Der digitale Nachlass

Was dazu gehört, wie damit umzugehen ist

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Der digitale Nachlass
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Der digitale Nachlass ist Teil des Erbes. Als Erbe treten Sie mit allen Rechten und Pflichten in die Fußstapfen des Erblassers oder der Erblasserin. Das trifft auch für Stiftungen zu, so sei als Erbin eingesetzt wird. Denn Erbschaftsfundraising ist im Stiftungssektor derzeit ein gängiger Begriff. Im Erbfall sind Stiftungen damit aber auch verantwortlich für die Hinterlassenschaften des Erblassers im Internet. Und schon gibt es in Analogistan Einiges zu erledigen.

Eine Vielzahl von Menschen nutzt heute das Internet: Wir kaufen online ein, präsentieren unseren Alltag in sozialen Netzwerken, verwalten online Verträge, nehmen am Online-Banking teil, nutzen Cloud-Dienste, überweisen mit Online-Bezahldienste, bieten Dinge zum Verkauf an, streamen Filme und tauschen den Personal-Trainer gegen einen Fitness-Tracker ein. Anders, als bei geerbten Sachwerten, wie Geld, Haus, Schmuck, Fotos oder Briefen wirft der digitale Nachlass jedoch zahlreiche juristische Fragen und Probleme auf, für die es bislang keine klaren gesetzlichen Regelungen gibt. Die zentralen Fragen hier lauten:

  • Was passiert nach dem Tod mit den Daten im Netz und wie kann ich vorsorgen?
  • Was gehört überhaupt zum digitalen Nachlass?

Um gleich bei dieser Frage zu bleiben, sollten die Dinge, die zum digitalen Nachlass zählen, einmal aufgeführt werden. Denn die Liste ist recht lang:

  • Vertragsbeziehungen zu Providern von E-Mail-Konten oder Host- und Access-Konten (1&1, Vodafone, Telekom; Strato; Microsoft);
  • Profile in sozialen Netzwerken (Facebook, XING; Instagram);
  • Messenger- und Cloud-Dienste (WhatsApp);
  • Online-Banking und Online-Bezahldienste (PayPal);
  • Digitale Zahlungsmittel (Kryptowährung);
  • Eigentumsrechte an Hardware;
  • Nutzungsrechte an Software;
  • Urheberrechte und andere Rechte an Bildern, Blogs, Foreneinträgen.

Mit diesen Aktivitäten im Internet hinterlässt folglich jeder eine Menge persönlicher Daten und  ggf. kostenpflichte Verträge, die gekündigt werden müssen.Darüber hinaus können sich aber durchaus auch Vermögenswerte im digitalen Nachlass des Erblassers befinden, wie Guthaben bei Bezahldiensten oder digitale Konten (Bitcoin).

Auf dem Computer befindliche heruntergeladene Programme stehen zudem nicht immer im Eigentum des Erblassers. Hier kann auch ein Nutzungsrecht begründet sein, z.B. das Lizenzrecht an der Nutzung einer bestimmten Software. Ist dieses Nutzungsrecht personenbezogen, erlischt es mit dem Tod. Anderenfalls muss es gekündigt werden.

EIN BLICK IN DIE PRIVATSSPHÄRE

Nach einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbands Bitkom e. V. aus dem Jahre 2017 haben gerade einmal 18% der Deutschen festgelegt, was mit Online-Konten, Nutzungsrechten & Co. nach dem Tod passieren soll. Wenn Erblasser Ihren digitalen Nachlass nicht zu Lebzeiten schriftlich regeln, haben die Erben uneingeschränkt Zugang zu allen gespeicherten Daten. Deshalb ist es ratsam, rechtzeitig Vorsorge zu treffen, wenn man vermeiden möchten, dass die Erben nach dem Tod Einblicke in Privatsphäre und sensiblen Daten bekommen. Aber, das ist nur die eine Seite.

WAS AUS SICHT DES ERBALSSERS KONKRET GETAN WERDEN KANN

1) Übersicht erstellen

Um Ihre Erben nicht mit einer aufwendigen Recherche zu belasten, können Sie eine Liste mit allen relevanten Anbietern und dem dazugehörigen Passwort erstellen. Speichern Sie die Liste kennwortgeschützt auf Ihrem Computer und zusätzlich auf einem USB-Stick ab oder drucken Sie die Liste aus und verwahren diese an einem sicheren Ort (Safe, Bankschließfach) oder übergeben Sie die Liste einer Person Ihres Vertrauens. Und ganz wichtig: Aktualisieren Sie die Liste regelmäßig.

Die Liste könnte wie folgt gegliedert sein:

  • E-Mail-Dienste (z.B. gmail.com; web.de; t-online.de)
  • Soziale Netzwerke (z. B. XING; Facebook; Instagram; YouTube)
  • Online-Banking
  • Online-Bezahldienste (z.B. Paybal; Paydirekt)
  • Kryptowährung
  • Versandhandel (z.B. Zalando, Amazon)
  • Eigene Website (z.B. Strato; 1&1)
  • Streaming- und Clouddienste, Spieleplattformen
  • Nutzungs- und/oder Urheberrechte

Kündigen und löschen Sie Dienste, Apps etc., die Sie nicht mehr benötigen, auf Ihren Geräten und halten Sie diese auf dem aktuellen Stand.

