„Ordentlicher Ertrag geht heute einfacher“

Ein Gespräch mit Fondsmanager Nick Edwardson über Stiftungsvermögen 2030 ‚in times of change‘

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Interview mit Nick Edwardson
Lesezeit: 6 Minuten

Wir sprachen mit Nick Edwardson, Fondsmanager des #fondsfibel Club der 25-Fonds Aegon Global Diversified Income, zum Anlagejahr 2022 und was Stiftungen für 2023 und beyond daraus lernen können. Wir nehmen es vorweg: Es wird einfacher werden, aber dennoch alles andere als einfach. Aus Stiftungssicht schält sich zudem heraus, dass der ordentliche Ertrag einfacher zu generieren ist als noch vor 12 Monaten. Nick Edwardson erläutert, warum das so ist.

stiftungenstärken.de: Wenn wir das Jahr 2022 Revue passieren lassen, dann war dieses ein besonderes. Politisch wie wirtschaftlich. Wie fällt ihr Fazit zum Jahr 2022 aus?

Nick Edwardson: In meinen Augen sehen wir, wenn wir den Blick mal auf das große Bild wenden, Zeiten des Wandels. Mit diesem Wandel müssen wir uns auseinandersetzen. Manches von diesem Wandel betrifft die kurze Frist, manches davon die lange Sicht. Und es gibt in diesem Wandel Aspekte, die deshalb so wichtig sind, weil sie alles andere tangieren. Einmal werden die wirtschaftlich positiven Effekte, die durch die Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie getroffen wurden, auslaufen. Entsprechend dürften wir in eine Rezession schlittern, wenn wir nicht schon partiell in einer stecken. Danach wird es wieder zu einer wirtschaftlichen Erholung kommen, bei der jedoch ein Einflussfaktor gänzlich anders sein wird also bei der Corona-Erholung. Das Liquiditätsregime hat sich weltweit verändert. Seit der Finanzkrise 2008 lebten wir einer Welt der ultralockeren Geldpolitik bzw. des Quantitative Easings, was Auswirkungen natürlich auch auf die Kapitalmärkte hatte. Im Positiven wohlgemerkt. Die Zentralbanken fahren jetzt eine andere Politik, wann sich das wieder ändert, kann ich schwer sagen. Ein zwei Jahre wird das vermutlich noch anhalten.

stiftungenstärken.de: Ist das ein Gamechanger für die Asset Allocation auch von Stiftungen?

Edwardson: Naja, weil es wieder Zins gibt, sind Anleihen durchaus wieder interessant, also sind die Spielarten für die Asset Allocation wieder vielfältiger. Aber das ist nur ein Gamechanger. Was wir in der Energiesphäre sehen, ist ein richtiger Gamechanger. Schaut ein Industrieunternehmen heute auf seine Gasrechnung, wird den Verantwortlichen dort schlecht. Das ganze Thema Energieangebot muss neu gedacht werden, in der westlichen Welt und vor allem in Westeuropa. Wir dachten für viele Jahre, Russland wäre ein Partner, aber das ist es nicht. Wir mussten und müssen erkennen, dass es Länder gibt, die unsere Werte nicht teilen, die sich nicht an die Regeln der Diplomatie halten und ein anderes Rechtsempfinden haben. Wir müssen sehr viel sensibler diesbezüglich sein, und das hat gerade erst angefangen. Regierungen werden ja auch ihre Ausgaben teilweise komplett neu ausrichten, was wiederum Auswirkungen auf das Wachstum haben wird. Aber, was wir auch schon sehen ist, dass wir durch den Energiepreisschock schon ziemlich gut durch sind, weil eben neue Strukturen geschaffen wurden – wohlgemerkt in Rekordzeit.



TV-Tipp:
Wie Stiftungen ihre Aktienquoten im aktuellen Umfeld diskutieren sollten, darüber diskutierten wir mit zwei Stiftungsexperten in Folge 4 von #fondsfibel AKTUELL.

