Von der Karteikarte in die Cloud

Wie Stiftungen passende Stiftungssoftware finden, auswählen und von diesen profitieren

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Karteikarte war gestern Cloud ist heute
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Eine Stiftung zu digitalisieren, dazu gibt es viele Überlegungen anzustellen. Denn das Digitalisieren ist ja mit einer neuen Stiftungswebsite nicht abgeschlossen. Stattdessen gibt es verschiedene Prozesse in einer Stiftung, die digitalisiert werden können, oder aber zusammen in einer Lösung, einem IT-System abgebildet werden können. Wir haben hierzu mit Software-Experten gesprochen, unter jenen von Salesforce, und mal geschaut, wie Stiftungen einen Weg durchs Stiftungssoftwaredickicht finden. Eines vorab: Meist geht es los mit einer schnöden Bestandsaufnahme.

Müssten Stiftungen beim Thema „Wir werden digitaler“ einen Baum malen, bei dem die Entscheidungswege sichtbar wären, würde ganz oben vermutlich die Wahl stehen, ob sie die Organisation als Ganze digitalisieren bzw. digital aufstellen wollen, mit all ihren Prozessen, oder ob sie nur einzelnen Aufgaben durch digitale Tools (=Werkzeuge) übernehmen lassen wollen. Aber schon diese Entscheidung ist wichtig. Wir sprachen dazu mit André Lehmann, Stiftungsexperte beim Software-Anbieter Salesforce.org. Salesforce.org ist ein Social Impact Center von Salesforce und baut Technologie für und mit seiner Community aus gemeinnützigen, bildungsorientierten und philanthropischen Organisationen, um sie dabei zu unterstützen, effektiv zu arbeiten, Finanzmittel zu beschaffen und sich zu vernetzen. In unserem Gespräch prägt André Lehmann einen einschneidenden Satz: „Alle Prozesse einer Stiftung oder eines Vereins zu digitalisieren, bedeutet letztlich von A bis Z zu denken. Wer nur eine Disziplin digitalisieren möchte, greift sich dagegen nur einen Buchstaben heraus.“

KLEINER BAUSTEIN ODER GROSSE LÖSUNG?

Anknüpfend an dieses Bildnis stellt sich natürlich direkt die Frage, inwiefern Stiftungen gleich die volle Kapelle oder erst einmal eine Disziplin in die digitale Welt überführen sollten. Viele Stiftungen sind von Haus aus nicht auf die große Lösung vorbereitet, manche Stiftung braucht auch gar nicht die große Kapelle, also die große Lösung, weil sie nicht wachsen möchte etwa das Spendenaufkommen betreffend und weil sei demgemäß auch ihre Instrumente und Kampagnen nicht großartig messen muss. Allerdings ist das genau die Aufgabe, die Stiftungen angehen müssen, wenn sie Spender gewinnen und die Spenderbeziehung intensiv pflegen wollen. Der Aufwand wird ohne digitale Prozesse irgendwann zu groß, zu wenig messbar, lässt sich nicht mehr skalieren.

AUCH STIFTUNGSHANDELN BRAUCHT SKALIERUNG

Laut André Lehmann ist dies der Punkt, an dem viele Stiftungsverantwortliche anfangen, digitale Lösungen zu recherchieren. Denn Spendenaufkommen – um bei dieser Disziplin zu bleiben – zu steigern ist das eine, hierauf vorbereitet zu sein ist das andere. Stiftungen haben hier dann die Möglichkeit, zu wählen: zwischen einer Software die sie auf ihrem Rechner installieren und dort dann Arbeitsplätze für die jeweiligen Mitarbeiter einrichten, oder dem Schritt in die Cloud. Dabei ist beides, also das Installieren von Word oder Excel bzw. der Gang in die Cloud etwas Handfestes, denn hier wie da sind die Lösungen für bestimmte Zwecke vorgesehen, muss ihre Nutzung erlernt werden.  Nach einiger Zeit sind die Mitarbeiter aber fit und lassen Karteikarte mal Karteikarte sein. So in etwa sieht es im Optimalfall aus.

