Stiftungsvermögen sollte sich Alternativen Anlagen öffnen. Oder sagen wir es anders: Stiftungsvermögen sollte eine gewisse Offenheit gegenüber Alternativen Anlagen zeigen. Warum das notwendig ist, zeigte das Anlagejahr 2022 ganz deutlich. Im ersten Halbjahr fielen Anleihen und Aktien praktisch gleichzeitig relativ stark, zwischenzeitlich wurde schon vom schlechtesten Anlagejahr seit den 60er Jahren gesprochen. Es war egal, ob Aktien und Renten im Verhältnis 50:50, 60:40, 70:30 oder 80:20 gemischt wurden. Weil alles fiel, fielen die Portfolien zurück. Ausgewogenere Stiftungsdepots hätten diesem Sturm besser standgehalten.
Es ist keine Neuigkeit mehr. Aber der Zinsanstieg ist da, weil die Teuerung davongaloppierte und die Zentralbanken – wie heißt es so schön – ordentlich „behind the curve“ waren. Daneben ist auch eine Rezession noch nicht vom Tisch, weshalb die Aktienmärkte ordentlich abgetaucht waren in 2022. Hätte eine Stiftung allerdings ihre Allokation zumindest auf drei Beine gebaut, also auf Aktien, Renten und Immobilien, dann wären die Probleme, die vielerorts vernehmbar sind, so nicht entstanden. Immobilien, die den Alternativen Anlagen zugerechnet werden können, hätten die Performancedelle geglättet, und hätten von den Einnahmeströmen bei den ordentlichen Erträgen die Unsicherheit genommen. Ein ausgewogen aufgesetztes Stiftungsportfolio mit der Immobilie als festem Bestandteil wäre hier einfach weit weniger vulnerabel gewesen.
Ertragsreich und sicher muss stets ins Hier und Jetzt übersetzt werden
Silke Harms, Stiftungsexpertin bei PATRIZIA, sieht die Herausforderung aus Stiftungssicht vor allem dort, das Wortduo „sicher und ertragsbringend“ (so wird im Hamburger Stiftungsgesetz der Rahmen für das Anlegen des Stiftungskapitals beschrieben) immer wieder aufs Neue ins hier und jetzt zu übersetzen: „Stiftungen nützt es nichts, sich bei ertragreich und sicher sich jetzt wieder nur im Anleihekontext zu bewegen, denn ausschließlich die Nominalverzinsung zu betrachten, ist viel zu kurz gesprungen. Um die Realverzinsung des Vermögens zu berechnen, muss die Inflation berücksichtigt werden und berücksichtigt man diese , so erzielen Anleihen heute deutlich weniger Erträge als noch in Zeiten mit Null- oder negativer Verzinsung. Wer inflationsgeschützt anlegen will, sollte einen Teil seines Portfolios in Immobilien anlegen. Nur so hat man eine Chance dem Kaufkraftverlust zu entkommen.“
Nicht umsonst legten die ganz alten Stiftungen immer schon breit gestreut an, mit einem maßgeblichen Gewicht auf Sachwerte und Alternativen Anlagen. „Was sich seit Jahrhunderten bewährt, kann für das aktuelle Jahrhundert nicht falsch sein“, ergänzt Silke Harms.
An der Einzelfallprüfung eines Investments kommen Stiftungen nicht vorbei
Sie hat sich mit ihrem Team daher auch einmal mit der am 1.7.2023 in Kraft tretenden Stiftungsrechtsreform auseinandergesetzt. „Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, den Stiftungen konkrete Vorgaben für ihre Vermögensanlage zu machen.“ Entsprechend müssten Stiftungen sich kontinuierlich mit der Anlage des Stiftungsvermögen als Ganzes auseinandersetzen, aber eben auch „im Einzelfall prüfen, ob sich bestimmte Investments für die jeweilige Stiftung eignen.“ Für Silke Harms spielt hier der historische Stifterwille gepaart mit der Anlagerichtlinie die entscheidende Rolle. Der Stifterwille muss auch im Stiftungsvermögen auf der Höhe der Zeit interpretiert werden, was dann wiederum Eingang in die Anlagerichtlinie findet.
