Über Brücken musst Du gehen

#vtfds2021 aktuell: Warum die Anlageklasse Infrastruktur einen Platz im Stiftungsvermögen verdient hat

8785
Über Brücken musst du gehen
Lesezeit: 5 Minuten

Viele Stiftungsvermögen sind klassisch aufgestellt, sie werden in Aktien und Anleihen investiert. Auch bei vielen Stiftungsfonds bilden Aktien und Anleihen das Grundgerüst. Die Anlageklasse Infrastruktur fehlt jedoch in vielen Allokationen, seien es an der Börse gelistete Infrastrukturunternehmen oder nicht börsennotierte Infrastrukturinvestments. Über die Gründe dafür ließe sich mannigfaltig spekulieren und fabulieren, wir wollen an dieser Stelle und beim 2ten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen der Anlageklasse Infrastruktur insistieren.

Wer an den Song ‚Über sieben Brücken musst Du gehen‘ denkt‘, der hat sofort Peter Maffay vor Augen bzw. im Ohr. Dabei entstammt eines der erfolgreichsten Lieder der jüngeren deutschen Musikgeschichte aus der Feder der Macher der DDR-Band Karat, jene Band die auch den blauen Planeten besang.Über sieben Brücken müssen Stiftungen in der Verwaltung ihres Stiftungsvermögen nun nicht gerade gehen, aber sie sollten darüber nachdenken, ob sie Infrastruktur-Anlagen nicht doch in ihrer Allokation berücksichtigen. Brücken sind dabei nur eine Ausprägung von Infrastruktur, das Investmentfeld ist breit gefächert und gehört zu, wenn nicht dem zentralen Element einer modernen Volkswirtschaft. Worin will der neue US-Präsident mehr als zwei Bio. USD investieren? In Infrastruktur!

INFRASTRUKTUR IST MEHR ALS BRÜCKEN

Infrastruktur besteht zunächst einmal aus ganz verschiedenen Bereichen und Untersegmenten. Wir sprechen über Verkehrsinfrastruktur, die eben besagten Brücken, aber auch Tunnel oder Mautstraßen umfasst. Wir sprechen über den Bereich Energie mit den Segmenten der Erneuerbare Energien, also Solar-, Wind- und Wasserkraft, aber eben auch dem Speichern von Energie. Der Bereich Versorgung umfasst bspw. die Segmente Strom- und Gasverteilung, während im Bereich Kommunikation Datencentren oder Mobilfunkmasten die Ertragsbringer sind. Schließlich gibt es auch noch den Bereich Soziale Infrastruktur, zu dem Krankenhäuser, Schulen oder auch Sportstätten gehören. Das alles ist investierbar und wird im internationalen Kontext auch von immer mehr Stiftungen nachgefragt.

Hat Ihre Stiftung außerhalb von Aktien oder Anleihen investiert oder vor zu investieren?

DEUTSCHE STIFTUNGEN HALTEN SICH BEI INFRASTRUKTUR NOCH ZURÜCK

Die damit automatisch verbundene Frage lautet aber: Warum halten sich deutsche Stiftungen beim Infrastrukturinvestment noch zurück? Eine Umfrage des Bundesverbands Deutscher Stiftungen hatte die Anlagerichtlinie, das vermeintlich zu hohe Risiko, die noch fehlenden Anlageprodukte sowie die hohen Minimuminvestitionen als Hindernisse aus Stiftungssicht benannt. Diese Punkte sind zwar nachvollziehbar, lassen sich aber sortieren. Die Anlagerichtlinie muss natürlich ein Infrastrukturinvestment – bspw. als Quote für Alternative Anlagen oder einfach als Quote für „andere Anlagen“ – vorsehen, muss dafür aber auch Kriterien nennen, die beispielsweise entlang nachhaltiger Überlegungen angestellt werden können. Auch kann es sinnvoll sein kann zu definieren, ob ich mit meinem Stiftungsvermögen in einzelne Anlagen oder über ein Fondsvehikel in verschiedene Infrastrukturanlagen investiere.

