Stiftungen haben eine Rolle im gesellschaftlichen Miteinander. Welche Rolle das Tanzen dabei spielen kann, das wurde mir bewusst, als ich Gast der Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2024 sein durfte. Den Chef des Dachverbands Tanz Deutschland, Michael Freundt, lernte ich auf dem Deutschen Stiftungstag im Mai dieses Jahres kennen. Es gab mir eine Idee mit auf den Weg, zu der ich rund um die Verleihung im Aalto Theater Essen einen konkreteren Eindruck gewinnen konnte. Stiftungen könnten bei der Förderung des Tanzes in seinen verschiedenen Disziplinen eine gewichtige Rolle spielen. Ein Rückblick auf einem Abend, der inspirierte.
Stiftungen und das Tanzen, diese Verbindung war mir gar nicht bewusst. Dank Michael Freundt durfte ich aber etwas in die Tanzwelt eintauchen, in deren Vielfalt, und in die Idee, dass Stiftungen den Tanz hierzulande mit viel mehr Nachdruck fördern könnten. Tanzen, das ist nicht nur der Standardtanz, den wir in der Tanzschule irgendwann im Teenie-Alter vermittelt bekommen und der dann bei Abschlussball nicht selten zu dramatischen Momenten mündet. Tanz, das ist eben auch der freie Tanz, der improvisierte Tanz, der inspirierte Tanz. Tanz ist aber vor allem etwas Verbindendes. Tanzen verbindet Menschen jedweder Couleur, er entspannt die Menschen, er baut Vorurteile ab, er bringt Kulturen zueinander – und er begeistert. Diese Begeisterung wiederum lässt sich in Studien messen, wonach in Gesellschaften, in denen mehr getanzt wird, die Schwelle, etwa in aggressiver Art über andere Völker herzufallen, deutlich höher liegt.
Deutscher Tanzpreis für das Lebenswerk an Prof. Dieter Heitkamp
Tanz macht also zufrieden, Tanz macht ausgeglichener, er macht es mit den Menschen. Damit wären wir bei den zentralen Worten Dieter Heitkamp, der für sein Lebenswerk den diesjährigen Deutsche Tanzpreis verliehen bekam. Prof. Dieter Heitkamp gilt in der Tanzszene als Legende, als einer, der den Tanz hierzulande modernisiert hat, indem er die klassische Tanzausbildung durch ein neuartiges Ausbildungskonzept auf der Höhe der Zeit (bzw. seiner Zeit voraus) ersetzte. Er war Wegbereiter für das zeitgenössische Tanzen in Deutschland, seine Choreographien machten ihn aber auch u.a. in den USA, Kanada oder Brasilien sehr bekannt. In seiner Danksagung im Rahmen der Preisverleihung sagte er den Satz, der bei mir hängenblieb: „Tanz birgt großes Potenzial für ein besseres gesellschaftliches Miteinander.“ Genau davon brauchen wir mehr, von diesem besseren gesellschaftlichen Miteinander.
Hör-Tipp:
In unserem Podcast AHOI, NPO! sprachen wir mit dem Chef des Dachverbands Tanz Deutschland, Michael Freundt, über die Möglichkeiten, wie sich Stiftungen beim Thema Tanz einbringen können – und sollten.
Tanz als Empowerment für die Demokratie?
Über das, was Tanz ist und was Tanzen bewirken kann, kann Tanz ein Stück weit demokratisches Empowerment sein bzw. dazu beitragen – und wird genau damit zu einem wichtigen und möglichen Betätigungsfeld für Stiftungen. Insbesondere für Stiftungen, die Kunst und Kultur fördern, bei denen der Stiftungszweck genau diese beiden Sphären vorsieht. Nur eine kleine Gruppe von Stiftungen fördert das Themenfeld Tanz.
So auch die Stiftung von Prof. Dr. Norbert Lammert, dem ehemaligen wie legendären Bundestagspräsidenten, der im Aalto Theater in Essen am vergangenen Samstag ebenfalls anwesend war. Die Norbert-Lammert-Stiftung förderte bis 2016 für einige Jahre den Deutschen Tanzpreis, unterstützt darüber hinaus bis heute u.a. herausragende Tänzer, Tänzerinnen und Choreographen sowie einige tanzpädagogische Projekte. Wer Prof. Lammert einmal in einer Rede gehört hat, wie er uns allen ins Gewissen redet, für die Demokratie zu kämpfen und diese eben genau nicht für selbstverständlich zu nehmen, der kann herleiten, dass seine Stiftung den Tanz nicht ohne Bezug zu dieser Forderung fördert.
