Transformation – das Thema auch für das Stiftungsportfolio

Zwischen Bewahren und Hyper-Komplexität: Lehren vom DST24

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Rückschau DST24
Lesezeit: 5 Minuten

Der Stiftungstag in Hannover stand unter dem Motto der Transformation. Ein weiter Begriff, für den jede und jeder eine eigene, individuelle Definition formuliert. Was bedeutet der Begriff konkret für das Stiftungsvermögen und dessen möglichst rentierliche Anlage? Wie jedes Jahr dazu eine ganz subjektive Übersicht vom DST über Meinungen, Diskussionen und Ausblicke.

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#stiftungenstärken ON TOUR – der genossenschaftliche StiftungsApéro

Die Hinzuziehung der Philosophie

Der Stiftungstag startete offiziell mit dem Impuls des Philosophie-Professors Markus Gabriel. Muss man die Hinzuziehung der Philosophie als Indikator für das Unsicherheitslevel in der hiesigen Zivilgesellschaft werten? Wie auch immer: Der Bonner, der mit seinem Label als Philosoph der radikalen Mitte gut leben kann, sollte Orientierung in einer Welt auf Abwegen geben. Seine Feststellung einer hyper-komplexen Welt wurde häufig während des Stiftungstages zitiert. Gekennzeichnet sei die aktuelle Situation vom Eindruck, dass in der aktuellen Verfassung des globalen Gesellschaftsensembles weiterer humanitärer Fortschritt nicht nur nicht garantiert werden kann, sondern sich vielmehr Abgründe wie ein Krieg in Europa auftun, die zu erheblichen Rückschritten führen. Dem begegne man hierzulande mit einer sozial-ökologischen Transformation. 

DST-Kuppelsaal
Eröffnung des DST im Hannoveraner Kuppelsaal: Die Zeiten sind hyper-komplex und stehen auf Veränderung.

Hyper-Komplexität auch auf dem Kapitalmarkt? Gerade dort!

Die sozialen und beispielsweise energiepolitischen Dimensionen dieser Transformation werden breit diskutiert. Nicht übersehen dürfen Stiftungen aber dabei die Unausweichlichkeit der Folgen auch und gerade auf dem Kapitalmarkt. Bei vielen Gelegenheiten wurde während des Stiftungstages herausgestellt, dass sich Stiftungen auf keinen Fall durch das Zinsniveau dazu verleiten lassen sollten, wieder ausschließlich auf Anleihen zu setzen. „Bonds are back“ könne auf keinen Fall für das gesamte Portfolio gelten, betonte etwa Dr. Markus Faulhaber während der Diskussion bei Allianz Pension Consult im Herrnhäuser Garten. Eine erste Transformation hat es bei einigen Stiftungen bereits gegeben, konkret durch die Erhöhung der Aktienquote. Das berichteten Dr. Stefan Fritz von der Bischof Arbeo und weiteren kirchlichen Stiftungen als auch Prof. Dr. Hans Fleisch für die Heinz-Trox-Stiftung.

Die Runde der Chefvolkswirte

Was sollte mehr Orientierung geben als die Runde der Chefvolkswirte und Stiftungsexperten? Die Diskussion gehört seit Jahren zum Inventar des Stiftungstages. Bekanntlich legen viele hiesige Stiftungen ja mit einem Home Bias an, aber das hält Michael Dittrich, als Vertreter der Bundesstiftung Umwelt und erfahrener Investor zu Gast in der Runde, nicht für die beste Idee: „Was mir weniger Sorgen macht ist die derzeit zu beobachtende Wachstumsschwäche“ sagte Dittrich.

Besorgt sei er vielmehr, „weil wir nicht mehr Innovationsführer in entscheidenden Zukunftstechnologien sind.“ Carsten Klude, M.M. Warburg, geht davon aus, dass Unternehmen mit globalem Geschäftsmodell derzeit interessanter sind als jene, die den Umsatzschwerpunkt in Deutschland besitzen. Ganz grundsätzlich befindet er zur Vermögensanlage der Stiftungen: „Man muss seine Strategie festlegen und dann auch durchhalten.“ Daniel Schär, Weberbank, forderte ganz grundsätzlich „die deutsche Brille wegzulegen und internationaler auf die Lage zu blicken.“ Für Dr. Jörg Krämer, Commerzbank, wird die Künstliche Intelligenz wichtiges Anlagethema bleiben. Von daher werde es mit den Magnificient Seven weitergehen: „Rückschläge, auch deutliche, sind immer möglich, aber langfristig wächst KI wegen der Produktionseffizienz weiter.“

Unsicherheit führt zu Unvorhersehbarkeit

Die Volkswirte haben sich dem Thema von vielen Seiten genähert und beleuchtet, am Ende steht allerdings keine sichere Erkenntnis, was auch nicht zu erwarten war. Dr. Fritzi Köhler-Geib, kfw-Bankengruppe, fasste es so zusammen: „Letztlich ist unvorhersehbar, was aus den Unsicherheiten entsteht, ob und in welcher Bandbreite etwas eintritt. Deshalb können wir uns nur auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können.“ Diese Lehre hat Dittrich für die Bundesstiftung Umwelt bereits gezogen: „Wir setzen im Moment stark auf erneuerbare Stromerzeugung, denn Strom wird sich immer verkaufen.“ Damit ist Dittrich auf einer Linie mit Faulhaber, für den Kapitalanlage in der heutigen Zeit überwiegend in realen Werten stattfinden muss.