Die Welt wurde sehr schnell eine sehr andere
Auf der Höhe der Zeit bedeutet heute, neben Aktien und Anleihen auch in der Kategorie Sachwerte also Alternative Anlagen zu denken. Zu diesen Alternativen Anlagen gehören Immobilien, die sich wiederum in verschiedene Nutzungsarten unterteilen. Hierzu zählen Wohn-, Büro-, Logistik- oder auch Sozialimmobilien. Was hier auf der Höhe der Zeit ist, hat sehr viel mit dem Kapitalmarktumfeld zu tun. Silke Harms erläutert: „Wir haben jüngst gesehen, dass die Welt sehr schnell eine sehr andere geworden ist, was einige Nutzungsarten mehr unter Druck gesetzt hat als andere. Wohnimmobilien haben sich zum Beispiel bislang sehr resilient gegenüber dem Druck von außen gezeigt.“ Investiere ich als Stiftung in diese Anlageklasse, dann sind geschlossene Investmentvermögen (=Investmentfonds) eine gute Option – allerdings nur nach sorgfältiger Prüfung.
Ein stiftungsgeeigneter Immobilienfonds muss laufende Erträge aus Vermietung und Verpachtung erzielen
„Ein stiftungsgeeigneter geschlossener Fonds ist so konzipiert, dass eine Einstufung als vermögensverwaltende und nicht als originär gewerbliche oder gewerblich geprägte Personengesellschaft erfolgen wird bzw. konzeptionell vorgesehen ist.“
Bedeutet übersetzt: Der Fonds erzielt aus der Beteiligung plangemäß bei steuerlicher Betrachtung laufende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Daneben können ggf. untergeordnet Einkünfte aus Kapitalvermögen, beispielsweise aus der verzinslichen Anlage etwaiger Liquiditätsüberschüsse anfallen.
„Die Einkünfte der Stiftung aus dem Investmentvermögen sind damit auf Ebene der gemeinnützigen Stiftung konzeptgemäß dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen.“, ergänzt die PATRZIA-Stiftungsexpertin.
Drei Punkte, die ein Immobilienfonds Stiftungen liefern muss
Müsste man einer Stiftung eine Checkliste an die Hand zur Auswahl eines Alternativen Investment bzw. eines geschlossenen Immobilienfonds, sie bestünde in einfacher Form aus drei Punkten.
- Das Alternative Investment ist auf seine Eignung als Investment für die konkrete Stiftung prüfbar, es lässt sich also eine sachgerechte Entscheidung zu diesem Investment treffen.
- Das Anlagevehikel, beispielsweise ein Immobilienfonds, erzielt ordentliche Erträge aus Vermietung und Verpachtung und ggf. zusätzlich noch Einkünfte aus Kapitalvermögen, die aus der Anlage etwaiger Liquiditätsüberschüsse anfallen. Die Einkünfte insgesamt sind also der Vermögensverwaltung zuzuordnen und sind nicht gewerblich infiziert.
- Das Anlagevehikel liefert ein Reporting, aus dem auch der Erhalt des Stiftungsvermögens durch entsprechende Vermögensaufstellungen hervorgeht. Stiftungen brauchen den Net Asset Value (NAV), also den Verkehrswert der Anlage, nicht selbst zu ermitteln.
Zusammengefasst
Der Bereich der Alternativen Anlagen ist ein in vielen Stiftungen noch unterentwickelter. Dabei sind gerade die älteren Stiftungen erst aufgrund ihrer Anlagen in Alternative Anlagen so alt geworden. Sie liefern quasi eine Blaupause, wie es als Ewigkeitsstiftung anzulegen gilt, um Stürme in der Welt aushalten zu können. Für Silke Harms gehören Alternative Anlagen damit nicht einfach zum guten Ton in der Verwaltung des Stiftungsvermögens, sondern sollten einen festen Platz in der Anlagepolitik haben. „Alternative Anlagen erlauben es einer Stiftung überhaupt erst, eine ausgewogene Anlagepolitik aufzusetzen. Es gibt in Zeiten wie diesen, keine Alternative zu den Alternativen.“ Das Wörtchen ‚alternativlos‘ kommt einem dabei in den Sinn, auf jeden Fall aber das Bonmot, nach dem Alternative Anlagen eher Must Have als Nice to have sein sollten. Das Anlagejahr 2022 liefert die letzten Fakten dafür direkt mit.