesellschaftlichen Problems hat. Die große Idee, die zieht viel mehr als das Rumfummeln im Kleinen. Oder würde Elon Musk heute die wertvollste Automarke führen, wenn er sich das Ziel gesetzt hätte, mal für 5.000 Liebhaber ein Batterie-betriebenes Auto zu bauen, um mal zu zeigen wie es geht? Nein, er trat an mit der Vision, mit der großen Idee, den weltweit führenden Hersteller von E-Autos aufzubauen. So sehr er dafür belächelt wurde, so sehr wird der erste Irritainer der Welt heute für seinen Wagemut gefeiert, glaubt vor allem die Anlegergemeinde diese Geschichte von DEM Autobauer des 21ten Jahrhunderts.

Stiftungsverantwortliche müssen Website können

Die Stiftungswebsite mit immer neuen Geschichten zu füttern, damit die große Idee der Stiftung immer neue Nahrung und Facetten bekommt, das wird eine der Kernaufgaben von Stiftungsverantwortlichen in Zukunft sein. Manche Stiftung verzichtet genau darauf auf ihrer Stiftungswebsite mangels Ressourcen. Natürlich, eine Stiftungswebsite kostet Zeit, Geld und Kreativität, aber in der digitalen Welt lassen sich ja evolutive Schritte viel einfacher gehen als beispielsweise in der Welt der gedruckten Publikation. Manche Stiftung ist sich ihrer vielfältigen Geschichten auch gar nicht bewusst, verzwergt dadurch das eigene Tun. Wieder andere Stiftungen haben schlicht nicht die Geschichtenerzähler in ihren Reihen.

Geschichten legitimieren Stiftungshandeln

Haben Sie mal einen Stiftungsvorstand gebeten, Ihnen in 2 Minuten kurz zu erzählen, was die Stiftung macht? Es ist erstaunlich, was bei solch einem Experiment herauskommt. Viele Stiftungsverantwortliche können natürlich sagen, was die Stiftung macht, seit wann es sie gibt, wer Stifterin oder Stifter war. Aber können sie direkt eine Mission voranstellen? Die dann auch direkt beim Websiteeinstieg zu finden ist? Eher weniger. Aber sind es nicht genau diese Geschichten, die Stiftungshandeln auch legitimieren? Brauchen wir nicht sogar diese Geschichten, um dem Stiftungssektor als Ganzes dabei zu helfen, seine teilweisen vorhandenen legitimatorischen Defizite zu beseitigen? Ziemlich sicher, und eine zentrale Rolle dabei spielt die Stiftungswebsite.

Zusammengefasst

Spenden sammeln ist für eine immer größere Zahl von Stiftungen ein Weg, auf der Einnahmeseite voranzukommen. Damit das Einwerben von Spenden aber erfolgreich ist, müssen Beziehungen aufgebaut werden – zwischen Menschen. Hierbei spielen Geschichten eine zentrale Rolle, und der zentrale story hub einer Stiftung ist die Stiftungswebsite. Zumindest sollte sie das, oder besser: wird sie das künftig sein. Warum immer noch zu viele Stiftungswebsites fast schon stiefmütterlich behandelt und als erweitertes Impressum daherkommen, dass wissen nur die Stiftungsverantwortlichen. Aber dann wissen sie auch, dass wenn dies so bleibt, sie auf dem Spendermarkt kaum eine Rolle spielen werden.