Was können Stiftungen selbst beeinflussen? 

Zurück zu dem, was Stiftungen selbst beeinflussen können. Hier sind vor allem Dekorrelation und Diversifikation zu nennen. Während jeder Investor bei Aktien und Anleihen den Schwankungen am Kapitalmarkt ausgesetzt ist, ist die Nutzung dekorrellierter Anlageklassen geradezu prädestiniert, Ruhe und Ertrag in ein Stiftungsportfolio zu bringen. Die Allokation über Aktien und Anleihen hinaus, und völlig von deren Dosierung abgesehen, ist etwas, was Stiftungen beeinflussen können. Die Frage lautet nicht mehr 30:70 oder 50:50 oder 70:30, sondern wie ein 20,20,20,15,15,10 umgesetzt werden kann. Dann ist auch die Diversifikation perfekt umgesetzt. In diesem Zusammenhang rücken auch Waldinvests in den Fokus.

Oder doch Immobilien?

Wenn es um Stiftungsvermögen geht sind Immobilien nicht fern. Diese Assetklasse sei weiterhin eine gute Wahl, waren sich Vertreter während eines von Dieter Lehmann (Arbeitskreis Stiftungsvermögen und Immobilien im Bundesverband Stiftungen) geleiteten Panels einig – wenngleich es durch erhöhte ESG-Anforderungen durchaus komplexer werde.

Michael Brand, Geschäftsführer, Bau-Immobilien-Consult, stellte knapp fest: „ESG ist gekommen, um zu bleiben“. Sein dringender Rat: Bloß nicht neue Vorschriften (vor-) schnell umsetzen, sondern gut planen und die Sinnhaftigkeit vorgeschlagener Maßnahmen prüfen.

Oke Petersen, Leiter Vermögen, Verwaltung und IT, Körber-Stiftung, berichtete, wie die Stiftung bis 2010 ihre liquiden Assets zu 100% in Immobilien umgeschichtet hat: „Damit sind wir bis 2020 natürlich hervorragend gefahren, seitdem wird es schwieriger.“ Die Entscheidung seinerzeit sei dennoch richtig gewesen, eine Abkehr nicht geplant.

Petra Träg, Geschäftsführung, SOS-Kinderdorf-Stiftung, erläuterte, dass die Stiftung etwa ein Drittel ihres Vermögens in Immobilien hält. Das liege auch daran, dass Immobilien durch Vererbung ins Vermögen fließen. Gerade die Kleinteiligkeit des Bestandes sorge für viel Arbeit, es bestünden aber keine Bestrebungen, den Anteil von Immobilien zu reduzieren.

Dieter Lehmann unterstrich als Mitglied der Geschäftsleitung der VolkswagenStiftung, dass auch dort der Immobilienanteil eher aufgestockt werden wird. Aktuell liege man mit etwa 11% unter dem langjährigen Durchschnitt und arbeite daran, auf 13-14% zu erhöhen.

Einig waren sich alle Experten: Zertifizierungen zum nachhaltigkeitsstandard werden immer wichtiger, zudem müsse man sich aktiv mit Bestandsimmobilien befassen – oder zum Beispiel bei Immobilienfonds darauf achten, dass diese Aufgabe vom Management vollumfänglich erfüllt wird.

Dekorrelation und Diversifikation: Dürfen Stiftungen das denn auch wirklich?

Die Auswirkungen der Stiftungsrechtsreform sind klar. Dank der geltenden Business Judgement Rule dürfen Stiftungen unter gegebenen Voraussetzungen rechtssicher, das heißt ohne Haftungsrisiko für Gremienvertreter, in bislang nicht verfügbare Assetklassen investieren. Das stellte Prof. Dr. Stephan Schauhoff während der Veranstaltung von Allianz Pension Consult nochmals klar. Er machte aber deutlich, dass zu den Voraussetzungen zwingend auch ein Vermögenserhaltungskonzept gehört. Ein solches sei unterhalb der Satzung angesiedelt und von daher problemlos zu installieren. Wichtig bei Investitionsentscheidungen sei zudem, dass der Weg bis zur Ausführung einer Order klar festgelegt und dokumentiert werde. Denn, so Schauhoff, bei Unstimmigkeiten werde stets der Instanzenweg untersucht, und wenn eine Investitionsentscheidung nicht gemäß der Regularien getroffen worden sei lasse sich kaum noch argumentieren.

DST-Motto
Das Motto des DST gilt auch und insbesondere für das Stiftungsvermögen.

Zusammengefasst

Transformation im Stiftungswesen, das bedeutet auch und ganz besonders die Transformation in der Vermögensallokation. Die Angebote sind da, die rechtliche Basis gelegt, nun ist es an den Verantwortlichen zu handeln.