STIFTUNGSEXPERTEN-TIPP: André Lehmann ist als Stiftungsexperte in unserer Stiftungsexperten-Übersicht gelistet, alle Details dazu finden Sie hier.

DIE CLOUD ALS ARBEITSUMGEBUNG FÜR STIFTUNGSVERANTWORTLICHE

Bei einer Cloud ändert sich aber Einiges mehr. Die Arbeitsumgebung ist eine andere, Stiftungsverantwortliche hinterlegen Datensätze zentral, in einem Datenpool in der Cloud, sie greifen auf diesen Datenpool mit allen möglichen Devices (PD; Tablet, Handy) zu und teilen die Daten so auf kürzestem Wege auch mit ihren Kollegen. Es wird im Normalfall online statt offline gearbeitet. Daten werden damit schneller für alle Stiftungsmitarbeiter verfügbar und das Homeoffice, seit der Corona-Pandemie ein fixer Bestandteil des Arbeitsalltags, ist keine Frage der Organisation mehr. Denn per Internet können die Mitarbeiter von überall arbeiten, entweder zuhause oder auch von unterwegs. .

ZEITNAHE ERFOLGSKONTROLLE WIRD FÜR STIFTUNGEN MÖGLICH

Wir haben uns die Nonprofit Cloud von Salesforce.org, eine Plattform mit der die Bereiche Fundraising, Projektmanagement, Projektevaluierung und Marketing-Engagement von gemeinnützigen Organisationen optimiert werden können, einmal näher angeschaut und sind auf ein paar Punkte gestoßen, die das Zeug haben, den Stiftungsalltag zu verändern. Einmal ist mit der Nonprofit Cloud die Zeit der händischen Projektdokumentation vorbei. Programme wie einzelne Projekte können datenmäßig erfasst werden, die Erfolgskontrolle kann somit direkt abgeleitet werden. Zu wissen, welche Erfolgskennziffern ein Projekt liefert, wird künftig vermutlich immer stärker zum Stiftungsalltag gehören, denn stimmen die Zahlen nicht, kann ich sofort umsteuern. Das Fundraising ist ein weiteres weites Feld, in dem eine Cloud Enormes leisten kann. Spenderdaten abzulegen ist das eine, aus den Daten Muster zu erkennen und darüber mehr über den Spender zu erfahren das andere. Je mehr ich weiß, wer mich unterstützt, desto eher kann ich meine Kampagnen auf ihn abstellen.

LESETIPP: Wir begleiten Stiftungen auf ihrem Weg in die digitale Welt auf unserem Blog #stiftungenstärken (www.stiftungenstärken.de), hier gibt es regelmäßig Anregungen für die Stiftungspraxis rund um Stiftungswebsite, Stiftungskommunikation, Stiftungsfundraising – eben die Tools für das Ankommen im digitalen Hier und Jetzt.

NONPROFIT CLOUD MIT FUNKTIONALITÄTEN AUF VERSCHIEDENEN EBENEN

Die Nonprofit Cloud enthält auch Funktionen im Hinblick auf das Analysieren von Wirkungsgraden und liefert damit ggf. schnell jenen Datenhaushalt, den es für das Erstellen des Jahresberichts braucht. Oder braucht es den Jahresbericht künftig vielleicht gar nicht mehr? Wird dieser vielleicht Cloud-basiert durch ein aktuelles Quartals-Reporting ersetzt, mit Zahlen von heute Morgen? Solche Spielarten sind möglich und machbar, solche Anwendungstiefen bieten einfache Softwareprogramme vermutlich nicht, sie setzen aber auch ein bestimmtes Profil einer Stiftung voraus. Vor allem solche Stiftungen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Spendenwachstum zu kreieren, sollten sich mit der Nonprofit Cloud befassen, denn wenn eine Stiftung 38 Spender hat, dann kann sie die Spendenbescheinigung noch per Hand rausschicken. Bei 380 oder gar 3.800 Spenden bzw. Spendern geht das nicht mehr, der Aufwand muss skaliert werden.

ZWEI CHECKLISTEN FÜR DIE STIFTUNGSPRAXIS

Nach unserem Gespräch mit André Lehmann haben wir eine kleine Checkliste erstellt, wie Stiftungen für sich herausfinden, welche Softwarelösung für sie die passende wäre und wie sie eine solche finden.