Edwardson: Ganz genau, mit dem Ergebnis, dass wir energiepolitisch weitaus weniger verletzlich sind für alles, was an energiepolitischem Druck aus Russland noch kommt. Das alles fällt allerdings zusammen mit enormen Bemühungen, die Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaften voranzutreiben. Auch hier ist das Wort Wandel richtig verwendet. Wir wollen dem Klimawandel aktiv begegnen, und das dürfte Investoren auch weitaus mehr befassen, zumindest in meinen Augen, als der derzeit tobende Konflikt in der Ukraine. Für mich wird der Konflikt auch weitergehen und werden die Sanktionen beibehalten, solange Putin Präsident Russlands bleibt. Das wiederum betrifft den globalen Handel, der eben etwas weniger floriert und vor allem als Schrittmacher ein Stück weit ausfällt. Das ist auch ein Wandel, mit dem wir uns vertraut machen müssen. Globalisierung so wie wir sie in den letzten 20 oder 25 Jahren gesehen, ist einfach ein Stück weit vorbei, oder wird künftig anders ablaufen. Das wird die Asset Allocation in den nächsten Jahren merklich beeinflussen, denn hier drehen sich so einige Vorzeichen einfach um. Die Frage ist ja, ob aus Globalisation eine Slowbalisation wird. Ich wiederhole es gerne noch einmal. Es gibt Länder und Regierungen, die unsere Werte nicht teilen, und denen auch der Handel mit uns nichts bedeutet. Das wiederum wird unseren Erfolg dort beeinflussen, es wird ihn schwieriger machen.

„Die Frage ist ja, ob aus Globalisation eine Slowbalisation wird.“

(Nick Edwardson, Aegon Asset Management)

stiftungenstärken.de: Aber das trifft Anleger, eben auch Stiftungen, auf einer strategischen Ebene, richtig?

Edwardson: Natürlich, denn wenn wir unsere Produkte und zum Beispiel Technologie nicht mehr mit diesen Ländern teilen, dann geht der Handel natürlich zurück. Bei Chips sehen wir das weltweit. Social Media-Plattformen dürfen in bestimmten Ländern nicht mehr genutzt werden, westliche Bezahlsysteme werde durch einheimische abgelöst. Das kommt, aber es ist auch schon zum Teil da.

stiftungenstärken.de: Macht dieses Umfeld etwas mit Ihnen als Portfoliomanager, mit Ihrem Anlagestil?

Edwardson: Die Balance in unserem Portfolio wird sich verändern, die Investmentideen werden sich verändern, und ich muss diese Ideen ja haben oder produzieren. Das ist zwar per se nichts Neues, aber manches in sich stimmige Investment, das wir eben getätigt haben, ist einfach nicht mehr stimmig ob des sich rasant verändernden Rahmens. Ich muss vielleicht lernen, mich schneller von einst guten Ideen zu trennen. Beispielsweise haben wir börsennotierte Infrastruktur, also Aktien von Infrastrukturunternehmen, reduziert. Nicht weil es schlechte Ideen waren, aber im Zuge steigender Zinsen veränderten sich hier die Parameter so, dass wir sagen müssen: Regulierte Investments schön und gut, aber Anleihen sind die bessere Wahl. Das geschah sehr schnell, hier muss ein Fondsmanager also auch schnell sein.

stiftungenstärken.de: Sie sprechen die gestiegenen Zinsen in 2022 an. Wie fällt angesichts dessen Ihr Income-Ausblick aus? Ihr Fonds, der Aegon Global Diversified Income, ist ja seit Beginn auf Income, also den ordentlichen Ertrag fokussiert. Wird es mit Zinseinfacher, das Income-Ziel zu erreichen?

Edwardson: Income, also der ordentliche Ertrag, ist jetzt einfacher zu finden als noch vor 12 Monaten. Vor einem Jahr hielten wir keine zehnjährigen Bundesanleihen, heute dagegen schon. Natürlich können die Anleihekurse immer noch weiter schwanken, nach unten, weil die Notenbank die Zinszügel weiter anziehen, aber die Renditen sind für Income-Anleger schon wieder recht attraktiv. Die Frage für uns ist, welche Risiken wir eingehen müssen, um unser Income-Ziel von 5% zu erreichen. Gemessen daran ist es heute einfacher als vor 12 Monaten, einen ordentlichen Ertrag von 5% zu erwirtschaften. Da der Anteilspreis zudem in 2022 sank, kann sogar eine 6 vor dem Komma stehen. Dieses Income würde ich als stabil bezeichnen, das werden wir auch weiter liefern können, und das ist eine gute Nachricht für Anleger.

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stiftungenstärken.de: Noch dazu wird sich der Fondsanteilspreis ja auch vermutlich wieder erholen.

