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Dass TikTok nicht automatisch ein Werkzeug für Stiftungen ist, hat einen einfachen Grund. Nicht jede Zielgruppe ist auf TikTok. Will eine Stiftung via TikTok eine Zielgruppe adressieren, die gar nicht auf TikTok ist, wird sie diese nicht erreichen. Was nach einer einfachen Wahrheit klingt, hat aber einen recht komplexen Hintergrund. Auf dem Fundraisingtag in Stuttgart am 1.6.2022 erfuhren wir mehr dazu, und nahmen noch ein paar Erkenntnisse mehr mit nach Hause.
Zum Ziel zu kommen, das war auch eine Challenge beim Fundraisingtag in Stuttgart. Am 1.6. fand dieser nahe Stuttgart statt, oder sagen wir: gut eine Stunde entfernt von der Stuttgarter Innenstadt. Mit der S-Bahn ging es gen Süden nach Echterdingen, dann mit einem 800er Bus weiter bis zur Forststraße. Von dort waren es dann noch 950 Meter Fußweg, auf dem ich von einem Rentner angesprochen, oder besser: angeblafft wurde, warum ich den Hundehaufen am Straßenrand nicht mitnehmen würde. Es sei doch schlimm wie das ausschaut, da habe jeder seinen Beitrag zum schöneren Straßenbild zu leisten. Vor der Erkenntnis, dass sich der Fundraisingtag in Stuttgart in allen Belangen gelohnt hat, lag also ein recht beschwerlicher Weg.
Fundraising ist bei allem Vertriebs-, Beziehungs- und Begeisterungsarbeit
Auf diesen dürften sich mittlerweile auch etliche Stiftungen gemacht haben. Es war deutlich zu sehen, dass von den Teilnehmern ein erklecklicher Teil der Gruppe der Stiftungen zuzurechnen war. Fundraising in seinen Facetten stand beim Fundraisingtag auf dem Programm, klar, und Fundraising ist das, was viele Stiftungen machen wollen. Womit wir bei Lehre Nummer 1 angekommen wären. Nicht jede Stiftung sollte Fundraising auch machen. Also zumindest nicht im großen Stil. Denn Fundraising ist Arbeit, und zwar Vertriebs-, Beziehungs- und Begeisterungsarbeit. Nicht jede Stiftung wird in der Lage sein, diese Arbeit zu leisten. Die vielen Spielarten des Fundraisings legen den Schluss nahe, dass Stiftungen sich hier durchaus auch mal verzetteln können.
Ist meine Spenderin auf TikTok?
Zumal, und das ist Lehre Nummer 2, mit einem einfachen Anfangen beim Fundraising in der Regel noch kein Anfang gemacht ist. Also zumindest, wenn Fundraising für Stiftungen erfolgreich sein soll. In der Wirtschaft heißt es, „know your customer“, im Fundraising heißt es analog, kenne Deinen Spender. Ohne die Zielgruppe zu kennen, wird Fundraising nicht den Erfolg haben, den es haben kann. Das Beispiel TikTok, über das ich mit Fundraising-Magazin-Gründer Matthias Daberstiel am Rande der Veranstaltung sprach, verdeutlicht dies. TikTok sei eine tolle Plattform, erreicht viele junge Menschen. Wenn ich als Stiftung aber ältere Menschen als Zielgruppe habe, etwa für meine Großspendenkampagne, dann kann dies zum Problem werden. Denn diese älteren Menschen sind in der Regel eben genau nicht auf TikTok. Sie sind woanders unterwegs.
Stiftungen müssen ihre Zielgruppe kennen
Fahre ich als Stiftung dann also mit dem Ziel, Großspender zu gewinnen, eine große TikTok-Kampagne, dann wird diese nicht fruchten. Sie wird für mich womöglich sogar zum Risiko, wenn ich mit meinem Angebot auf der Plattform nicht ernst genommen werde. Für Matthias Daberstiel ist es ganz klar, dass Stiftungen ihre Zielgruppe kennen müssen, und zwar ziemlich detailliert und genau. Nur so kann eine Stiftung gewährleisten, dass sie nicht an der Spenderin und am Spender vorbeifundraist. So toll TikTok sich anfühlen mag, auch für denjenigen der dort Inhalte verbreitet, so wenig zielführend kann ein Engagement aus Stiftungssicht sein, wenn „meine“ Zielgruppe nicht dort vor Ort ist.
Der Spendenbrief als Brückentechnologie?
Das weitergedacht führt uns zu Lehre Nummer 3. Im Frühnachmittagsvortrag war nämlich ein Werkzeug Thema, das für Stiftungen immer noch ziemlich gut funktionieren kann. Der gute alte Spenderbrief hatte es nochmal auf die Bühne geschafft. Matthias Daberstiel hat hier mit seinem Team bewusst noch einmal einen Akzent gesetzt. Es ist eben genau nicht so, dass alle Stiftungen oder Vereine bereits vollumfänglich in der digitalen Welt verortet sind. Spender sind dies aber auch nicht. Demgemäß kann der Spendenbrief eine Art Brückentechnologie sein, denn über ihn lassen sich natürlich auch Webangebote einer Stiftung verbreiten und promoten. Der Spendenbrief ist aber nicht mehr nur ein Brief im Umschlag, er ist letztlich eine Datenbank mit Briefmarke. Bei diesem Brief wiederum lässt sich jede Menge optimieren, und eben auch über das richtige Tool bspw. relativ viel Porto sparen.
Spendenbrief in der Version 4.0
Was den Spendenbrief so besonders macht, ist dessen direkte Ansprache und der aus den Versandaktionen entstehende Datenpool. Wie schnell ein Datensatz auf einer Qualitätsstufe ankommen kann, dass eine Stiftung mehr über eine Spenderin oder einen Spender weiß als deren Adresse, das fand ich überaus spannend. Noch spannender war zu hören, was sich daraus auch für Stiftungen alles machen lässt. Das auf die Spenderin oder den Spender abgestimmte Mailing ist dabei nur der Anfang. Die Transformation des Spendenbrief in eine digitale Fassung, mit einem individuell abgestimmten Angebot ist die nächste Stufe. Ausbaustufe Nummer 3 ist das voll automatisierte und personalisierte Mailing, zu Terminen, an denen die Spendenbereitschaft ausweislich der Datenbasis maximal sein dürfte. Das ist Spendenbrief 4.0, wenn Stiftungen so wollen.
Zusammengefasst
So beschwerlich die Anreise in den teils 9-Euro-Ticket-getränkten Zügen war, der Erkenntnisgewinn aus dem Fundraisingtag in Stuttgart war es auf alle Fälle wert. Unsere drei Lehren sind keine richtig neuen, aber sie bestätigen uns. Den Spendenbrief nicht außen vor zu lassen, ist eine davon, eine die für Stiftungen relevant sein dürfte. Dass auch Stiftungen ihre Zielgruppe für Spendenaktionen viel besser kennen sollten, ist die zweite Lehre. Einfach mal einen Verteiler zusammenstellen, das war gestern. Tomorrow ist dann vielleicht auch das Thema TikTok für Stiftungen. Aber eben nur, wenn vorneweg n‘ paar Hausaufgaben gemacht wurden. Anregungen dafür hielt der Fundraisingtag in Stuttgart zuhauf parat. Heißt für uns: Wir kommen wieder, am 13.9.2022 in München.