2) Bevollmächtigung einer Vertrauensperson

Bevollmächtigen Sie eine Person Ihres Vertrauens mit der digitalen Nachlassverwaltung und verschaffen Sie dem schriftlich Bevollmächtigten Zugang zu allen relevanten Informationen.

Besprechen Sie die ordnungsgemäße Bevollmächtigung ggf. mit Netzwerkanbietern, Banken, Versicherungen etc.

Sie können einen Vertragspartner auch damit beauftragen, im Todesfall alle Online-Konten zu löschen oder den Erben Zugang zum Konto zu gewähren.

3) Die testamentarische Verfügung mit Anordnung der Testamentsvollstreckung

Wenn Sie ein Testament verfassen, können Sie einen Testamentsvollstrecker, beispielsweise Karla Friedemann, Agentur für Erben, www.erbagentur.de, benennen, der die Nachlassabwicklung und somit auch den digitalen Nachlass professionell abwickelt und somit die Erben entlastet.

Vorteil: Gerade bei einer Erbengemeinschaft ist die Anordnung einer Testamentsvollstreckung sinnvoll, um die Abwicklung des Nachlasses zu beschleunigen und Auseinandersetzungen unter den Erben zu vermeiden.

4) Gewerbliche digitale Nachlassverwaltung

Kommerzielle Dienste zur digitalen Nachlassverwaltung haben unterschiedliche Herangehensweisen. Nachfolgend werden einige Beispiele dazu genannt:

Benachrichtigungssystem

Einige Anbieter arbeiten mit einem Benachrichtigungssystem. Der Nutzer legt in einer digitalen Nachlassverfügung fest, was mit dem digitalen Nachlass im Einzelnen passieren soll. Das Benachrichtigungssystem des Anbieters informiert im Todesfall die Unternehmen vom Ableben des Kunden.

Vorteil:  Benutzernamen und Kennwörter müssen nicht an den Anbieter weitergegeben werden.
Nachteil: Bei diesem Modell werden nur Unternehmen informiert, die mit dem Anbieter kooperieren. Alle anderen Unternehmen bleiben unberücksichtigt.

Analyse des Computers

Andere Anbieter durchsuchen und analysieren Computer und andere Geräte auf Online-Aktivitäten des Erblassers und informieren die Erben entsprechend. Die Erben können anschließend über die weitere Vorgehensweise entscheiden. Einige dieser Anbieter veranlassen darüber hinaus die Kündigung von Accounts.

Vorteil:   Technischer Support.
Nachteil:  Fremden Dritten wird ein weitreichender Einblick in die Daten des Erblassers gewährt.

Hinterlegung eines digitalen Testaments

Eine weitere Variante ist die Hinterlegung eines digitalen Testaments bei einem Anbieter für digitale Nachlassverwaltung. Hier werden in der Regel Zugangsdaten des Nutzers auf dem Server des Anbieters gespeichert. Datenwechsel müssen dem Anbieter regelmäßig mitgeteilt werden, damit die Daten aktuell sind.

Nachteil:   Mitteilungserfordernis bei Änderungen und Gefahr durch Hackerangriffe.

Alle gewerblichen Varianten sind kostenpflichtig. Es gibt keine Gewährleistung, dass diese Unternehmen Bestand haben, so dass in Fällen der Insolvenz oder Wegfall des Unternehmens die versprochenen Dienstleistungen nicht mehr erbracht werden können und bereits gezahlte Gebühren verloren sind.

Auch viele Bestattungsinstitute kooperieren mit Dienstleistern für den digitalen Nachlass. Wer einen Nachlassverwalter für die Abwicklung des digitalen Nachlasses beauftragt, sollte die Erben darüber informieren.

5) Tipps für Erben, wenn keine Vorkehrungen getroffen wurden

Beginnen Sie mit der Bestandsaufnahme:

  • Geben Sie personenbezogene Daten des Erblassers, wie Name, Anschrift, Geburtsdatum etc. in Internet-Suchmaschinen wie beispielsweise Google, Bing, Yahoo, Yasin ein, um Informationen über Mitgliedschaften einzuholen.
  • Kontoauszüge und die Post des Erblassers geben Aufschluss über Mitgliedschaften und Abonnements bei kostenpflichtigen Diensten.
  • Welche Apps hat der Erblasser heruntergeladen?
  • Gibt es einen Ordner (in Papierform oder digital), in dem Verträge/Rechnungen abgelegt sind?
  • Beachten Sie, dass Sie als Erbe in vielen Fällen ein Sonderkündigungsrecht auf den Todestag des Erblassers haben und überzahlte Beiträge auf Antrag erstattet werden. Als Nachweis müssen Sie eine Sterbeurkunde und oftmals auch den Nachweis Ihrer Erbenstellung (Erbschein, Testament mit Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts) vorlegen.
  • Auf der Seite der Verbraucherzentrale finden Sie unter https://www.verbraucherzentrale.de/musterbriefe/digitale-welt wertvolle Tipps.

ZUSAMMENGEFASST

Wer seinen digitalen Nachlass rechtzeitig regelt, schützt nicht nur die eigene Privatsphäre, auch über den Tod hinaus, sondern hilft den Erben bei der ohnehin schon umfangreichen Nachlassabwicklung. Dabei sind viele Dinge zu beachten. Auf der anderen Seite sind Organisationen, die Erbschaftsfundraising betreiben, angehalten, sich ebenfalls mit dem digitalen Nachlass zu beschäftigen. Denn der digitale Fußabdruck ist vielfältig, und jeder Mensch hat einen.