Schwankungen als temporäres Ereignis, eine für die ordentlichen Erträge positive Dividendensaison und Risikoreduktion durch breite Streuung — so blickt Achim Lange, Vorstand Finanzen, Verwaltung, Personal der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, aus Stiftungssicht auf die aktuelle Situation am Kapitalmarkt.
Fondsfibel.de: Welche Bilanz ziehen sie zum Investitionsjahr 2022: Was haben Sie gut hinbekommen, worüber ärgern Sie sich im Nachgang, es nicht anders gemacht zu haben?
Achim Lange: Wir haben im Jahr 2021 angefangen, die Anleihequoten in unserem Portfolio zu reduzieren und haben dies auch 2022 konsequent weiter umgesetzt. Dies haben wir gut hinbekommen, wenn man im Nachgang das Haar in der Suppe suchen möchte, könnte man sagen, wir hätten schneller und noch radikaler die Quote reduzieren müssen. Unsere Quote an festverzinslichen Wertpapieren beträgt aktuell 22% von damals 37%, durch die Reduktion konnten wir einiges an Kursverlusten vermeiden. Wichtiger war uns aber, durch die Umschichtungen langfristig die Ertragsseite zu stärken und durch Investitionen in Sachwerte einen besseren Inflationsschutz zu ermöglichen.
FondsFibel: Welchen Vorteil bringt Ihre vorherige Tätigkeit als Manager eines Stiftungsfonds – generell und speziell in dieser turbulenten Phase?
Achim Lange: Es ist, glaube ich, unendlich nützlich einmal auf der anderen Seite tätig gewesen zu sein. Für uns als Stiftung mit einem sehr langen Anlagehorizont sind turbulente Phasen immer eher Chancen, die man nutzen kann. Wir steuern unsere Quoten nicht nach Value at Risk oder ähnlichen Systemen, die uns zwingen würden, in schwachen Marktphasen unsere Risikopapiere zu reduzieren. Für uns als Stiftung sind Kursschwankungen wie wir sie 2022 gesehen haben nur ein temporäres Ereignis, Anleihen können bis zur Endfälligkeit gehalten werden und Aktien werden langfristig einen positiven Ertrag bringen. Turbulent würde es erst bei uns werden, sollte es zu Zahlungsausfällen bei Anleihen kommen bzw. zu erheblichen Dividendenkürzungen, wie wir es 2020 gesehen haben. Trotz der temporären und kurzfristigen Kursrückgänge an den Aktienmärkten 2022 haben wir eine sehr starke Dividendensaison 2022 gesehen, was natürlich sehr positiv für unsere ordentlichen Erträge war.
FondsFibel: Aus Ihrer Erfahrung heraus: Welchen Anteil des Vermögens sollten kleine und mittlere Stiftungen in Stiftungsfonds investieren? Was gehört im aktuellen Umfeld unbedingt in ein Stiftungsportfolio?
Achim Lange: Am Kapitalmarkt gibt es fast nichts umsonst, aber eines gibt es: Risikoreduktion durch eine breite Streuung. Deshalb sollte man nicht in nur einen Stiftungsfonds investieren, sondern auch hier streuen. In ein Stiftungsportfolio gehört nach Möglichkeit alles, was Erträge erwirtschaftet, was man versteht und kostengünstig umsetzbar ist. Gold und Rohstoffe sehe ich eher etwas kritisch für Stiftungen, aber das ist eine persönliche Einstellung. Aus der Portfoliotheorie ist Gold eine gute Absicherung für eine schwächelnde Währung bzw. als Inflationsschutz. Investitionen in Microkredite sind mir persönlich zu kostenintensiv. In Abhängigkeit der Größe einer Stiftung kann Infrastruktur eine sinnvolle Ergänzung darstellen, wichtig hierbei ist vor allen eine große Streuung, da Infrastrukturprojekte eine sehr heterogene Ausprägung besitzen.
FondsFibel: Thema Zinsen: In welchem Umfang loggen sie die jetzt ein? Sehen Sie eine Gefahr, dass Stiftungen bei 3,5% wieder zu anleihelastig werden und vielleicht sogar Chancen in alternativen Anlageklassen verpassen?
Achim Lange: Wir werden in den nächsten Jahren weiterhin unsere Anleihequote reduzieren, da selbst mit einer Rendite von 3,5% bei einer Inflation von ca. 5% in der Kernrate kein realer Kapitalerhalt erreicht werden kann. Ich glaube, dass alle Verantwortlichen sich dieser Thematik bewusst sind. Für Stiftungen ist weniger die absolute Höhe der Rendite entscheidend, sondern ob es sich um eine positive Realrendite handelt. Sollte dies demnächst der Fall sein, könnte ich mir auch vorstellen, die Anleihequoten wieder zu erhöhen, aber nicht jetzt. Den meisten Stiftungen ist sicherlich bewusst, dass ohne alternative Anlageklassen ein realer Kapitalerhalt auf absehbarer Zeit nicht zu realisieren ist.
FondsFibel: Zum Nachhaltigkeitsthema, „Ihr“ Hamburger Stiftungsfonds ist ja nun auch Artikel 8: Wie stark sollten Stiftungen ihre Invests auf Nachhaltigkeit ausrichten? Mehr Artikel 9? Mehr Impact? Oder ist da zu viel Hype?
Achim Lange: Wir haben damals beim Hamburger Stiftungsfonds schon sehr früh die Weichen für einen Artikel-8 Fonds gestellt, ohne zu wissen, dass es irgendwann einmal eine Offenlegungsverordnung der EU geben würde. Bereits bei seiner Auflage vor mehr als 10 Jahren wurden bestimme Branchen für Investitionen ausgeschlossen. Der Ansatz, bestimme Branchen auszuschließen und nicht einen Best in Class Ansatz zu wählen war, glaube ich, damals eines der entscheidenden Erfolgsgeheimnisse. Zuzüglich gilt es die hohe Transparenz für die Investoren zu erwähnen.
Die Frage, wie stark sich Stiftungen auf Nachhaltigkeit ausrichten sollten, kann man pauschal nicht beantworten, sondern muss immer individuell herangehen. An erster Stelle bei dieser Betrachtung sollte immer der Stiftungszweck stehen. Es darf nicht zu Zielkonflikten mit der Anlagepolitik und dem Stiftungszweck kommen. Wir stehen zum Beispiel für eine freie Presse Osteuropa ein, unter anderem mit dem Free Media Award, der in diesem Jahr in Hamburg verleihen wird. Daher schließen wir Investitionen in Staatsanleihen von Staaten aus, bei denen die Pressefreiheit nicht gegeben ist. Kann man die Welt verbessern, indem man nachhaltiger Investiert? Ich bin der Meinung, man muss das Thema Nachhaltigkeit pragmatisch und sehr individuell lösen, dazu kann dann auch mehr Impact gehören, wobei der Impact bei den meisten Stiftungen schon durch den Stiftungszweck gegeben ist.
FondsFibel: Achim Lange, vielen Dank für diese interessanten Einblicke.