Edwardson: Genau, die Erholung läuft ja auch bereits. In den nächsten 12 Monaten oder auch darüber hinaus hat der Anteilspreis gute Chance, sich substanziell zu erholen. Die Aktienmärkte deuten hier ja vielleicht bereits den Weg. Die Diversifikation funktioniert in meinen Augen sehr gut, was man hierbei nicht vergessen darf ist, dass es in einem sich verändernden Anlageumfeld auch immer wieder neue Gelegenheiten gibt, die es zu nutzen gilt. Das muss Portfoliomanagement tun, eben die Augen offen zu halten und die Gelegenheiten auch als solche zu begreifen. Wir haben beispielsweise den Teil der Alternativen Anlagen im Portfolio reduziert, über Infrastruktur sprach ich bereits, auch den Immobilienanteil haben wir leicht reduziert. Börsennotierte Immobilienunternehmen, also REITs, sind gehebelte Konstrukte, die in Zeiten stark steigender Zinsen unter Druck stehen. Im Gegenzug haben wir aber beispielsweise im Portfolio den Anteil von US-Anleihen nahezu verdoppelt, von 4 auf 8%. Auch haben wir zyklische Aktien und Titel von Versicherungsunternehmen reduziert, zudem treibt uns gerade die Frage um, ob wir nicht etwas mehr in US-Aktien shiften sollten.

„Es gibt einen Werbeslogan eines Bierproduzenten, da heißt es ‚manchmal musst Du für Qualität bezahlen‘. Schaue ich auf die Aktienmärkte, dann führt mich dieser Satz in die USA, und eben weniger nach Paris, Brüssel oder Frankfurt.“

(Nick Edwardson, Aegon Asset Management)

stiftungenstärken.de: Europa nicht? Die Aktien hier sind ja günstig bewertet.

Edwardson: Das stimmt, europäische Aktien sind auch historisch gesehen günstig bewertet, aber das heißt nicht, dass sie automatisch auch attraktiv sind. Es gibt einen Werbeslogan eines Bierproduzenten, da heißt es ‚manchmal musst Du für Qualität bezahlen‘. Schaue ich auf die Aktienmärkte, dann führt mich dieser Satz in die USA, und eben weniger nach Paris, Brüssel oder Frankfurt. Nicht zuletzt sind die Energiekosten in den USA um so viel günstiger, dass es dort eine realistische Chance gibt, dass das Re-Shoring, also das Wiederansiedeln von produzierendem Gewerbe, in den USA gut funktioniert. Mit allen positiven Nebeneffekten, die das haben kann.

vtfds2023 - 4. Virtueller Tag für das Stiftungsvermögen


stiftungenstärken.de: Blicken Sie also gar nicht so pessimistisch in die Anlagezukunft? Wie sieht ihr Bild aus für ein Stiftungsvermögen mit Blick auf 2030?

Edwardson: Also betreffend die Zukunft ist eines sicher. Je länger wir vorausblicken, desto unsicherer wird das, was wir ableiten. Ausgehend vom heutigen Tage aus würde ich vermuten, dass der Gegenwind durch das Reduzieren der Liquidität weltweit erst einmal nicht weniger werden wird. Und Gegenwind bedeutet auch, dass wir solche Zuwächse wie in den letzten 10 Jahren an den Aktienmärkten wohl kaum sehen werden. Das wäre mal eine Aussage, eine andere wäre, dass wir höhere Inflationsraten sehen werden, die sich auch aus einer gewissen Lohninflation speisen dürfte. Nicht zuletzt ist das Ende oder das Verlangsamen der Globalisierung ein Eckpfeiler, den ich bedenken muss. Güter und Dienstleistungen werden nicht mehr automatisch billiger werden, im Gegenteil. Für mich ist auch der Anleihen-Bullenmarkt tatsächlich vorbei, bedeutet für mich aber nicht, dass wir in einen Anleihen-Bärenmarkt münden. Eher werden wir in eine länger anhaltende Seitwärtsphase einmünden. Alles zusammen genommen bedeutet das aber für Income-Investoren, wie es Stiftungen nun einmal sind, dass dies nicht die allerschlechteste aller Welten ist. Es würde mich nicht wundern, wenn die ordentlichen Erträge in den kommenden Jahren deutlich höher ausfielen als in den letzten 10 Jahren. Der Wert von gemischten Portfolios wird sich dann richtig zeigen, zumal sie gute Chancen haben, entlang des Inflationspfades auch Kapitalzuwächse zu generieren. Aber, durch das Zinserhöhungsunwetter der Notenbanken müssen wir erst einmal noch durch, einerseits. Andererseits heißt Cash zu halten für Stiftungen, Möglichkeiten zu verschwenden. Denn um der Inflation zu begegnen, ist Cash das stumpfeste aller Schwerter.

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stiftungenstärken.de: Wie wahr, wie wahr. Wir danken Ihnen sehr für die Einblicke in ihre tägliche Arbeit und auch die Einschätzungen zum Morgen und Übermorgen in der Kapitalanlage von Stiftungen. Alles Gute für Sie.

Das Interview führte Tobias Karow.