Triell im Abendrot

In welche Zukunft blicken Stiftungen nach der Bundestagswahl 2021?

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Zukunft des Stiftungssektors 2030
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Zukunft ist ein großes Wort, und wurde im Triell am gestrigen Abend doch irgendwie recht klein geschrieben. Es wurde sich um Ideen für das Morgen bemüht, keine Frage, aber doch eher im Kleinen, den großen Wurf vermisste man bei den drei Diskutanten dann doch. Eine Zukunft, nämlich jene der Zivilgesellschaft, wurde irgendwie gar nicht angeschnitten, dabei wird diese doch alle Umbauarbeiten in unserem Land tragen müssen. Für uns steht die Frage im Raum, ob der Einfluss etwa des Stiftungssektors künftig zunimmt, wovon wir fest ausgehen, weil er zunehmen muss, oder ob er doch eingedampft wird ob eines noch stärkeren Staatseinflusses auf alle Ebenen des täglichen Lebens. Genau an dieser Frage aber hängt extrem viel.

Im Politikstudium haben wir es natürlich gelesen, das Manifest der kommunistischen Partei, oder eben auch das kommunistische Manifest. Die berühmten Eingangsworte „Ein Gespenst geht um…“ kennen Sie sicher, es wurde eine Angst geschürt vor einer Zukunft, der nicht sehr viel Positives abzugewinnen und der ein kommunistisches Denk-, Politik- und Wirtschaftsmodell entgegen zu setzen ist. Nun, mit dem Gespenst ist es bei den aktuellen Herausforderungen nicht weit her, denn wir alle wissen um die Notwendigkeiten, oder ist der Klimawandel doch so etwas wie in Gespenst, das umherzieht, und das unser Leben auf noch unabsehbare Weise beeinflussen wird? Die Rolle die Stiftungen in diesem Umfeld zufällt lässt aus dem Triell heraus nur schwer entziffern.

WELCHEN RAUM NIMMT DAS STIFTUNGSWESEN NACH DER WAHL EIN

Die Frage die im Raum steht ist jene nach dem Raum, den das Stiftungswesen künftig einnehmen wird. Und damit meinen wir nicht den Raum, den Stiftungen Altvorderen schaffen, um eine ihrem Renommee als Politiker angemessene Anschlussbeschäftigung auf ihren Briefkopf schreiben zu dürfen. Stiftungen brauchen einen Raum, Stiftungen sind ein Player im Sozialstaat, im Gefüge zwischen den Instanzen, und diesen Raum gilt es grundsätzlich zu definieren. Das jedoch haben wir nicht nur im Triell sondern auch im Zuge des Wahlkampfes – nennen wir ihn ruhig so – weder deutlich noch undeutlich vernommen, wie genau dieser Raum künftig aussehen soll. Eines jedoch dürfte die Wahlentscheidung mit sich bringen, die Entscheidung pro Sozialstaat.

GRÜNDUNGSMOMENTUM KANN VERLOREN GEHEN

Was kann derlei aber für den Stiftungssektor bedeuten? Wenn wir uns für mehr Sozialstaat entscheiden, wenn den Unternehmen mehr Zügel angelegt werden, was wird passieren? Zweierlei. Wir werden Gründungsmomentum im Stiftungssektor verlieren und dort wo der Staat für sich mehr Handlungsspielraum reklamiert, wird der Stiftungssektor womöglich Bewegungs- und Aktionsspielräume verlieren. Der Raum für Stiftungen bzw. den Stiftungssektor wird dann übergeordnet kleiner, obwohl die Absicht dahinter vielleicht sogar eine gute war, den Sozialstaat durch einen Zuwachs an Ressourcen zu stärken. Nicht zuletzt weil Unternehmertum, das im Falle vieler Stiftungen der Nukleus ihrer Existenz ist, vermutlich erschwert würde.

WENN DER STAAT MAL SO RICHTIG LOSLEGT…

Natürlich bedeuten eingeengte Spielräume für den Stiftungssektor auch eine dezimierende Kraft für die Zivilgesellschaft, sie wird womöglich – wir müssen hier im Konjunktiv sprechen – in ihrer Gestaltungskraft gehemmt, der Staat wird wieder mehr regeln, der Zivilgesellschaft vorschreiben, wie sie sich zu verhalten hat, die Zivilgesellschaft ihrerseits wird ihren Aktionsradius verkleinert sehen – nicht sofort, ab doch im Laufe der Zeit immer deutlicher. Er wird der Zivilgesellschaft vielleicht sogar auch ihren Grad an Relevanz zuschreiben, woraus sich ableiten lässt, dass viele Bemühungen des Stiftungssektors, professioneller und zukunftsfester (resilienter) zu werden, ins Leere laufen könnten – und mit ihm auch ein Stück weit die Vielfalt im Stiftungswesen.

AGENDA 2030 FÜR DEN STIFTUNGSSEKTOR

Eine Agenda 2030 für den Stiftungssektor muss demzufolge mehr umfassen als die neue Stiftungswebsite oder eine Neuaufstellung des Stiftungsvermögens. Der ganze Sektor muss sich bewusst darüber werden, dass der Umbau der Volkswirtschaft auch eine Abkehr des Bewährten bedeutet und Stiftungen hier künftig nur eine Rolle spielen, wenn sie moderner, relevanter und resilienter werden – und sich als Hort der Vielfalt begreifen, der Denk- und Handlungsräume schafft, die Lebenselixier für die Pluralität unseres Systems darstellen. Diese immense Chance sollten Stiftungen nicht nur ergreifen, sie müssen es sogar, denn schaffen sie genau das, wird ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz nur eines können: zulegen.

ZUSAMMENGEFASST

Die Wahlentscheidung in 2 Wochen ist nicht nur für Klima und Wirtschaft eine Richtungswahl, sie ist auch eine für die Zivilgesellschaft. Es dürfte die Frage nach mehr oder weniger Handlungsspielraum im Raum stehen, je nachdem welche grundsätzliche Stoßrichtung sich durchsetzt. Andererseits ist es aber auch fast schon egal, wie die Bundestagswahl 2021 ausgeht, denn der Stiftungssektor wird sich völlig unabhängig davon zu mehr Moderne und Relevanz bekennen müssen. Die Wirtschaft macht sich auf, dorthin wo viele Menschen vom Kopf her bereits sind, und diesem Shift sollten Stiftungen frühzeitig folgen. Und Triell einfach mal Triell sein lassen.