INFRASTRUKTUR IN DER ANLAGERICHTLINIE

Da viele Anlagerichtlinien derzeit eine solche Regelung nicht vorsehen und der Kosmos der Asset Allocation aus Aktien und Anleihen besteht, ist dies sicherlich der erste Ansatzpunkt, aber eben einer der von der Stiftung selber in die Hand genommen werden kann. Beim Punkt des zu hohen Risikos gilt es zu konstatieren, dass sich diese Ansicht vermutlich aus Unkenntnis speist, und auch zu allgemein ausgesprochen wird. Beim Blick auf an der Börse gelistete Infrastrukturunternehmen kann für den Zeitraum zwischen Ende 2019 und heute attestiert werden, dass sich hier tatsächlich ein Wertverzehr bei den Kursen ereignet hat, vor allem für so konjunktursensible Bereiche wie Flughäfen oder Seehäfen. Andersherum konnten Betreiber von Kommunikationsinfrastruktur zulegen.

CORONA-PANDEMIE SETZTE AUCH INFRASTRUKTURAKTIEN ZU

Das Risiko waren für besagte Periode nicht die Kursrücksetzer, sondern die Lockdowns, die ursächlich für die Wertverzehre waren. Christian Brezina, Fondsmanager bei Aquila Capital, erklärt es wie folgt: „Der Blick auf die Sektoren der Infrastruktur zeigt, dass diese sehr unterschiedlich betroffen sind. Im Mittelpunkt steht dabei insbesondere die jeweilige Vergütungsstruktur.“, und führt weiter aus: „Die Telekommunikationsbranche zeichnet sich, den Erwartungen entsprechend, als Krisengewinner ab. Nach einem Verlust von 10% gegenüber dem Vorjahresschluss zum Beginn der Lockdown-Beschränkungen, gaben die Verlagerung der Arbeitsplätze ins häusliche Umfeld und die enorme Ausweitung digitaler Medien den Aktien dieses Segmentes Auftrieb. Die Telekommunikationsbranche weist als einziger Sektor im hier betrachteten Vergleich eine positive Entwicklung auf.“

UNKORRELIERTRE ORDENTLICHE ERTRÄGE

Der eigentliche Blick von Stiftungen sollte aber auf die ordentlichen Erträge gerichtet sein, und hier konnten besagte Kommunikationsunternehmen wie bisher liefern, vor allem aber zeigte sich die Vorteilhaftigkeit von nicht börsen-notierten Infrastrukturanlagen, deren ordentliche Erträge völlig unkorreliert zur Lockdown-Gemengelage sprudelten. Wind und Sonne lassen sich von einem Virus eben nicht bremsen. Insofern sollten Stiftungen bei der Betrachtung des Risikos auch die beiden Zugangsarten zu Infrastrukturanlagen im Blick haben. Denn nur auf Kursrisiken zu schauen, das verengt den Blick, und die Anlagerichtlinie muss die Bewertung solcher Anlagen entsprechend differenziert vorsehen. Christian Brezina präzisiert: „Durch die geringe Korrelation zu anderen Assetklassen ergibt sich bei nichtgelisteten Infrastrukturanlagen ein hohes Potential, die Portfoliodiversifikation zu verbessern.“



VERANSTALTUNGSTIPP: Christian Brezina ist einer der Referenten der Diskussion „Anlegen wie die Großen“ beim 2ten Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen am 12ten Mai 2021. Alle Infos zum Programm des #vtfds2021 sowie zu den weiteren Referenten finden Sie hier.