Checkliste „Welche Softwarelösung braucht meine Stiftung?“

  1. Wollen Sie ihre gesamte Organisation digitaler aufstellen, dann brauchen Sie eine Lösung aus einer Hand, es bringt Ihnen dann nichts, verschiedene Programme zu handhaben. Wollen Sie nur einzelne Disziplinen digitalisieren, reicht ein einzelnes Programm. Aber auch hier müssen Mitarbeiter geschult werden und der Effekt auf die Stiftung als Ganzes ist langfristig vermutlich gering.
  2. Haben Sie ausschließlich ehrenamtliche Mitarbeiter, sind es vermutlich einfache und auch leicht erklärbare Softwarelösungen, die gesucht werden. Je mehr angestellte Mitarbeiter die Stiftung hat, desto eher eignen sich integrierte oder Cloud-Lösungen. Hier können dann je nach Rolle des Mitarbeiters bzw. des Nutzungsumfangs einzelne Mitarbeiter (im Fachjargon key user genannt) oder mehrere Mitarbeiter geschult werden.
  3. Haben Sie ein kleines IT-Budget, sind es gleichfalls die Einzellösungen, die ggf. in den Fokus rücken. Eine Fundraising-Software, eine Adressverwaltung, eine Reporting-Lösung rund um die Vermögensverwaltung. Solche Einzelwerkzeuge machen Sinn, denn sie sind für kleines Geld zu erwerben und zu nutzen. Gleichzeitig kann es aus Stiftungssicht sinnvoll sein, etwa in Cloud-Lösungen zu denken, denn die nächste Generation von Stiftungsverantwortlichen wird hier sofort handlungsfähig sein, wohingegen Einzellösungen ggf. ein vielfaches Einarbeiten notwendig machen. Ein Tipps noch für Stiftungen: Für gemeinnützige Organisationen mit eingeschränktem Budget bietet Salesforce.org übrigens das “Power of Us”-Programm an, das 10 kostenlose Abonnements der CRM-Lösung enthält.

Checkliste „Wie finde ich die passende Softwarelösung bzw. den passenden Softwareanbieter für meine Stiftung?“

  1. Schauen Sie, ob es vom Software-Anbieter echtes Commitment gibt, ob der Software-Anbieter die Arbeitsweise und Herausforderungen meiner Stiftung versteht, um einen entsprechenden Lösungsansatz zu bieten und zu betreuen.      
  2. Schauen Sie, ob die gewünschte Software-Lösung bei anderen Stiftungen eingesetzt wird, lassen Sie sich Referenzen zeigen. Viele Stiftungen setzen derzeit Software-Projekte auf, hier lässt sich viel abschauen, die Braunschweigische Stiftung hat ihr Software-Projekt sogar als Anschauungsprojekt deklariert und einen Leitfaden dazu verfasst, Stiftungen sollen sich das Ganze abschauen.
  3. Vergleichen Sie die Nutzwerte von Einzel- vs. Integrierten vs. Cloud-Lösungen, die Lösung muss stiftungsindividuell passen. Fragen Sie sich, wie und ob die Lösung von Ihrer Stiftung eingeführt werden kann, wie Sie die Mitarbeiter mitnehmen können und ob der Stiftungsvorstand um die Lösung herum kommunizieren kann.

ZUSAMMENGEFASST

„Die Stiftungssoftware kommt, die Karteikarte geht“, so fasst André Lehmann die künftige Gemengelage in vielen Stiftungen zusammen. Sagt damit aber auch, dass viele Stiftungen gerade an dem Punkt sind, sich mit Stiftungssoftware und damit auch mit dem Switch alltäglicher Prozesse in die Cloud zu beschäftigen. Eine Cloud-Lösung kann für Stiftungen sehr viele Vorteile mit sich bringen, speziell für solche Stiftungen, die künftig sehr viel vorhaben, und die Zahl derer, für die das zutrifft, dürfte auch stetig größer werden. Aber wie heißt es so schön, wer nicht mit der Zeit geht der geht mit der Zeit, oder?