Stiftungen entdecken Testamente für sich. Wenn gemeinnützige Organisationen in einem Testament bedacht werden, gilt das in der Regel als Erfolg einer langfristigen und vertrauensvollen Fundraising-Arbeit. Doch während im Erbschaftsfundraising oft die Ansprache und Begleitung potenzieller Erblasser im Mittelpunkt steht, rückt ein entscheidender Teil schnell in den Hintergrund: die praktische Abwicklung des Nachlasses nach Eintritt des Erbfalls. Erst in diesem Moment zeigt sich, ob aus dem guten Willen eines Menschen tatsächlich eine wirksame Zuwendung an die Organisation wird.
Die Erfahrung zeigt: Ein Testament allein schafft noch keinen Zufluss von Mitteln. Zwischen Erbeinsetzung und tatsächlicher Auszahlung liegen häufig Monate oder gar Jahre. Nachbarn wundern sich, warum ein Haus verwahrlost, das längst im Eigentum einer gemeinnützigen Organisation steht. Angehörige erleben, dass über Monate hinweg keine Klarheit herrscht, wer wofür zuständig ist. Hinzu kommt: Auch die Beräumung einer Nachlassimmobilie darf nicht zum bloßen Abtransport von Gegenständen verkommen, bei dem der günstigste Verwerter mit einem Container vorfährt und alles achtlos hineinwirft. Gerade das Umfeld nimmt solche Bilder wahr und zieht Schlüsse über den Umgang der Organisation mit dem Nachlass. Die Außenwirkung einer Nachlassabwicklung ist nicht zu unterschätzen.
Ein Testament allein schafft noch keinen Zufluss von Mitteln
Wenn Prozesse respektvoll, transparent und professionell gestaltet sind, entsteht Vertrauen. Und dieses Vertrauen kann weit über den einzelnen Nachlass hinausreichen, indem es Multiplikatoren wie Nachbarn, Bekannte oder Weggefährten motiviert, selbst über eine Zuwendung zugunsten der Organisation nachzudenken. Es geht nicht allein darum, ein Bankkonto aufzulösen oder eine Immobilie zu veräußern. Oft sind Verbindlichkeiten zu klären, Grundbücher zu berichtigen, offene Rechnungen zu begleichen, Verträge zu kündigen oder steuerliche Fragen zu lösen.
Nachlassabwicklung als komplexe Angelegenheit
Ein besonders delikates Thema sind Pflichtteilsberechtigte, in der Regel Kinder, die durch eine bewusste Enterbung in der letztwilligen Verfügung oftmals tiefe Verletzungen erfahren. Hier kommt auf die gemeinnützige Organisation eine besondere Verantwortung zu: Sie muss nicht nur rechtlich korrekt, sondern auch menschlich respektvoll mit diesen Situationen umgehen und Lösungen finden, die Konflikte entschärfen, ohne den letzten Willen infrage zu stellen. Gerade wenn der Erblasser keine Testamentsvollstreckung angeordnet hat, ist die professionelle Nachlassabwicklung ein entscheidendes Instrument, um solche Spannungsfelder mit Augenmaß und Fairness zu begleiten.
Weitere Dimensionen des Erbens und Vererbens
Hinzu kommen die alltäglichen, aber nicht minder schwierigen Dimensionen: Miterben, die eigene Vorstellungen durchsetzen wollen, Nachbarn, die ungefragt Einblick nehmen, oder Gläubiger, die sofort Ansprüche geltend machen. Wer in dieser Situation ohne Erfahrung oder eigene Nachlassabteilung agiert, riskiert Verzögerungen, Konflikte und Imageschäden. Genau hier beginnt das Brücken bauen zwischen Fundraising und Abwicklung. Während das Fundraising Vertrauen schafft, indem es den Erblassern zeigt, dass ihr Vermögen in gute Hände gelegt wird, muss die Abwicklung dieses Vertrauen einlösen. Sie ist der entscheidende Prüfstein für die Professionalität einer Organisation. Wer in der Lage ist, Nachlässe sauber, transparent und effizient zu führen, bestätigt den letzten Willen und stärkt zugleich das eigene Profil als verlässliche Institution.
Kennen Stiftungen die Pflichten, die auf sie im Falle eines Erbfalls zukommen?
An diesem Punkt angekommen, sind professionelle Nachlassabwickler gefragt. Deren Aufgaben stellen sich dort ein, wo der Erbfall eingetreten ist und die Organisation plötzlich Verantwortung trägt. Im Einzelnen dreht es sich dann um Pflichten wie die folgenden
- Koordination mit Gerichten, Banken und Behörden
- Sichern von Vermögenswerten
- Laufende Verwaltung
- Schritt für Schritt den Nachlass zum Abschluss führen
- Entlastung der Organisation in einem Bereich, der hohe rechtliche, steuerliche und kommunikative Anforderungen stellt
Professionelles Nachlassabwickeln als Signal nach draußen
Die Bedeutung dieser Arbeit geht über die reine Verwaltung hinaus. Jede Nachlassabwicklung ist auch ein öffentliches Signal. Sie zeigt, ob eine Organisation ihrer Verantwortung gerecht wird und ob sie das Vertrauen, das ein Erblasser in sie gesetzt hat, tatsächlich verdient. In Zeiten, in denen die öffentliche Wahrnehmung über soziale Medien und lokale Netzwerke schnell geprägt wird, reicht es nicht, sich auf die Testamentseröffnung zu verlassen. Es ist die gelebte Praxis der Abwicklung, die den Unterschied macht: zwischen einer Spende, die wirkt, und einem Erbe, das zum Problem wird.

Zusammengefasst
Fundraising und Nachlassabwicklung sind keine getrennten Welten, Stiftungen müssen sie als Einheit begreifen. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Das eine wirbt Vertrauen ein, das andere setzt es um. Wer beides zusammendenkt, schafft nachhaltige Wirkung für die Organisation, für die Erblasser und für die Gesellschaft.