ZUGÄNGE ZU INFRASTRUKTUR-INVESTMENTS

Gleichzeitig weist er einschränkend auf eine Hürde hin, die Stiftungen auch in der gezeigten Umfrage des Bundesverbandes benannt haben: das Mindestinvestment. Brezina: „Im Gegensatz zu gelisteten Infrastrukturunternehmen zeichnet sich das Segment durch – resultierend aus den Volumen sowie Mindestkapitalanforderungen – hohe Markteintrittsbarrieren aus. Da auch innerhalb des Segments eine diversifizierte Strategie unerlässlich ist, gestaltet sich der Aufbau von Infrastrukturbeteiligungen für viele Investoren herausfordernd. Insbesondere institutionelle Investoren mit langfristigem Anlagehorizont, zu denen wir auch Stiftungen zählen, könnten jedoch in hohem Maße von den Vorteilen profitieren.“ Entsprechend müssen sich Stiftungen mit den verschiedenen Zugangsformen für Infrastrukturanlagen vertraut machen.

SIND FONDSLÖSUNGEN FÜR INFRASTRUKTUR STIFTUNGSGEEIGNET?

Neben besagten börsennotierten Unternehmen sind Fondslösungen solche, die damit am Horizont aufscheinen. Hierbei unterscheiden sich die Angebote nach der Nutzungsart der Infrastruktur, beispielsweise gibt es geschlossene Fonds, die in Krankenhäuser oder eben Windanlagen investieren, aber eben nur in diesen einen Bereich von Infrastruktur. Das hat den Nachteil eben jener hohen Beteiligungshürden, und birgt auch das Risiko, dass wenn eine Anlage oder ein Infrastrukturobjekt Schaden nimmt, sich dann Renditeparameter nicht mehr aufrechterhalten lassen. Das ist dann ein elementares Risiko, das Stiftungen zu Recht scheuen sollten. Werden jedoch einige solcher Infrastruktur-Anlageprodukte in einem Fonds zugänglich gemacht, wird dieses Risiko zumindest reduziert, und innerhalb des Fonds wird dann entsprechend auch diversifiziert.



LESETIPP: Ein Whitepaper von Aquila Capital zum Thema Infrastruktur, mit mehr Details zu Infrastrukturbereichen, -segmenten und -investments haben wir hier zum Download hinterlegt.

DIVERSIFIKATIONSGEBOT PRO INFRASTRUKTUR

Das wiederum ist für Stiftungen relevant, denn sie müssen ja in der Veranlagung ihres Stiftungsvermögens dem Diversifikationsgebot folgen. Fondsmanager Christian Brezina geht in die Details: „Durch Investitionen in ausgewählte Zielfonds ermöglichen Multi-Manager-Lösungen durch die Nutzung von Diversifikationseffekten weitere positive Auswirkungen auf das Portfolio, sprich: Die Auswahl unterschiedlicher Manager von Infrastrukturprodukten reduziert das Risiko signifikant.“ Natürlich, als Manager einer solchen Multi-Manager-Lösung muss der Fondsprofi das sagen, aber die Argumentation ist schlüssig. Ein Infrastrukturinvestment allein stellt für Stiftungen ein Klumpenrisiko dar, so als würden sie in eine einzelne Immobilie investieren. Viele Immobilien wiederum, etwa gebündelt in einem Fonds, stellen ein überschaubares Risiko im Stiftungsvermögen dar, und ganz ähnlich verhält es sich mit dem Investmentthema Infrastruktur.

ZUSAMMENGEFASST

Bauen Stiftungen ihr Stiftungsvermögen für 2030 und darüber hinaus um, dann werden sie an Infrastruktur-Investments kaum vorbeikommen. Hier können viele Erträge unkorreliert vom Kapitalmarkt vereinnahmt werden, und sie sind auch einigermaßen krisenresistent, wie die Corona-Pandemie gezeigt hat. Stiftungen müssen sich aber eben umorganisieren, sie müssen die Anlagerichtlinie ggf. umarbeiten, sich mit den Spezifika von Infrastruktur-Investment und auch den verschiedenen Zugängen zu diesen befassen. Die Ertragsbasis eines Stiftungsvermögens kann von Infrastrukturanlagen an und für sich nur profitieren, Stiftungen bauen sich so vermutlich eine Brücke in die Zukunft. Womit wir wieder bei Karat wären, nicht bei den Brücken, sondern beim Blauen Planeten.