Stiftungen und die Sparte Tanz
Stiftungen haben beim Thema Tanz die Möglichkeit, ein positives besetztes Feld zu bestellen. Denn wenn wir alle über das Tanzen sprechen, dann darüber, dass wir mal alles hinter uns lassen, dass wir mal wieder so richtig abgerockt haben. Beim diesjährigen Deutschen Stiftungstag durfte ich beim Dialog der Stiftung mit einem mir tänzerisch vertrauten Menschen über die Tanzfläche wirbeln – es waren bei allen fachlichen Gesprächen die schönsten 4 Minuten des Stiftungstags. Es ging mir gut, und ich glaube, ich habe durch den Deutschen Tanzpreis und die drumherum geführten Gespräche verstanden, welche Chance der Tanz Stiftungen bietet, einen echten Impact auf die gesellschaftliche Verfasstheit Deutschlands „zu produzieren“. Bringe ich mehr Menschen zum Tanz, bringe ich mehr Menschen dazu, den offensichtlich bei Vielen vorhandenen Stress in „Tanzsituationen“ abzubauen. Passiert das regelmäßig, dann reduziert dies den gesamtgesellschaftlichen Stress.
Fördern Stiftungen den Tanz, tragen sie zum gesamtgesellschaftlichen Stressabbau bei
Beispiel gefällig? Das ebenfalls mit dem diesjährigen Deutschen Tanzpreis ausgezeichnete Netzwerk-Projekt Explore Dance, das seit 2018 existiert und junge Menschen zum Tanzen bringen möchte. Zentrale Idee hier war, bundesweit junge Menschen in verschiedenen Disziplinen und Konstellationen zum Tanzen zu bringen, mit bekannten Choreographen und Tanztrainern dafür zu begeistern, sich den verschiedenen Tanzformen auch zu öffnen. Auch hier ist es eine Motivation der Macher, durch das Begeistern für den Tanz positive Gefühle und Assoziationen zu wecken, auf das vielleicht bei dem einen oder der anderen darauf fußend ein positives Gefühl für das Morgen sprießt. Das mag idealistisch klingen, aber es ist vor allem eines nicht: ideologisch. Denn ganz offensichtlich haben die Menschen hierzulande genau davon im Moment genug. Dass Stiftungen solche schwer-integrativen Projekte fördern, das erscheint mir nur logisch, eine Schweizerische Stiftung ist bei Explore Dance bereits am Start.
Zusammengefasst
Wie es manchmal so ist. Da werde ich auf einer Stiftungsveranstaltung einem Verbandschef vorgestellt, und ein paar Monate später taucht man ein in die Welt des Tanzes, die wiederum für Stiftungen und ihre Betätigungssphären eine sehr inspirierende sein kann. Stiftungshandeln soll ja relevant sein, es soll wirken, und Tanz kann hier liefern.
Einige Beispiele konnte ich rund um die Verleihung des Deutsches Tanzpreises 2024 persönlich in Augenschein nehmen, einige weitere werden wir noch recherchieren. Wichtig erscheint mir vor allem der Satz von Dieter Heitkamp zu sein, dass Tanzen zu einem besseren gesellschaftlichen Miteinander beitragen kann – und dieses bessere gesellschaftliche Miteinander ist zur Gänze Teil de DNA einer jeden der 27.000 gemeinnützigen Stiftungen hierzulande. Insofern war es ein sehr inspirierender Abend, wir kommen gerne wieder in die Stadt des Tanzes nach Essen, die Verleihung des Deutsches Tanzpreises war quasi der Höhepunkt der Essener Tanzwoche. Einer Sache bin ich mir zudem sicher: Im kommenden Jahr werde ich mehr Stiftungen und mehr Stiftungsmenschen in Essen treffen. Wir können uns ja auf dem Stiftungstag in Wiesbaden 2025 schon mal vorab verabreden. In diesem Sinne: Eins, zwei, Step.